Hitze und Trockenheit hinterlassen Spuren

 Hitze und Trockenheit hinterlassen Spuren

Die Ernährungsindustrie ist sowohl gemessen nach Umsätzen als auch nach Mitarbeitern die größte Teilbranche des Agribusiness. Sie hat 2018 einen leichten Umsatzrückgang hinnehmen müssen, hatte angesichts der Hitze und Trockenheit allerdings auch mit erheblichen Herausforderungen zu kämpfen. Bild: Sparkasse Celle

Hitzerekorde und anhaltende Trockenheit haben beim Agribusiness im Jahr 2018 ihre Spuren hinterlassen. Viele landwirtschaftliche Betriebe mussten Rekordeinbußen bei der Ernte oder sogar komplette Ernteausfälle verkraften. Der Gesamtumsatz der Agribusiness-Branche ging in der Folge im Vergleich zum Vorjahr nach EY-Schätzung um 1,4 Prozent auf 222,8 Milliarden Euro zurück.

Das Agribusiness bleibt trotz des Rückgangs – nach dem Fahrzeug- und dem Maschinenbau – mit einem Anteil von 11,9 Prozent die drittgrößte Branche innerhalb des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland. Bedeutende Teilbranchen des deutschen Agribusiness sind die Lebens- und Futtermittelindustrie, die Getränkeindustrie, die Landtechnikindustrie, die Saatzuchtindustrie, die Hersteller von Pflanzenschutz- und Düngemitteln sowie der Landhandel.

Die größte Teilbranche – die Ernährungsindustrie – musste 2018 geschätzt einen Umsatzrückgang von 0,9 Prozent auf rund 178 Milliarden Euro hinnehmen. Die Ernährungsindustrie umfasst neben der Fleisch- und der Milchwirtschaft auch weitere Teilbranchen wie die Fischverarbeitung, die Obst- und Gemüseverarbeitung, die Hersteller von pflanzlichen sowie tierischen Ölen und Fetten, die Hersteller von Back- und Teigwaren, die Futtermittel- und die Getränkeindustrie.

Die Fleischwirtschaft als umsatzstärkste Branche innerhalb der Ernährungsindustrie hat 2018 den größten Umsatzrückgang verbucht: Die Erlöse in den Schlacht- und Verarbeitungsunternehmen sanken geschätzt um 4,3 Prozent auf 41,8 Milliarden Euro. Die milchverarbeitenden Betriebe erwirtschafteten geschätzt 27,7 Milliarden Euro – ein leichter Rückgang um 0,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Die Umsätze der deutschen Landtechnikindustrie lagen im ersten Halbjahr laut VDMA 19 Prozent über denen des Vorjahreszeitraums. Am Jahresende dürfte nach Schätzung des VDMA ein Umsatzplus im Vergleich zu 2017 von etwa 6,1 Prozent auf rund 8,4 Milliarden Euro stehen.

Das sind Ergebnisse einer aktuellen Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY und des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre des Agribusiness der Georg-August-Universität Göttingen. Die Studie basiert auf Daten des Statistischen Bundesamtes, des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer, des ifo Instituts – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V. sowie eigenen Berechnungen.

Schwierige Bedingungen im Jahr 2018

„Die Branche hatte 2018 mit schwierigen Bedingungen zu kämpfen – neben der extremen Hitze setzten auch (nach wie vor) zu niedrige Milch- und Fleischpreise den Landwirten zu“, kommentiert Dr. Christian Janze, Partner bei EY. „Ein positives Signal ist, dass der Umsatz auf hohem Niveau blieb und die Investitionen gleichzeitig weiter gestiegen sind. Außerdem sind so viele Beschäftigte wie nie zuvor im Agribusiness tätig.“

Dennoch stehe das Agribusiness 2019 vor großen Herausforderungen: „Der Klimawandel ist in vollem Gange, es besteht die Gefahr eines weiteren Dürrejahres wie 2018. Für eine große Verunsicherung sorgt derzeit der mögliche Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest. Ein ungeordneter Brexit kann ebenfalls erhebliche negative Folgen nach sich ziehen – immerhin ist das Vereinigte Königreich das zweitwichtigste Exportland für die Landtechnikindustrie und das viertwichtigste für die Ernährungsindustrie. Obendrein leidet die Agribusiness-Branche unter dem sich weiter verschärfenden Fachkräftemangel. Gerade junge Menschen zieht es eher in die Städte als auf das Land. Parallel zu all diesen Herausforderungen verlangt die zunehmende Digitalisierung den Betrieben erhebliche Investitionen ab.“

