US-Digitalkonzerne erhöhen Innovationsausgaben massiv

 US-Digitalkonzerne erhöhen Innovationsausgaben massiv

Nach wie vor die mit Abstand höchsten F&E-Quoten weisen die Pharmakonzerne auf: Insgesamt 110 Milliarden Euro investierten die 29 im Ranking vertretenen Pharmakonzerne im vergangenen Jahr in die Entwicklung neuer Produkte bzw. Wirkstoffe. Bild: Celgene GmbH

Weltweit haben Großkonzerne im vergangenen Jahr ihre Innovationsbudgets kräftig aufgestockt: Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (kurz F&E) der 500 größten F&E-Investoren der Welt stiegen im vergangenen Jahr um sechs Prozent auf 532 Milliarden Euro. Die große Mehrheit der Unternehmen – 65 Prozent – investierte mehr als im Vorjahr. Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY,  in der die 500 börsennotierten Unternehmen weltweit mit den größten F&E-Budgets untersucht wurden.

Die US-amerikanischen Top-Konzerne steigerten ihre Investitionen besonders stark: Um elf Prozent stiegen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bei den 127 US-amerikanischen Unternehmen, die sich im Ranking platzieren können. Hauptgrund für diesen starken Anstieg ist die hohe Investitionsbereitschaft der US-Digitalkonzerne: So erhöhte Amazon seine Innovationsausgaben um 41 Prozent von umgerechnet 14,3 auf 20,1 Milliarden Euro und belegt damit wie schon im Vorjahr Platz eins im Ranking der Unternehmen mit den weltweit höchsten Innovationsbudgets.

Auf Platz zwei liegt unverändert die Google-Muttergesellschaft Alphabet mit 14,8 Milliarden Euro vor Samsung (13,1 Milliarden Euro) und Intel (11,6 Milliarden Euro). Neben IT-Riesen können sich vor allem Pharmakonzerne im Top-10-Ranking platzieren: Roche, Johnson & Johnson und Merck & Co auf den Rängen acht bis zehn. Als einziges klassisches Industrieunternehmen belegt Volkswagen im Ranking den fünften Platz – der Wolfsburger Autokonzern ist mit F&E-Ausgaben von 11,6 Milliarden Euro zugleich Europas größter F&E-Investor.

„Weltweit steigen die Investitionen in Forschung und Entwicklung – ein rasanter technischer Fortschritt, immer kürzere Produktzyklen und sich rasch verändernde Verbraucherwünsche erhöhen den Druck auf die Unternehmen, ihre Innovationsbudgets aufzustocken“, beobachtet Julie Linn Teigland, Regional Managing Partner der Region Deutschland, Schweiz und Österreich.  „Als hilfreich erweist sich dabei die weltweit gute Konjunkturentwicklung, die zu steigenden Umsätzen und Gewinnen führt, wovon auch die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen profitieren.“

US-Unternehmen geben deutlich mehr für Innovationen aus als europäische

Nach wie vor sind US-Unternehmen in Sachen Innovationsausgaben das Maß aller Dinge: Nicht nur haben sieben der zehn Top-F&E-Investoren ihren Sitz in den USA, auch investieren US-Konzerne im Durchschnitt deutlich mehr als ihre Wettbewerber in Asien und Europa. Während die analysierten asiatischen Unternehmen eine durchschnittliche F&E-Quote – das ist der Anteil der F&E-Ausgaben am Gesamtumsatz – von nur 2,6 Prozent aufweisen, liegt der Wert in Nordamerika mit zuletzt 5,6 Prozent mehr als doppelt so hoch. Europäische Unternehmen weisen eine durchschnittliche F&E-Quote von 3,4 Prozent auf.

Und während bei den nordamerikanischen Konzernen die F&E-Budgets im vergangenen Jahr mit plus elf Prozent stärker stiegen als der Umsatz, der um acht Prozent zulegte, war es in Europa genau umgekehrt: Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung wuchsen nur um drei Prozent, der Gesamtumsatz hingegen um knapp zehn Prozent – also mehr als drei Mal so stark.

US-Unternehmen wollen die Welt verändern

Vor allem die großen Digitalkonzerne erhöhen ihre Innovationsausgaben massiv: Die fünf größten US-Digitalkonzerne – die zugleich die fünf größten US-Investoren sind – setzten im vergangenen Jahr  zusammen umgerechnet 68 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung ein und steigerten ihre Ausgaben im Vergleich zum Vorjahr um knapp elf Milliarden Euro beziehungsweise 19 Prozent. Auf der anderen Seite des Atlantiks stockten die Top-5-Investoren Europas ihre Budgets nur um 800 Millionen Euro bzw. zwei Prozent auf gut 41 Milliarden Euro auf.

