Deutsche Autobauer verzeichnen erstes Umsatzminus seit 2009

 Deutsche Autobauer verzeichnen erstes Umsatzminus seit 2009

Trotz der schwachen Umsatzentwicklung kletterte die Beschäftigung in der deutschen Autobranche auf ein neues Rekordniveau: Die Zahl der Mitarbeiter stieg um 1,7 Prozent auf knapp 834.000. Bild: BMW

Die deutsche Automobilindustrie hat im vergangenen Jahr einen kräftigen Wachstumsdämpfer erhalten: Die in Deutschland ansässigen Autohersteller und -zulieferer steigerten ihre Umsätze 2018 nur noch um 0,4 Prozent auf knapp 425 Milliarden Euro. Dabei schnitten die Zulieferer mit einem Wachstum von 2,1 Prozent deutlich besser ab als die Hersteller, die einen Umsatzrückgang von 0,2 Prozent verzeichneten – der erste Rückgang seit dem Jahr 2009. Im Vorjahr hatte das Umsatzplus noch 4,5 Prozent betragen.

In der zweiten Jahreshälfte ging der Umsatz der Autohersteller sogar um 4,0 Prozent zurück, bei den Zulieferern um 1,4 Prozent. Keine Wachstumsimpulse kamen vom Export: Insgesamt gingen die Ausfuhren der deutschen Hersteller und Zulieferer sogar um 2,3 Prozent zurück – das war das erste Exportminus seit 2013 und der stärkste Rückgang seit dem Krisenjahr 2009. Auch hier zeigten sich im zweiten Halbjahr deutliche Einbußen: Nach einem Exportwachstum in der ersten Jahreshälfte von 2,1 Prozent schrumpften die Ausfuhren zwischen Juli und Dezember um 6,8 Prozent.

Trotz der schwachen Umsatzentwicklung kletterte die Beschäftigung in der deutschen Autobranche auf ein neues Rekordniveau: Die Zahl der Mitarbeiter stieg um 1,7 Prozent auf knapp 834.000. Das sind Ergebnisse einer aktuellen Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY zur Entwicklung der deutschen Automobilindustrie auf Basis aktueller Zahlen des Statistischen Bundesamts und der Agentur für Arbeit. Untersucht wurden Unternehmen ab einer Größe von 50 Mitarbeitern.

„Im Jahr 2018 musste die deutsche Automobilindustrie mit kräftigem Gegenwind kämpfen“, beobachtet Constantin Gall, Leiter des Bereiches Automotive und Transportation bei EY. „Viele wichtige Märkte entwickelten sich schwach, der Handelsstreit zwischen den USA und China belastete die Weltkonjunktur, und auf dem europäischen Markt brachte die Umstellung auf das neue Prüfverfahren WLTP sogar Produktionsstopps, Lieferengpässe und massive Absatzrückgänge mit sich. Dass angesichts dieser widrigen Rahmenbedingungen der Umsatz etwa auf Vorjahresniveau gehalten werden konnte, ist durchaus als Erfolg zu werten. Gelungen ist das nur dank der guten Entwicklung des chinesischen Absatzmarktes: Die Ausfuhren von Autos und Autoteilen nach China stiegen im vergangenen Jahr gegen den Trend um 14 Prozent, wodurch China zum zweitwichtigsten Exportmarkt der deutschen Automobilindustrie aufstieg.“

Andere wichtige Absatzmärkte entwickelten sich hingegen schwach: Die Ausfuhren in die Vereinigten Staaten – nach wie vor der wichtigste Auslandsmarkt – sanken um fünf Prozent. Noch stärker rückläufig waren die Ausfuhren nach Großbritannien, vor einem Jahr noch der zweitwichtigste Exportmarkt für deutsche Hersteller und Zulieferer: Die Ausfuhren gingen um zehn Prozent zurück.

