VDMA mit umfangreicher politischer Agenda

 VDMA mit umfangreicher politischer Agenda

VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann hält weder den Einstieg in die 28-Stundenwoche, noch eine Lohnerhöhung um 6 Prozent für verkraftbar. Quelle: VDMA

Trotz gut laufender Konjunktur macht man sich beim VDMA Gedanken um die Zukunft. Anstehende Tarifrunden sowie die Rente mit 63 bereiten den Verantwortlichen genauso Sorgen, wie die Situation innerhalb der EU und besonders der bevorstehende Brexit.

Der VDMA sieht die Gefahr, dass ein überhöhter Tarifabschluss zahlreichen Maschinenbauern die Luft zum Atmen nehmen würde. „Weder ist der Einstieg in die 28-Stundenwoche, noch eine Lohnerhöhung um 6 Prozent für viele unserer Unternehmen verkraftbar“, warnt VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann. Die IG Metall müsse auf dem Teppich bleiben und dürfe die tatsächliche Lage in den Betrieben nicht ausblenden. Der Spielraum für Lohnerhöhungen sei sehr begrenzt, weil die Unternehmen Geld benötigten, um zu investieren. „Wie keine zweite Industrie ist der Maschinen- und Anlagenbau durch die Digitalisierung der Produktion herausgefordert“, betont Brodtmann.

Über die Forderung der IG Metall, den Einstieg in die 28-Stundenwoche, verbietet es sich nach Ansicht von Thilo Brodtmann „überhaupt ernsthaft nachzudenken“. Nicht nur wegen der demografischen, sondern auch wegen der technologischen Entwicklung – Stichwort Industrie 4.0 – werde die Nachfrage nach qualifizierten Mitarbeitern weiter steigen. Bei einer Arbeitszeitverkürzung auf 28 Stunden könnten Unternehmen die notwendige Digitalisierung der Produktion nur schwer oder gar nicht umsetzen, weil ihnen geeignetes Personal fehlt.

„Rente mit 63“ verschärft Mangel an Fachkräften

Auch die so genannte „Rente mit 63“ findet auf Grund des spürbaren Fachkräftemangels beim VDMA keine Zustimmung. Mehr als zwei Drittel der dafür in Frage kommenden Beschäftigten im Maschinenbau hat sich zwischen 2013 und 2016 vorzeitig verrenten lassen. Gerade im Maschinen- und Anlagenbau stellen Fachkräfte 60 Prozent der Beschäftigten. Viele von ihnen stehen seit ihrer dualen Berufsausbildung in einem lückenlosen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis und erfüllen somit im Alter von 63 die Voraussetzungen, um die Altersrente für besonders langjährige Versicherte zu beziehen.

Die Entwicklung der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der obersten Altersgruppe zeigt, dass von der „Rente mit 63“ in den vergangenen Jahren kräftig Gebrauch gemacht wurde. Zwischen Juni 2014 – dem Monat vor Einführung der „Rente mit 63“ – und März 2015 sank die Zahl der Mitarbeiter im Alter von 63 bis zur Regelaltersgrenze im Maschinenbau um 13 Prozent. Im Dezember 2016 lag sie rund 7 Prozent unter dem Niveau von Mitte 2014. Aus demografischen Gründen müsste die absolute Zahl der Beschäftigten in der obersten Altersgruppe aber eigentlich steigen.

In der Gesamtwirtschaft war die Beschäftigtenzahl zwischen Juni 2014 und März 2015 zwar zunächst auch gefallen (minus 9 Prozent). Sie liegt aber heute deutlich über dem Wert von Juni 2014 (plus 8,2 Prozent im Dezember 2016). Die Entwicklung zeigt, dass die „Rente mit 63“ zu einer Verschärfung der Fachkräftenachfrage beigetragen hat. Aufgrund der demografischen Entwicklung sollte die Politik daher einen Beitrag leisten, wie das faktische Renteneintrittsalter erhöht statt gesenkt werden kann, fordert Brodtmann.

Juncker-Kommission muss Industrie in den Mittelpunkt stellen

Im November 2019 endet die Amtszeit von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker – in dieser Woche hat die Kommission nun ihre letzten Legislativvorschläge vorgestellt. Der VDMA weist darauf hin, dass erfolgreiche Politik oft von Detailfragen abhängt; bei der konkreten Umsetzung ihrer Projekte muss die Kommission daher unbedingt die Belange der Industrie berücksichtigen.

„Das Versprechen einer schlankeren Gesetzgebung hat die Juncker-Kommission bislang nur in Teilen erfüllt. Zwar hat sich die Kommission bislang auf wenige größere Politikfelder konzentriert. Etwa in der Handelspolitik sehen wir aber, dass trotzdem neue Bürokratie für Unternehmen geschaffen wird, beispielsweise durch den Vorschlag einer Investitionskontrolle“, sagt Holger Kunze, Leiter des VDMA European Office. In ihrer verbleibenden Zeit müsse sich die Juncker-Kommission stärker an den Bedürfnissen der Industrie orientieren. Eine Chance dazu böten etwa die laufenden Verhandlungen zum Freihandel mit dem Mercosur. Positiv sei, dass sich die Kommission nicht nur auf kurzfristige Ziele beschränke, sondern 2018 auch eine langfristige Reform der EU im Blick behalte.

Deutscher Maschinenbau eng mit Großbritannen verbunden

Zumal sich ein Großteil der restlichen Amtszeit von Kommissionspräsident Juncker um den EU-Austritt Großbritanniens drehen wird. Ein harter Brexit würde den europäischen Maschinenbau spürbar belasten. Mit vorsichtigem Optimismus sieht der VDMA daher, dass die verbleibenden EU-Staaten nun Verhandlungen über die künftigen Handelsbeziehungen zwischen der EU und Großbritannien vorbereiten wollen. Solche Gespräche könnten im Dezember beginnen. Voraussetzung dafür sind allerdings Fortschritte in den laufenden Austrittsverhandlungen, wie die EU-Staaten am 20. Oktober in Brüssel bekräftigten. Der VDMA sieht vor allem Großbritannien in der Pflicht, klare und realistische Positionen für den Brexit und die Zeit danach vorzulegen.

Für den deutschen Maschinenbau war Großbritannien im vergangenen Jahr der weltweit viertgrößte Auslandsmarkt mit einem Exportvolumen von 7,4 Milliarden Euro. Umgekehrt lieferte das Vereinigte Königreich 2016 Maschinenbauprodukte im Wert von 2,4 Milliarden Euro nach Deutschland. Darüber hinaus ist der deutsche Maschinenbau über Investitionen eng mit Großbritannien verbunden: 71 Maschinenbauunternehmen stehen im Vereinigten Königreich im Mehrheitseigentum deutscher Investoren, 61 Maschinenbauunternehmen in Deutschland haben britische Eigentümer. (ig)