Mittelstand trotz Abschwung optimistisch

 Mittelstand trotz Abschwung optimistisch

38 Prozent der deutschen Mittelständler planen, die Zahl der Mitarbeiter in Deutschland zu erhöhen. Bild: ZF

Die Konjunktur in Deutschland verliert an Fahrt, die weltweiten politischen Risiken nehmen zu – dennoch ist der deutsche Mittelstand nach wie vor in Hochstimmung: 65 Prozent der Unternehmen sind derzeit uneingeschränkt zufrieden mit ihrer Geschäftslage. Das sind vier Prozentpunkte mehr als vor einem Jahr und der höchste Wert seit dem Jahr 2004, als die Studie erstmals durchgeführt wurde. Gerade einmal drei Prozent der Unternehmer klagen über eine eher schlechte Geschäftsentwicklung.

Auch der Ausblick fällt optimistisch aus: 56 Prozent erwarten, dass sich die eigene Geschäftslage in den kommenden sechs Monaten verbessert, nur vier Prozent rechnen mit einer Verschlechterung. Hinsichtlich der konjunkturellen Entwicklung in Deutschland sind die Unternehmer allerdings deutlich weniger zuversichtlich – 32 Prozent rechnen mit einer Verbesserung der Wirtschaftslage in Deutschland, immerhin 16 Prozent mit einer Verschlechterung. Das ist mehr als eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr.

Bemerkenswert hoch ist auch die Investitionsbereitschaft der Unternehmen: 31 Prozent wollen ihre Investitionen in neue Maschinen oder Gebäude erhöhen, das sind nur geringfügig weniger als im Vorjahr, als der Anteil bei 35 Prozent lag. Zur hohen Investitionsbereitschaft passt auch ein ungebrochener Aufwärtstrend bei den Neueinstellungen: 38 Prozent der Mittelständler planen, die Zahl der Mitarbeiter in Deutschland zu erhöhen – so viele wie nie zuvor seit Beginn der Befragung. Gerade einmal drei Prozent der Unternehmen wollen die Zahl der Mitarbeiter reduzieren.

Die Stimmung im deutschen Mittelstand ist bemerkenswert gut

Das sind Ergebnisse des Mittelstandsbarometers der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young). Für die Studie wurden deutschlandweit 1.500 mittelständische Unternehmen mit mindestens 20 Millionen Euro und höchstens einer Milliarde Euro Umsatz befragt.

„Die Stimmung im deutschen Mittelstand ist bemerkenswert gut – gerade angesichts der eingetrübten weltweiten Konjunkturaussichten fällt das Urteil überraschend positiv aus“, kommentiert Michael Marbler, Partner bei EY und verantwortlich für den Bereich Mittelstand, die Ergebnisse. „Offensichtlich haben sich die verschlechterten Konjunkturprognosen noch nicht auf die Geschäftslage und -erwartungen der mittelgroßen deutschen Unternehmen ausgewirkt. Tatsächlich ist die Umsatzentwicklung bei vielen Unternehmen immer noch sehr zufriedenstellend. Zudem beunruhigen die geopolitischen Spannungen den Mittelstand offenbar deutlich weniger als Großkonzerne. Dies dürfte auch in der stärkeren Orientierung des Mittelstands auf die Binnennachfrage und den europäischen Markt begründet sein.“

Nur bei den Unternehmen aus der Automobilindustrie ist bereits ein deutlicher Stimmungsumschwung festzustellen: Hier sank der Anteil der Unternehmen, die mit der Geschäftslage uneingeschränkt zufrieden sind, von 67 auf 46 Prozent. „Für die Automobilbranche war 2018 ein schwieriges Jahr: Der Absatzeinbruch bei Diesel-Pkw und die Umstellung auf das neue Abgasmessverfahren WLTP haben zu erheblichen Problemen bis hin zu längeren Produktionsstopps und Kurzarbeit geführt – das haben auch die Zulieferer zu spüren bekommen“, beobachtet Marbler.

Ebenfalls auffällig: Während die Stimmung im Westen der Republik besser ist als im Vorjahr – hier stieg die Zufriedenheit von 60 auf 67 Prozent – ist in den ostdeutschen Bundesländern ein Rückgang von 68 auf 59 Prozent festzustellen.

