Kundenloyalität nimmt immer weiter ab

 Kundenloyalität nimmt immer weiter ab

Die traditionellen Geldhäuser wie Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbank sowie andere Filialbanken nehmen immer noch die Vormachtstellung in der Rolle als Hausbank ein. Bild: Paris Today

Vertrauen, eine enge Beziehung zum Bankberater sowie die Nähe zur nächsten Filiale haben lange Zeit das Verhältnis zwischen Privatkunden und Kreditinstituten bestimmt und den Begriff der „Hausbank“ geprägt. Eine aktuelle Umfrage der Strategieberatung Oliver Wyman aber zeigt, dass diese Aspekte zunehmend unwichtiger werden: Mehr als 60 Prozent der über 2.000 Befragten deutschen Bankkunden gaben an, heute bereits zwei oder mehr Bankbeziehungen zu haben. Nur knapp 40 Prozent sind ausschließlich Kunde einer Bank.

Mit einer Durchdringungsrate von nahezu 100 Prozent ist das Girokonto das Ankerprodukt der Hausbankbeziehung. Zweitbanken hingegen werden überproportional für Kreditprodukte wie Baufinanzierung oder Verbraucherdarlehen verwendet. Das Besondere hierbei: Beide Produkte zusammen generieren im Schnitt etwa 30 Prozent der Erträge, was für die Hausbank besonders besorgniserregend ist.

„Über die verschiedenen Bankentypen im deutschen Markt hinweg wird ein klares Muster erkennbar“, erläutert Tobias Dziggel, Partner bei Oliver Wyman. „Die traditionellen Geldhäuser wie Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbank sowie andere Filialbanken nehmen immer noch die Vormachtstellung in der Rolle als Hausbank ein.“ Über drei Viertel aller privaten Bankkunden tätigten ihre Finanzgeschäfte mit einem dieser Institute. Im Falle der Zweitbank ändere sich das Bild: Etwa 50 Prozent der Kunden nutzten Direktbanken als weitere Bankverbindung.

Kundenloyalität im Wandel

In der Vergangenheit war die Verbindung zur Hausbank von Kontinuität geprägt. Durchschnittlich nur circa ein bis zwei Prozent aller Kunden haben in den vergangenen dreißig Jahren innerhalb eines Jahres ihre Bankbeziehung gewechselt; in den letzten fünf Jahren ist der Wert auf rund drei Prozent angestiegen. „Über alle Altersgruppen hinweg haben die Kunden über Jahre beziehungsweise Jahrzehnte eine dauerhafte Beziehung zur Hausbank etabliert. Folglich haben Kreditinstitute lange Zeit nur mäßig in Kundenbindungsprogramme investiert und den Fokus auf die Neukunden­akquise gelegt anstatt Bestandskunden aktiv zu managen“, kommentiert Dziggel.

Althergebrachte Verhaltensmuster in der Beziehung von Kunde zur Bank gelten zunehmend nicht mehr. Eine steigende Anzahl von Kunden wendet sich von ihrer Hausbank ab oder beabsichtigt einen Wechsel in der nahen Zukunft. Diese Tendenz ist insbesondere bei jungen Bankkunden, im Alter zwischen 18 und 29, stark ausgeprägt. Gut ein Fünftel aller Kunden in den Altersgruppen von 18 bis 29 und 30 bis 49 Jahren haben sich in den vergangenen fünf Jahren gegen ihre Hausbank und für eine neue Bank entschieden. Durch den demographischen Wandel ist davon auszugehen, dass sich diese Entwicklung weiter fortsetzen wird. „Die Gründe für einen Wechsel sind vielfältig“, beschreibt Benjamin Schulz, Principal bei Oliver Wyman. „Unzufriedenheit über die Konditionen ist allerdings ein wesentlicher Beweggrund.“

Banking ist im digitalen Zeitalter angekommen

Digitale Angebote von Banken werden immer stärker als Standard denn als Unterscheidungs­merkmal angesehen. Traditionelle Kreditinstitute sind mittlerweile erfolgreich digital aufgestellt. Darüber hinaus sind Kunden zunehmend in der Lage, sich über Konditionen – zum Beispiel über Preisvergleichs-portale – zu informieren und selbst zu entscheiden, wofür sie bezahlen wollen. „Während in der Vergangenheit der Kontowechsel aufgrund diverser Hürden wie etwa dem bürokratischen Aufwand beim Kontoumzug oder komplizierter Kontoeröffnungsprozesse nur selten vollzogen wurde, ist das Wechselrisiko aktuell deutlich höher und wird weiter ansteigen“, ist sich Schulz sicher. Ausgehend vom demographischen Wandel ist zu erwarten, dass rund 25 Prozent aller Kunden ihre Hausbank innerhalb der nächsten fünf Jahre wechseln könnten. „Für traditionelle Bankhäuser stellt dies in den kommenden fünf Jahren ein kumuliertes Ertragsrisiko von knapp acht bis zehn Milliarden Euro dar“, warnt Dziggel.

Um auch in der Zukunft die primäre und lukrative Beziehung mit Kunden zu sichern, raten die Berater Kreditinstituten Maßnahmen entlang von drei Dimensionen zu entwickeln:

  • Überarbeitung der Produktkonditionen und Gebühren – Einführung flexibler, differenzierter und wettbewerbsfähiger Preismodelle
  • Institutionalisierung eines systematischen Bestandskunden- und Retention Managements
  • Aufbau eines „Financial Homes“, um alle finanziellen Belange des Kunden zu aggregieren und gesamtheitlich zu verwalten. (ig)