Digitaler Neustart für deutsche Banken

 Digitaler Neustart für deutsche Banken

Die Bankenwelt ist im Vergleich zu anderen Industrien bei der Digitalisierung ihres Geschäfts erst spät aktiv geworden. Bild: fr.de

Nur jede vierte deutsche Privat- und Firmenkundenbank verfolgt eine gesamtheitliche Digitalisierungsstrategie. Das zeigt eine Oliver Wyman-Analyse über die Digitalisierungsvorhaben der Top-50 Privat- und Firmenkundenbanken in Deutschland. Gemessen am Wachstum der Banken zahlen sich deren digitale Bemühungen bislang noch nicht aus. Ein Neustart der Digitalisierungsvorhaben ist daher nötig.

Die Bankenwelt ist im Vergleich zu anderen Industrien bei der Digitalisierung ihres Geschäfts erst spät aktiv geworden. Doch wachsende Kundenanforderungen, digitale Wettbewerber und ein komplexer werdendes Regulierungssystem führen dazu, dass umfassende Digitalisierungsbestrebungen für Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum unabdingbar sind. Welch entscheidende Rolle der Digitalisierung zukommt, haben die Banken nun erkannt: Bis 2020 wollen die Top-50 deutschen Privat- und Firmenkundenbanken bis zu sechs Milliarden Euro in Digitalisierungsinitiativen investieren. Das entspricht rund zwölf Prozent des Gesamtertrags aus dem Jahr 2017.

Fehlende digitale Vision

Trotz hoher Investitionen und zahlreicher Kooperationen besteht bei der Verknüpfung der Digitalisierungsinitiativen mit der Gesamtstrategie des Unternehmens noch Nachholbedarf: Lediglich ein Viertel der untersuchten Banken verfolgt eine aus der Gesamtstrategie abgeleitete, integrierte und abgestimmte Digitalisierungsstrategie. Trotz der Einführung von Chief Digital Officers (CDO) erfolgen die Digitalisierungsinitiativen oftmals noch ohne konkrete digitale Vision. Dies limitiert auch den Einfluss der Digitalisierung auf die Profitabilität.

Obwohl die deutschen Banken bereits hohe Investitionen in die Digitalisierung getätigt haben, sind nur wenige positive Effekte erkennbar. Zwar sind die Gesamterträge der Top-50 Privatkundenbanken von 2014 bis 2016 leicht gestiegen (CAGR 0,9 Prozent), zur selben Zeit sind aber auch die Kosten überproportional angestiegen. Dies manifestiert sich in einem Anstieg der Cost-Income-Ratio auf etwa 70 Prozent. „Gemessen an Wachstum und Profitabilität haben sich die Investitionen bisher nicht ausgezahlt“, sagt Gökhan Öztürk, Partner im Bereich Financial Services bei Oliver Wyman und Leiter des Frankfurter Büros.

Digitalisierung als Kooperationstreiber

Zur Realisierung ihrer Digitalisierungsinitiativen setzen viele Banken auf Kooperationen mit FinTechs. Diese dienen oft dazu, fehlende interne Ressourcen und Fähigkeiten sowie Wettbewerbsnachteile auszugleichen. Der Schwerpunkt der Kooperationen liegt dabei auf den Bereichen Banking Services (42 Prozent), Payments (21 Prozent), Investment/ Anlage (16 Prozent), Kredit sowie Personal Finance & Aggregatoren (jeweils acht Prozent) und Versicherung (vier Prozent). „Neben Kooperationen mit FinTechs nehmen auch Inter-Bank-Kooperationen zu. Dies ist oft bei Initiativen, die auf bankenübergreifende Plattformen beziehungsweise auf Netzwerkeffekte angewiesen sind der Fall“, erklärt Öztürk.

Digitaler Reboot notwendig

Auch der Anfang dieses Jahres von Oliver Wyman veröffentlichte Bankenreport Deutschland 2030, der eine Reduktion der am Markt aktiven Banken auf unter 300 Institute prognostiziert, beschreibt digitale Innovation als Kernvoraussetzung für ein nachhaltig erfolgreiches Geschäftsmodell. Die Oliver Wyman-Analyse zeigt, dass aktuell nur wenige Banken eine mit der Gesamtstrategie verzahnte Digitalisierungsstrategie verfolgen – trotz hoher angekündigter Investitionen in diesem Bereich. „Als Hindernisse eines effizienten Ressourceneinsatzes und schlussendlich erfolgreichen Digitalisierung haben wir neben der mangelnden Integration in die Gesamtstrategie fehlendes Know-how, eine fehlende Innovations-Governance, nicht klar fokussiertes Handeln und eine hohe Risikoaversion festgestellt,“ so Gökhan Öztürk.

Basierend auf diesen Ergebnissen empfehlen die Berater daher einen unmittelbaren „Digital Reboot“ der Digitalisierungsstrategie mit einer klaren digitalen Ambition, einem stringenten digitalen „Delivery Model“ und höherer Bereitschaft zu Greenfield-Investitionen. Hier hilft die enge Einbindung der Mitarbeiter und Aufklärung über persönliche Vorteile, um möglichen Abwehrhaltungen entgegenzuwirken und Begeisterung für die digitale Transformation zu wecken. „Nur so kann das Potenzial der Digitalisierung vollumfänglich ausgeschöpft und der digitale Wandel hin zu einem nachhaltigen Geschäftsmodell eingeläutet werden“, so das Fazit von Öztürk. (ig)