Berliner Steuerbeschluss begünstigt ab 2019 E-Autos

 Berliner Steuerbeschluss begünstigt ab 2019 E-Autos

Viele deutsche Hersteller haben ihre Elektrostrategie aus technischen Gründen stark auf SUVs ausgerichtet, da sich Batterien für den E-Antrieb hier eleganter einbauen lassen, als bei kleineren Fahrzeugen. Bild: Daimler

Regulatorische Maßnahmen in Deutschland und China sorgen derzeit für Bewegung auf dem E-Auto-Markt. Der am 2. August verabschiedete Kabinettsbeschluss von steuerlichen Vergünstigungen für Dienstwagen mit Elektro- und Hybridantrieb wird ab Januar 2019 zu einer stark zunehmenden Nachfrage von E-Autos und Batterien führen. Doch genau dadurch geraten deutsche Automobilhersteller nun – insbesondere, wenn sie einen hohen Umsatz am Dienstwagenmarkt erzielen – unter Druck: Zusätzlicher Bedarf und Produktstrategien, die nicht mit dem Fuhrparkmanagement der Unternehmen kompatibel sind, führen zu Diskrepanzen zwischen Angebot und Nachfrage.

Denn viele deutsche Hersteller haben ihre Elektrostrategie aus technischen Gründen stark auf SUVs ausgerichtet, da sich Batterien für den E-Antrieb hier eleganter einbauen lassen, als bei kleineren Fahrzeugen. Die meisten Unternehmen haben die schweren SUVs aufgrund ihres hohen CO2-Ausstoßes allerdings generell als Dienstwagen ausgeschlossen. Die bestehenden Fuhrparkvorschriften vieler Unternehmen erlauben den Erwerb der neuen E-SUVs somit momentan nicht – auch nicht als Hybridvarianten. „Das heißt, Nachfrage und Angebot passen in Deutschland noch nicht zueinander“ sagt Felix Kuhnert, Global Automotive Leader der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC). Dabei seien auch weitere technische und steuerliche Aspekte zu beachten, wie zum Beispiel für das Laden zuhause.

„Autohersteller und Unternehmen müssen jetzt schnell reagieren“

Zwar haben einige Unternehmen, wie beispielsweise Volkswagen mit dem „I.D.“ beziehungsweise „Neo“, bereits kommuniziert, ihre Produktpalette auch um E-Fahrzeuge der Kompakt- und Mittelklasse zu erweitern. Die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage birgt dennoch Chancen für ausländische Konkurrenten: „Wenn jemand bei Tesla die deutschen Medien verfolgt und die Pläne der deutschen Bundesregierung zur Kenntnis genommen hat, müsste bereits der Auftrag ergangen sein, die Produktionskapazität in den Niederlanden zu erhöhen oder Maschinen zu installieren, um das Modell 3 auch dort zu produzieren. Die Marke ist am Markt bereits platziert, es gibt eine bestehende Werkstattinfrastruktur und Schnellladesäulen“, erklärt Christoph Stürmer, Global Lead Analyst bei PwC Autofacts. Aus Sicht des PwC-Experten besteht für die deutschen Hersteller deshalb nun dringender Handlungsbedarf. „Kurzum: Die Zukunft der deutschen Automobilindustrie beginnt am 1. Januar 2019“, sagt Kuhnert. „Sie muss sich jetzt in Stellung bringen und positionieren, um ihre dominante Stellung im Dienstwagenmarkt zu behaupten.“