Ausblick: Schwieriges Jahr 2019 erwartet

Im laufenden Jahr stehen die Zeichen ebenfalls nicht auf Wachstum, warnt Peter Fuß, Partner bei EY: „Der europäische Absatzmarkt ist schwach ins neue Jahr gestartet und wird in diesem Jahr im besten Fall stagnieren. Auch in den USA und China dürfte es kaum noch aufwärts gehen – vor allem, wenn sich der Handelsstreit zwischen beiden Ländern weiter verschärft.“

Nachdem die Umstellung auf den WLTP-Prüfzyklus schon im vergangenen Jahr zu kräftigen Absatzeinbußen und Produktionsunterbrechungen geführt hat, steht zudem die nächste Bewährungsprobe noch im Jahr 2019 bevor: Ab September gelten ergänzte beziehungsweise neue Bestimmungen innerhalb des WLTP-Verfahrens, die erneut hohe Test- und Dokumentationsaufwände mit sich bringen und womöglich neue Lieferengpässe verursachen werden. „So massiv wie im vergangenen Jahr werden die Auswirkungen sicher nicht – aber der Aufwand wird erneut hoch sein und die Unternehmen viel Geld und Zeit kosten.“

Deutlich stärkere Auswirkungen in Form von Umsatz- und Gewinneinbußen auch am Standort Deutschland hätten die drohenden US-Sonderzölle auf europäische Autos in Höhe von 25 Prozent, die nach wie vor zur Debatte stehen. Massive Probleme wären obendrein im Fall eines ungeordneten Brexits zu erwarten, warnt Gall: „Die Vereinigten Staaten und Großbritannien sind zwei der drei wichtigsten Exportmärkte für die deutsche Autobranche – und beide Länder erweisen sich derzeit als Hochrisikomärkte. Sie sind zudem auch wichtige Produktionsstandorte für viele deutsche Zulieferer und Hersteller und elementarer Bestandteil der weltweiten Produktionsverbünde. Sowohl ein chaotischer Brexit als auch eine drastische Zollerhöhung auf deutsche Autoeinfuhren in die USA würden definitiv zu spürbaren Einbußen am Standort Deutschland führen.“ Zudem würden beide Szenarien – sowohl ein harter Brexit als auch US-Strafzölle – zusätzliche Risiken für den Export der dort produzierten Fahrzeuge im Lichte möglicher Zölle und Strafzölle von Drittländern mit sich bringen.

Beschäftigung in Deutschland steigt auf Rekordniveau

Trotz der insgesamt relativ schwachen Umsatzentwicklung und trotz hoher Marktrisiken stellte die deutsche Automobilindustrie inkl. Zulieferer im vergangenen Jahr weiter zusätzliche Mitarbeiter ein: Im Jahresdurchschnitt lag die Zahl der Beschäftigten bei 834.000 – das waren 1,7 Prozent mehr als im Vorjahr und ein neuer Rekordwert. Dabei stieg die Beschäftigung bei den Herstellern um 1,3 Prozent, während die Zulieferer ein Beschäftigungswachstum von 2,1 Prozent auswiesen.

Aufwendige neue Zertifizierungsverfahren

„Die Beschäftigungssituation in der deutschen Automobilbranche ist derzeit noch hervorragend: Nie zuvor arbeiteten so viele Menschen bei den Herstellern und Zulieferern in Deutschland“, beobachtet Fuß. „Allerdings dürfte das derzeitige Beschäftigungswachstum zu einem erheblichen Teil auf Sondereffekte zurückzuführen und obendrein nicht nachhaltig sein: Aufwändige neue Zertifizierungsverfahren erfordern zusätzliche – auch personelle – Kapazitäten. Und die Umrüstung vieler Fabriken auf die Elektromobilität führt zu einem erhöhten Personalbedarf, der aber nur vorübergehend sein dürfte“, warnt Fuß: „Es ist klar, dass die Herstellung von Elektrofahrzeugen, die vielfach einhergeht mit einer stärker digitalisierten und automatisierten Produktion, weniger personalintensiv ist als die Herstellung von Pkw mit konventionellen oder Hybrid-Antrieben. Sollte sich der Elektroantrieb tatsächlich durchsetzen und mittelfristig den Verbrennungsmotor ganz oder teilweise verdrängen, wird das zu einer deutlich niedrigeren Beschäftigung am Standort Deutschland führen.“

Noch sei es aber nicht so weit, so Fuß. Im Gegenteil: „Das Hochfahren der Elektromobilität, die gleichzeitige Produktion von Elektroautos und Fahrzeugen mit konventionellem Antrieb und hohe Investitionen in Industrie 4.0-Produktion führen derzeit zu einem sehr hohen Personalbedarf. Dem versuchen die Unternehmen – gerade angesichts der angespannten Umsatz- und Gewinnsituation – allerdings verstärkt mit Kostensenkungsprogrammen zu begegnen.“ Ein weiteres Beschäftigungswachstum im laufenden Jahr sei daher eher unwahrscheinlich, so Fuß abschließend. (ig)