Dr. Ramona Weinrich, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre des Agribusiness an der Georg-August-Universität Göttingen, ergänzt: „Die Branche versucht verstärkt, Unsicherheiten zu reduzieren und neue Geschäftsfelder zu erschließen. So intensivieren viele Betriebe teils durch Verträge, teils durch Beteiligungen ihre Beziehungen zu vor- oder nachgelagerten Wertschöpfungsstufen, um hier mehr Einfluss nehmen zu können. Viele Betriebe setzen verstärkt auf eine nachhaltige Erzeugung, die mittlerweile auch durch die entsprechende Nachfrage bei den Verbrauchern honoriert wird. Die digitale Transformation des Agribusiness entwickelt sich parallel immer rasanter. Langfristig werden die Betriebe von Investitionen in die Digitalisierung profitieren, denn die neuen Technologien können dabei helfen, besser auf die Schwankungen an den Weltmärkten zu reagieren und die Tierhaltung und Pflanzenproduktion im Spannungsfeld von Ökologie, Ökonomie und Tierschutz zu verbessern.“

Die Teilbranchen des Agribusiness im Einzelnen:

Landtechnik

Die deutsche Landtechnikbranche kann 2018 voraussichtlich mit einem Umsatz abschließen, der auf dem Niveau des Rekordjahres 2013 liegt: Damals wurde ein Allzeithoch von 8,39 Milliarden Euro erzielt. Damit setzt sich der Aufwärtstrend fort, der 2017 begonnen hatte, nachdem die Umsätze zuvor mehrere Jahre in Folge gesunken waren. Die Investitionsbereitschaft der Betriebe weltweit war sehr hoch. Insbesondere die hohe Nachfrage in der Eurozone gab der Landtechnikindustrie zusätzliche Impulse.

Bereits in den Vorjahren war die Zahl der Betriebe ebenso wie die Zahl der Beschäftigten trotz der Umsatzrückgänge weiter gestiegen. Von 2008 bis 2017 hat sich die Anzahl der Mitarbeiter um knapp 28 Prozent von 28.766 auf über 36.700 Beschäftigte und die Zahl der Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern von 158 auf 183 (plus 16 Prozent) erhöht. Das Umsatzwachstum 2018 hat auch der Beschäftigung einen weiteren Schub verliehen. Zum Ende des Jahres 2018 dürfte die Zahl der Beschäftigten in der Landtechnikindustrie mit 38.196 rund vier Prozent über der des Vorjahres liegen, die Zahl der Betrieb dürfte leicht von 183 auf 185 steigen.

„Das Jahr 2018 hat die Landtechnikindustrie wieder auf ein Niveau mit dem Rekordjahr 2013 gehievt“, berichtet Janze. Allerdings deuteten die Auftragseingänge zum Jahresende auf einen zurückgehenden Trend hin. Und für 2019 sehen wir weitere dämpfende Effekte. Die Preise für Schweinefleisch bewegten sich vor dem Hintergrund der Afrikanischen Schweinepest auf niedrigem Niveau und auch bei den Milchpreisen sei aufgrund der steigenden Milchmengen kein höheres Preisniveau zu erwarten. Entsprechend würden die Betriebe zurückhaltend in neue Maschinen investieren. Die Landtechnikbranche werde verstärkt versuchen, neue, vernetzte Maschinen anzubieten, die den Betrieben bei ihren Herausforderungen helfen könnten. Der Trend gehe weg von Großmaschinen und hin zu kleineren, smarten Maschinen.

Ernährungsindustrie

Die Ernährungsindustrie ist sowohl gemessen nach Umsätzen als auch nach Mitarbeitern die größte Teilbranche des Agribusiness. Sie hat 2018 einen leichten Umsatzrückgang hinnehmen müssen, hatte angesichts der Hitze und Trockenheit allerdings auch mit erheblichen Herausforderungen zu kämpfen. 2018 ist die Zahl der Beschäftigten geschätzt um etwa 2,4 Prozent auf knapp 610.000 gestiegen. Seit 2008 sind die Beschäftigtenzahlen damit jedes Jahr gewachsen. Die Zahl der Betriebe stieg von 2008 bis 2017 von 5.796 um 4,3 Prozent auf 6.044. 2018 verlangsamte sich das Wachstum auf ein Prozent, so dass die Gesamtzahl zum Jahresende geschätzt 6.103 beträgt. Die Branche profitierte 2018 vom leicht gestiegenen Inlandsumsatz, der auch durch sich positiv entwickelnde Nahrungs- und Futtermittelpreise gestützt wurde. Der Auslandsumsatz sank dagegen leicht von 60 auf 58 Milliarden Euro.

