Deutsche Autokonjunktur knickt 2018 knapp unter Null-Linie

 Deutsche Autokonjunktur knickt 2018 knapp unter Null-Linie

Selbst beim prognostizierten Rückgang von nochmals einem Prozent würden 2019 in Deutschland immer noch knapp 3,4 Millionen Pkw zugelassen werden – circa 30.000 Autos weniger als in diesem Jahr. Bild: BMW

Als Folge der Verwerfungen rund um den neuen Prüfzyklus „WLTP“ dürften die Neuzulassungen im deutschen Automobilmarkt in diesem Jahr um 0,4 Prozent sinken – der erste Rückgang überhaupt seit 2014. Doch damit nicht genug: Denn im kommenden Jahr droht bereits das nächste Minus, zeigen Prognosen der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC. „Der unmittelbare Effekt durch die Umstellung auf WLTP fällt zwar weg. Allerdings dürften die Ereignisse der vergangenen Monate viele Autokäufer hierzulande derart verunsichert haben, dass wir trotz ansonsten stabiler Binnenkonjunktur auch für 2019 mit schwachen Neuzulassungszahlen rechnen“, kommentiert Felix Kuhnert, Global Automotive Leader bei PwC.

Gleichwohl: Selbst beim prognostizierten Rückgang von nochmals einem Prozent würden 2019 in Deutschland immer noch knapp 3,4 Millionen Pkw zugelassen werden – circa 30.000 Autos weniger als in diesem Jahr. „Im mittel- und langfristigen Vergleich sind das weiterhin hohe Zulassungszahlen“, betont PwC-Experte Kuhnert.

Tatsächlich handelt es sich bei dem Minus hierzulande lediglich um eine Delle, während der zweitgrößte europäische Automarkt – nämlich Großbritannien – momentan einen regelrechten Einbruch erlebt. Nachdem die Neuzulassungen schon im vergangenen Jahr um 5,7 Prozent abgesackt waren, zeichnet sich für dieses Jahr ein regelrechter Crash von sieben Prozent ab. Auch für 2019 stehen die Zeichen bei einem von PwC vorhergesagten Minus von drei Prozent nicht wirklich auf Erholung. „Auf dem britischen Markt kommt alles zusammen, nämlich einmal die natürliche Abkühlung nach mehreren Boomjahren, dann die Verunsicherung der Käufer durch den Brexit – und schließlich der Verfall des britischen Pfunds, der zur Folge hat, dass sich für die Hersteller der Verkauf von importierten Fahrzeugen kaum noch rechnet“, erläutert Christoph Stürmer, Global Lead Analyst von PwC Autofacts.

 

Weitere Erholung im Frankreich und Spanien, Wachstumspause in Italien

Auf anderen europäischen Kernmärkten ist die Lage zwar besser – allerdings unterm Strich trotzdem deutlich schlechter als vor einem Jahr prognostiziert. „Der WLTP-Knick macht sich überall bemerkbar, selbst in Frankreich, wo sich der Automarkt nach einem Plus von 4,7 Prozent im vergangenen Jahr eigentlich auf gutem Erholungskurs befand“, beschreibt Stürmer. Gingen die Zulassungen bis zur Jahresmitte noch deutlich nach oben, ließ die Dynamik im zweiten Halbjahr deutlich nach. „Hinzu kommen die angekündigten Steuererhöhungen auf Kraftstoffe, die die Zahlen für den November und Dezember nochmals deutlich belasten dürften“, schätzt Stürmer. Insgesamt geht PwC für dieses Jahr trotzdem noch von einem Zuwachs von 4,1 Prozent aus, bevor der negative Trend 2019 endgültig durchschlägt. „Unsere Prognose liegt bei minus 1,3 Prozent, was vor wenigen Monaten noch undenkbar gewesen wäre.“

Ähnliches gilt für Italien, wo die Auguren nach einem Zuwachs von 7,9 Prozent im vergangenen Jahr eigentlich damit gerechnet hatten, dass sich die Aufholjagd nach der Eurokrise fortsetzen würde. Stattdessen dürften die Zulassungen dieses Jahr fast krisenhaft um 3,7 Prozent zurückgegangen sein – womit Italien wieder unter 1,9 Millionen Einheiten rutschen würde. Im nächsten Jahr könnte der Automarkt den Erholungskurs wiederaufnehmen, die PwC-Prognosen kalkulieren einen Zuwachs von 4,0 Prozent. „Die strukturelle Erholung überlagert dann wieder die negativen Effekte, also auch die allgemeine Unsicherheit durch die innenpolitische Situation“, erläutert Felix Kuhnert.