Trotz guter Geschäftslage auf schwierigere Zeiten einstellen

Angesichts des außerordentlich optimistischen Ausblicks der Unternehmen warnt Marbler vor zu hohen Erwartungen: „Die Konjunkturerwartungen der Mittelständler fallen deutlich zurückhaltender aus als die eigenen Umsatzprognosen – das sollte zu denken geben. Tatsächlich ist es wichtig, die Risiken ernst zu nehmen und nicht davon auszugehen, dass der Aufschwung ungebremst anhält. So könnte der Brexit, wenn er ungeordnet verläuft, zu erheblichen Turbulenzen und Umsatzrückgängen führen. Und in China zeichnet sich eine Konjunkturabkühlung ab. Das ist zwar zunächst vor allem ein Problem für die dort stark engagierten deutschen Konzerne und großen Mittelständler, früher oder später wird eine schwächelnde Konjunktur im Reich der Mitte aber auch zu Einbußen am Standort Deutschland führen.“

Der wichtigste Auslandsmarkt ist nach wie vor Westeuropa, wo 50 Prozent der Unternehmen engagiert sind, vor Osteuropa (23 Prozent). Gerade einmal elf Prozent der deutschen Mittelständler sind aktuell in China aktiv, zwölf Prozent in Nordamerika. Bei fast jedem zweiten deutschen Mittelständler (48 Prozent) beschränkt sich die Geschäftstätigkeit hingegen ganz auf den deutschen Markt.

„Immer noch konzentrieren sich viele mittelständische Unternehmen auf den Heimatmarkt – das verleiht dem Geschäft in unruhigen Zeiten eine gewisse Stabilität und Berechenbarkeit, führt andererseits aber auch dazu, dass diese Unternehmen mögliche Wachstumspotenziale nicht realisieren können“, beobachtet Marbler.

Beschäftigungsdynamik auf Rekordhoch

Während in den kommenden sechs Monaten mehr als jedes dritte Unternehmen (38 Prozent) Personal aufbauen will, soll die Mitarbeiterzahl nur bei drei Prozent der Mittelständler sinken – die Beschäftigungsdynamik steigt damit auf den höchsten Stand seit Beginn der Befragungen im Jahr 2004.

Am höchsten ist die Bereitschaft, neue Mitarbeiter einzustellen, in Berlin: Jeder zweite Mittelständler in der Bundeshauptstadt sucht derzeit nach zusätzlichem Personal. In Hessen liegt der Anteil mit 48 Prozent nur knapp darunter, in Niedersachsen wollen 46 Prozent der Unternehmen neue Stellen schaffen. Deutlich zurückhaltender äußern sich die Unternehmen in Sachsen, wo nur 28 Prozent der Mittelständler Neueinstellungen planen, und in Mecklenburg-Vorpommern, wo der Anteil sogar nur bei 18 Prozent liegt.

„Die Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt dürfte vorerst aus Arbeitgebersicht angespannt bleiben: Zum einen brauchen die Unternehmen Personal, um die nach wie vor starke Nachfrage bewältigen zu können“, beobachtet Marbler. „Zum anderen investieren derzeit viele Unternehmen erheblich in die Digitalisierung und neue Technologien, wofür sie entsprechend qualifizierte Mitarbeiter benötigen.“ Die ohnehin bereits bestehenden Engpässe bei der Rekrutierung von Mitarbeitern werden sich in diesem Jahr also vermutlich noch verschärfen, befürchtet Marbler.

Mittelständler bezeichnen den Fachkräftemangel als große Gefahr

Bereits heute ist der Fachkräftemangel nach Angaben der Unternehmen das größte Risiko für die eigene Geschäftsentwicklung: 59 Prozent der deutschen Mittelständler bezeichnen den Fachkräftemangel als große Gefahr – 16 Prozent sogar als sehr große. Die konjunkturelle Situation im In- und Ausland bereitet den Unternehmen hingegen deutlich geringere Sorgen: Nur 36 Prozent (Vorjahr: 31 Prozent) sehen in einer etwaigen schwachen Wirtschaftsentwicklung in Deutschland ein Risiko für die eigene Entwicklung. Die Konjunktur im Ausland ist sogar nur für 23 Prozent (Vorjahr: 31 Prozent) besorgniserregend.

„Der Fachkräftemangel bereitet den Unternehmen deutlich größere Sorgen als das Risiko eines konjunkturellen Abschwungs. Sie wissen, dass ein Mangel an gut ausgebildetem Personal die Innovationskraft eines Unternehmens fundamental und nachhaltig bedrohen kann, während die Erfahrung zeigt, dass auf jeden Wirtschaftsabschwung auch wieder ein Aufschwung folgt“, so Marbler abschließend. (ig)