Internationaler, jünger und weiblicher

 Internationaler, jünger und weiblicher

Die Vorstände der DAX-Konzerne wurden im vergangenen Jahr etwas internationaler: Zwischen Mitte 2017 und Mitte 2018 stieg die Zahl der DAX-Vorstandsmitglieder, die einen ausländischen Pass haben, von 67 auf 69. Bild: Börse Frankfurt

Die Vorstände der DAX-Konzerne wurden im vergangenen Jahr etwas internationaler: Zwischen Mitte 2017 und Mitte 2018 stieg die Zahl der DAX-Vorstandsmitglieder, die einen ausländischen Pass haben, von 67 auf 69 – der Anteil ausländischer DAX-Vorstände wuchs damit von 35 auf 36 Prozent. Umgekehrt sank die Zahl der Top-Manager und -Managerinnen mit deutscher (oder doppelter) Staatsangehörigkeit von 126 auf 123. Das sind Ergebnisse einer Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY zur Zusammensetzung der Aufsichtsräte und Vorstände der im Deutschen Aktienindex (DAX) gelisteten Unternehmen.

Schaut man sich nur die Kapitalseite der Aufsichtsräte in den 30 DAX-Konzernen an, verlief die Entwicklung genau umgekehrt: Hier sank die Zahl der Mitglieder, die nur einen ausländischen Pass besitzen, von 75 auf 72, ihr Anteil schrumpfte von 30 auf 29 Prozent. Bei den von den Arbeitnehmern entsandten Aufsichtsratsmitgliedern liegt der Ausländeranteil nur bei neun Prozent. Dies hat allerdings seinen Grund in der deutschen Mitbestimmungsgesetzgebung. Insgesamt – also unter Berücksichtigung der Arbeitnehmer- wie auch der Kapitalseite – stammen aktuell 19 Prozent der DAX-Aufsichtsräte aus dem Ausland.

Den höchsten Anteil ausländischer Manager weist der Vorstand des Dialysekonzerns Fresenius Medical Care auf: Fünf von sechs Vorstandsmitgliedern – also 83 Prozent – haben einen ausländischen Pass. Dahinter folgen der DAX-Neuzugang Wirecard mit einem Anteil von 75 Prozent und der Kosmetikhersteller Beiersdorf sowie der Gesundheitskonzern Fresenius SE, wo jeweils 71 Prozent der Vorstandsmitglieder eine ausländische Staatsangehörigkeit haben.

Generell hat sich im Lauf des vergangenen Jahres der Trend zu mehr Vielfalt in den Führungsetagen der deutschen Top-Konzerne erneut bestätigt: Das Durchschnittsalter der DAX-Vorstandsmitglieder sank von 55,0 auf 54,2 Jahre, bei den Aufsichtsräten wurde ein Rückgang des Durchschnittsalters von 58,1 auf 57,7 Jahre registriert. Der Frauenanteil stieg in den Vorständen von 12,4 auf 13,5 Prozent und in den Aufsichtsräten von 30,9 auf 32,7 Prozent.

Hochgradig international aufgestellt

„Angesichts der großen Bedeutung des Auslands in Bezug auf die Geschäftstätigkeit und die Aktionärsstruktur ist der relativ niedrige Internationalisierungsgrad gerade der Aufsichtsräte bemerkenswert“, kommentiert Hubert Barth, Vorsitzender der Geschäftsführung von EY in Deutschland. „Viele DAX-Konzerne sind inzwischen Weltunternehmen mit Sitz in Deutschland. Sie sind in ihrem operativen Geschäft hochgradig international aufgestellt, und auch die Aktionärsstruktur weist einen hohen Auslandsanteil auf. Dennoch sind ausländische Anteilseigner in den Aufsichtsräten zahlenmäßig unterrepräsentiert“.

Die Umsätze der DAX-Konzerne werden in erster Linie – zu 75 Prozent – im Ausland erwirtschaftet, und auch die Anteilseigner der deutschen Top-Konzerne sitzen mehrheitlich im Ausland: Ausländische Investoren halten 54 Prozent der Aktien der DAX-Konzerne. Einigermaßen adäquat in den Aufsichtsräten vertreten ist das europäische Ausland, auf das 28 Prozent des Aktienbesitzes entfällt und das 22 Prozent der Aufsichtsräte (Kapitalseite) stellt. Nicht so in Nordamerika: 21 Prozent der Anteile der DAX-Unternehmen werden von nordamerikanischen Investoren gehalten – aber nur sechs Prozent der Aufsichtsratsmitglieder haben einen US-amerikanischen Pass. Auf der Kapitalseite weisen die Deutsche Bank (90 Prozent), Fresenius Medical Care (80 Prozent) und Volkswagen (70 Prozent) den höchsten Ausländeranteil auf.

DAX-Vorstände sind internationaler besetzt als Aufsichtsräte

Die Vorstandsgremien der deutschen Top-Konzerne sind etwas internationaler besetzt als die Aufsichtsräte: 64 Prozent der Vorstandsmitglieder haben einen deutschen Pass – in den Aufsichtsräten (Kapitalseite) sind es 71 Prozent. In den DAX-Vorständen sind neben Deutschland die Vereinigten Staaten (14 Vorstandsmitglieder), Großbritannien (elf), Österreich (neu) und Frankreich (sechs) am stärksten vertreten. Insgesamt kommen 25 Prozent der DAX-Vorstandsmitglieder aus dem europäischen Ausland und acht Prozent aus Nordamerika.

Unternehmen, die besonders stark im Ausland tätig sind, stützen sich keineswegs zwangsläufig auf besonders internationale Vorstände und Aufsichtsräte. „Fast in allen DAX-Konzernen ist der Internationalisierungsgrad des Unternehmens selbst – bezogen auf die Geschäftstätigkeit und die Beschäftigung – deutlich höher als die Internationalität des Top-Managements und des Aufsichtsrats“, stellt Mathieu Meyer, Mitglied der Geschäftsführung bei EY, fest. Ein hoher Ausländeranteil im Aufsichtsrat oder im Vorstand lasse zwar keine Aussagen über die Qualität der Arbeit des jeweiligen Gremiums zu. Auch nur mit deutschen Staatsbürgern besetzte Vorstände könnten hervorragende Arbeit leisten und ihr Unternehmen an die Weltspitze führen.

Ausrichtung auf ausländische Märkte

Dennoch sieht Meyer positive Impulse, die sich aus stärker gemischten Management- und Aufsichtsgremien ergeben können: „Die deutschen Unternehmen mit ihrer starken Ausrichtung auf ausländische Märkte sind darauf angewiesen, die dortigen Chancen und Risiken gut einschätzen zu können.“

Viele Top-Manager können zwar auf zahlreiche Auslandsstationen im Lauf ihrer Karriere zurückblicken, ergänzt Barth – allerdings könnten auch unterschiedliche Kulturen mit ihren unterschiedlichen Herangehensweisen und Managementmethoden die Arbeit der Managementgremien bereichern und neue Impulse geben – etwa wenn es um Investitionsentscheidungen und Risikoabwägungen gehe. „Ausländische Märkte werden für Deutschlands Top-Unternehmen immer wichtiger – und gleichzeitig nehmen gerade im Ausland die Herausforderungen und Widerstände gegen die Globalisierung zu. Entsprechend wichtig ist gerade heute ein Gespür für politische und gesellschaftliche Besonderheiten und die Vielfalt von Kulturen und Regionen“, so Barth abschließend. (ig)