E-Dienstwagen fließen schnell auf Privatmarkt

„Gerade der Markt für Firmenwagen ist für die Durchsetzung neuer Technologien und Standards besonders relevant, da er als ‚schnelldrehend‘ gilt und Fahrzeuge dort durchschnittlich nicht sieben, sondern nur zwei bis drei Jahre lang gefahren werden. Außerdem ist er aufgrund des derzeit hohen Investitionsvermögens deutscher Unternehmen besonders kaufkräftig ­– und privat genutzte Dienstwagen sind gerade in Deutschland ein beliebtes Incentive“, erläutert Stürmer. Beide Faktoren führten dazu, dass nach dem Erstbesitz schnell auch hohe Volumen an den Gebrauchtwagenmarkt abgegeben werden könnten, wodurch das Angebot gebrauchter E-Autos dort wachse. Da die Fahrzeuge günstiger seien, böten sie breiteren Bevölkerungsschichten die Möglichkeit, die neuen Technologien auch privat zu kaufen. Dienstwagenflotten machten derzeit etwa 20 bis 30 Prozent des Neuwagenmarktes aus, was rund einer Million Fahrzeugen pro Jahr entspreche. PwC-Experte Stürmer wertet den Beschluss, der noch durch den Bundesrat bestätigt werden muss, deshalb als „signifikantes Ereignis“.

Auch auf dem Batteriemarkt ist sowohl angebots- als auch nachfrageseitig viel Bewegung zu sehen. Zwar haben große Konzerne wie CATL und LG angekündigt, Fabriken zur Batterieproduktion in der EU – auch in Deutschland – zu errichten. Doch dies wird nicht reichen, um die enorme Nachfrage zu stillen. Der Kapazitätsbedarf auf dem Kontinent wird sich nach PwC-Analysen zwischen 2018 und 2020 mindestens verdreifachen, was auch neuen Unternehmen wie Northvolt und Terra-E eine realistische Chance eröffnet.

Plug-In-Hybride werden in China Marktanteile verlieren

Zusätzlich könnten die jüngsten Entwicklungen der Subventionspolitik der Volksrepublik China den Absatz von E-Autos weiter nach oben klettern lassen. Im März produzierten in der Volksrepublik mehr als 100 verschiedene Unternehmen 355 Modelle mit Elektro- oder Hybridantrieb. Die großangelegte Unterstützung des Staates hat zunächst zu Überkapazitäten und Ineffektivität geführt. Die Regierung in Peking fürchtet nun, dass die schnelle Entwicklung neuer Modelle eine nachhaltige Massenproduktion und somit auch die Expansion nach Europa und in die Vereinigten Staaten verhindert.

Vor diesem Hintergrund hat sie, beginnend mit dem 12. Juli 2018, die Subventionen für E-Autos mit einer Reichweite unter 150 Kilometer komplett gestrichen. Solche, die 150 bis 300 Kilometer elektrisch fahren können, erhalten fortan einen verringerten Zuschuss. Nur Fahrzeuge, die mehr als 400 Kilometer zwischen den Ladevorgängen schaffen, können den vollen Förderbetrag ausschöpfen. Plug-in-Hybride mit einer elektrischen Reichweite von mehr als 50 km – die für Premium-Hersteller von besonderer Bedeutung sind – werden fast so stark gefördert wie Elektrofahrzeuge mit einer Reichweite von 200-250 km, was aber weniger als der halben maximalen Förderung entspricht.

Kunden von niedrigen Gesamtkosten überzeugen

Daraus ergeben sich für die Hersteller wichtige strategische Fragen: die differenzierte Subventionspolitik in China gibt jetzt auch Anreize für Elektrofahrzeuge mit besonders hohen Reichweiten von über 400 km, obwohl sie der ökonomischen Logik der Nutzung von E-Fahrzeugen – nämlich der täglichen Ladung mit der für einen Tag erforderlichen Kapazität – eigentlich widersprechen. Damit werden große technische und wirtschaftliche Anstrengungen erforderlich, die in der Masse zu unnötig hohen Kosten und Investitionen führen können. Lohnt es sich also, technisch die volle Subvention anzustreben, oder lassen sich Kunden eher von niedrigen Gesamtkosten überzeugen?

„Durch die proaktive Subventionspolitik in China könnten Plug-In-Hybride noch weiter zurückgedrängt und reine Batteriefahrzeuge mit hohen Reichweiten gefördert werden“, erklärt Felix Kuhnert. Der Experte weist zudem auf ein weiteres brisantes Risiko hin: Beschaffungsschwierigkeiten bei Batterien. Die Batteriezellen, die in den chinesischen Fahrzeugen verbaut werden, müssen nämlich laut Vorschrift in der Volksrepublik hergestellt werden und dürfen nicht aus dem Ausland eingeführt werden. (ig)