Teigland wertet den starken Anstieg der F&E-Ausgaben der führenden US-Digitalkonzerne als deutliches Signal: „Diese Unternehmen wollen die Welt verändern. Sie haben die nötigen Finanzmittel und sind bereit, diese auch einzusetzen – selbst wenn das vorübergehend die Marge drückt. Eine solche Risikobereitschaft findet man in anderen Branchen und in anderen Regionen der Welt kaum.“

Zwar führen hohe Innovationsausgaben nicht zwangsläufig zu einer tatsächlichen Steigerung der Innovationskraft und zu wegweisenden neuen Produkten, räumt Teigland ein, „allerdings fördern hohe Forschungsbudgets und eine Unternehmenskultur, die Innovationen wertschätzt und Risikobereitschaft fördert, auch tatsächliche Innovationssprünge. Wer wenig investiert, darf auch keine großen Durchbrüche erwarten. Hier können wir in Europa von den großen amerikanischen Unternehmen und zunehmend auch einigen asiatischen Konzernen lernen.“

Deutsche Unternehmen erhöhen F&E-Ausgaben um vier Prozent – chinesische um 18 Prozent

Die höchstplatzierten deutschen Unternehmen im weltweiten F&E-Ranking sind neben Volkswagen (5. Platz) noch Daimler (Rang 18), Siemens (Rang 23), BMW (Rang 30) und Bayer (Rang 34). Insgesamt stieg das Innovationsbudget der 32 deutschen Unternehmen, die sich in der Liste der Top-500-Unternehmen platzieren, im vergangenen Jahr um fünf Prozent auf 54 Milliarden Euro. Weltweit am stärksten stiegen allerdings die Ausgaben der Unternehmen aus China (plus 18 Prozent), Taiwan (plus 16 Prozent) und Schweden (plus 14 Prozent) – wenngleich jeweils von einem deutlich niedrigeren Ausgansniveau als etwa die deutschen oder US-amerikanischen.

„In Deutschland sind es vor allem die Auto- und die Pharmakonzerne, die auch im internationalen Maßstab erhebliche Summen in Forschung und Entwicklung investieren – und diese teilweise weiter kräftig steigern“, beobachtet Teigland. Im europäischen Vergleich erweisen sich die deutschen Top-Konzerne damit als überdurchschnittlich aktive F&E-Investoren – vor den Schweizer Unternehmen und weit vor den französischen und britischen Unternehmen. Dass allerdings gerade die chinesischen Unternehmen ihre F&E-Ausgaben derzeit so erheblich steigern, sei bemerkenswert, so Teigland: „Die chinesische Wirtschaft und gerade die international ausgerichteten Unternehmen entwickeln sich in rasantem Tempo zu ernstzunehmenden Playern auf den Weltmärkten. Chinesische Unternehmen haben inzwischen erkannt, dass Innovationen der Schlüssel zu langfristiger internationaler Wettbewerbsfähigkeit und höheren Margen sind. Sie werden daher zukünftig im weltweiten Innovationswettbewerb eine immer größere Rolle spielen.“

Pharmakonzerne investieren am meisten

Nach wie vor die mit Abstand höchsten F&E-Quoten weisen die Pharmakonzerne auf: Insgesamt 110 Milliarden Euro investierten die 29 im Ranking vertretenen Pharmakonzerne im vergangenen Jahr in die Entwicklung neuer Produkte bzw. Wirkstoffe, das entspricht einem Anteil am Gesamtumsatz von 16,3 Prozent. Die IT-Branche liegt mit durchschnittlich 8,0 Prozent auf dem zweiten Platz. Klassische Industriebranchen weisen eher niedrigere F&E-Quoten auf: In der Autoindustrie lag die Quote im vergangenen Jahr bei 4,0 Prozent, bei sonstigen Industrieunternehmen bei 2,5 Prozent.

Innovationen muss man sich leisten können

Die eher niedrigen F&E-Quoten in einigen Industriebranchen könnten sich für diese Unternehmen noch zum Problem entwickeln, fürchtet Teigland: „Die Digitalisierung und die damit einhergehende Branchenkonvergenz verschieben die Gewichte in der Weltwirtschaft massiv und erfordern ein rasches Umdenken gerade bei Unternehmen aus klassischen Industriebranchen. Denn die sehen sich zunehmend einer sehr finanzstarken und angriffslustigen Konkurrenz aus anderen Branchen gegenüber“, beobachtet Teigland. „Zwar belebt Konkurrenz das Geschäft – und innovative neue Wettbewerber können wichtige Impulse geben. Allerdings muss man sich Innovationen auch leisten können – daher geraten gerade Unternehmen aus Branchen mit eher niedrigen Margen und entsprechend kleineren Innovationsbudgets durch die Konkurrenz unter Druck.“ Gerade sie müssten neue und kreative Wege gehen und etwa über Kooperationen mit Wettbewerbern, Forschungseinrichtungen oder auch Start-ups nachdenken, um trotz begrenzter Budgets ihre Innovationskraft auch im digitalen Zeitalter zu bewahren, so Teigland.

Unternehmen, die viel für die Entwicklung neuer Produkte ausgeben, erwirtschaften zumeist auch deutlich höhere Gewinne: So lag die EBIT-Marge bei den Unternehmen, deren F&E-Quote über dem jeweiligen Branchenschnitt lag, im vergangenen Jahr bei durchschnittlich knapp 15 Prozent, während die übrigen Unternehmen nur eine Marge von knapp zehn Prozent erwirtschafteten. (ig)