„Die globale Unsicherheit hat deutlich zugenommen. 2018 hat noch der sich positiv entwickelnde Inlandsumsatz geholfen, das Gesamtniveau hoch zu halten. Doch 2019 steht die Ernährungsindustrie vor zahlreichen Herausforderungen: Nach wie vor wissen wir nicht, wie sich der Brexit auf die Handelsbeziehungen zu Großbritannien auswirken wird“, erläutert Christian Janze. „Die Einzelhändler bauen zudem ihr Sortiment mit Eigenmarken aus, was den Druck auf die Lebensmittelhersteller erhöht. Hinzu kommen steigende Energie- und Lohnkosten, und viel Spielraum für Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln besteht nicht. Die Betriebe müssen an ihrer Effizienz arbeiten, wobei ihnen insbesondere die Digitalisierung helfen kann. Viele investieren bereits kräftig. Wichtig ist aber, dass sie ein ganzheitliches Konzept haben und nicht auf Insellösungen setzen.“

Fleischwirtschaft

Die Fleischwirtschaft ist innerhalb der Ernährungswirtschaft die wichtigste Teilbranche. Allerdings sinkt der Pro-Kopf-Konsum in Deutschland kontinuierlich. 2017 ging der Fleischverzehr pro Kopf um weitere 0,8 Kilogramm auf 59,7 Kilogramm zurück. Und es ist zu erwarten, dass dieser Trend weiter anhält. Dennoch stellen die Betriebe ein: Die Zahl der Beschäftigten stieg geschätzt um etwa drei Prozent auf knapp 123.100. Die Zahl der Betriebe erhöhte sich um zwei Prozent auf 1.454.

Vor allem der Export – grundsätzlich ein wichtiger Umsatzträger – ist 2018 deutlich zurückgegangen. Im zweiten Quartal fiel das Minus mit 11,5 Prozent deutlich aus, im dritten Quartal betrug es immer noch 9,7 Prozent. Für das Gesamtjahr lagen die Exporte geschätzt bei 10,3 Milliarden Euro und damit zehn Prozent unter dem Niveau von 2017.

Laut Christian Janze hast sich das Konsumverhalten in Deutschland deutlich gewandelt. Insgesamt werde weniger Fleisch gegessen – und wenn, dann griffen viele Verbraucher inzwischen eher zu Geflügel- als zu Schweinefleisch. Vor allem beim Rindfleisch gebe es immerhin einen leichten Trend zu hochwertigeren und teureren Produkten sowie neuen Vermarktungswegen. Die Herausforderungen blieben aber groß: Auf der einen Seite sehe sich die Branche mit immer weiter steigenden Anforderungen im Hinblick auf die Nutztierhaltung und das Umweltrecht konfrontiert. Auf der anderen Seite bleibe der Wettbewerbsdruck auf ausländischen Märkten hoch und nehme infolge der weiteren Liberalisierung auch auf dem Heimatmarkt deutlich zu. Über all dem schwege außerdem wie ein Damoklesschwert ein möglicher Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest.

Milchwirtschaft

Die Milchwirtschaft hat 2017 den zweithöchsten Umsatz nach dem Rekordjahr 2013 erzielt. Dieses Niveau konnte die Branche 2018 nicht mehr ganz erreichen, auch wenn das Jahr mit einem Umsatzwachstum von 4,5 Prozent im ersten Quartal begann. Allerdings sorgten sinkende Preise für Milch und Milchprodukte im Jahresverlauf für einen Rückgang der Umsätze. Die Zahl der Beschäftigten in den Molkereien stieg geschätzt um 1,7 Prozent auf 44.200. Auch die Zahl der Betriebe erhöhte sich nach zwischenzeitlichen Rückgängen um mehr als zwei Prozent auf 224.

Vor allem auf dem Weltmarkt haben die deutschen Molkereien mit erheblichen Problemen zu kämpfen: Der Export im Gesamtjahr sank geschätzt um 6,1 Prozent auf 8,7 Milliarden Euro. Das entspräche einer Exportquote von 31,6 Prozent – 1,6 Prozentpunkte unter der von 2017.

„2018 ist der befürchtete Effekt eingetreten: Beflügelt durch die höheren Milchpreise ist auch die Produktion ausgeweitet worden – was letztlich wieder zu sinkenden Preisen geführt hat. Die deutsche Milchbranche hat es allerdings auch schwer, auf ausländische Märkte auszuweichen. In Deutschland ist die gentechnikfreie Fütterung auf dem Weg dazu, Standard in der Milchviehhaltung zu werden“, erklärt Janze Zusammen mit anderen Maßnahmen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit und des Tierwohls mache dies deutsche Milchprodukte auf dem Weltmarkt aber vergleichsweise teuer. Für 2019 sei daher kaum mit einer Ausweitung des Exports zu rechnen und auch bei den Umsätzen seien keine großen Sprünge mehr zu erwarten. (ig)