Der einzige der fünf großen europäischen Kernmärkte, der die Erwartungen in diesem Jahr erfüllen dürfte, ist Spanien. Hier geht die kräftige Erholung der Autobranche nach 7,7 Prozent im vergangenen Jahr mit diesmal voraussichtlich 6,7 Prozent fast unvermittelt weiter – auch weil der Fahrzeugbestand im westeuropäischen Vergleich mit der älteste ist. Noch stärkere Zuwächse zeichnen sich lediglich in Mittel- und Osteuropa ab, wo die Zahl der Neuzulassungen den PwC-Hochrechnungen zufolge um 10,7 Prozent steigen wird. Laut Experte Kuhnert sind hierfür vor allem langfristige Einkommenseffekte verantwortlich: „Länder wie Polen oder Ungarn entwickeln sich allmählich zu Automobilmärkten westlicher Prägung – mit einem entsprechend immer höheren Anteil von Neuwagen an den Zulassungen insgesamt.“

 

Früher undenkbar: Die Dieselquote sinkt Richtung 30 Prozent

Unterm Strich sollte die Zahl der PkW-Neuzulassungen in Europa in diesem Jahr nur um voraussichtlich 0,7 Prozent steigen – für nächstes Jahr geht PwC von einem minimalen Minus von 0,1 Prozent aus. „Angesichts der konjunkturellen Stabilität in den Kernländern und der fortschreitenden Erholung im Süden sind das aber eher enttäuschende Zahlen“, betont Christoph Stürmer. Zumal: Das ohnehin geringe Wachstum geht einher mit tiefgreifenden strukturellen Umbrüchen. So dürfte hierzulande die Dieselquote in diesem Jahr auf rekordniedrige 34 Prozent gesunken sein – nachdem es vor einem Jahr immerhin noch knapp 40 Prozent waren, also ein relativer Rückgang um fast 20 Prozent.

Noch dramatischer ist die Situation in Großbritannien (Rückgang um über 30 Prozent) oder dem E-Mobilitätsland Norwegen (Rückgang um knapp 30 Prozent). „Hinzu kommt schließlich noch die Unsicherheit, wann elektrisch angetriebene Fahrzeuge in den relevanten Segmenten und mit ausreichend Kapazität angeboten werden“, sagt PwC-Experte Stürmer. „So ergibt sich zugespitzt formuliert eine Gemengelage, in der die Käufer nicht wissen, welche Autos sie kaufen sollen – und die Konzerne nicht, welche sie bauen sollen.“ Nachdem die Zulassungen von reinen Elektrofahrzeugen in Deutschland im Jahr 2018 um circa 50 Prozent auf knapp 38.000 steigen sollten, werden in Europa Zulassungen von über 175.000 reinen Elektrofahrzeugen erwartet, ein Wachstum von über einem Drittel. Aufgrund der Einführung von zahlreichen neuen E-Fahrzeugen wird für 2019 ein Anstieg um zwei Drittel erwartet, was in Deutschland über 60.000 Fahrzeugen entsprechen würde – und damit einem Marktanteil von fast zwei Prozent.

 

Globale Märkte: schwaches Wachstum, starke Veränderungen

Obwohl der US-Markt mit einem Rückgang von 0,9 Prozent auf den ersten Blick eher ereignislos wirkt, zeigen sich in der Marktstruktur massive Umbrüche. Tatsächlich ist der Marktanteil der steuerbegünstigten „Light Trucks“ – also SUV, Pickup und Vans- in diesem Jahr auf rund 70 Prozent gestiegen, nachdem es vor drei Jahren erst 50 Prozent waren. „Das ist ein struktureller Marktumsturz, der stetig an Dynamik zugelegt hat, weil zum Beispiel die Benzinpreise in den USA so niedrig sind – und der die Automobilkonzerne jedes Jahr zig Milliarden Dollar kostet, weil sie ihre Produktion praktisch laufend umstellen müssen“, erläutert Stürmer.

In der Vergangenheit galt immerhin: Wenn die Gewinne in Europa und den USA schwanden, konnten die OEMs auf den chinesischen Markt verlassen. Doch auch im Reich der Mitte verlief das Jahr trotz optimistischer Prognosen und nach verheißungsvollem Start enttäuschend. Statt der avisierten fünf Prozent Wachstum hat die Zahl der Neuzulassungen lediglich stagniert – „was ausgelöst durch den Handelsstreit mit den USA und dem Rückgang der Börsenkurse vor allem an der zunehmenden Zurückhaltung vieler privater Haushalte liegt, sich für neue Autos weiter zu verschulden“, erklärt Felix Kuhnert.

Gleichwohl: Nachdem der fünf Jahre um durchschnittlich acht Prozent gewachsene chinesischen Automarkt schon im vergangenen Jahr gerade mal um 1,3 Prozent zugelegt hatte, dürfte sich mittlerweile genügend zusätzliche Nachfrage angestaut haben. Darum rechnet PwC für nächstes Jahr doch wieder mit einem stärkeren Wachstum von 6,7 Prozent, auf dann 28,8 Millionen neue Pkw, darunter ein weiter steigender Anteil von Elektro- und Hybridfahrzeugen. Für 2018 erwartet PwC in China circa 930.000 Neuzulassungen von reinen Elektrofahrzeugen, für 2019 aber schon knapp 1,7 Millionen, und somit bei weitem der größte Markt der Welt. (ig)