Reeder befürchten negative Effekte durch US-Handelspolitik

 Reeder befürchten negative Effekte durch US-Handelspolitik

Die Verunsicherung aufgrund der jüngsten handelspolitischen Entwicklungen ist in der deutschen Schifffahrtsindustrie deutlich spürbar. Bild: APL

Der eskalierende Handelskonflikt zwischen den USA, China und der Europäischen Union droht zur Belastung für die deutsche Hochseeschifffahrt zu werden. Zwei von drei deutschen Reedern fürchten negative Konsequenzen der aktuellen US-Handelspolitik, wie eine aktuelle Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC zeigt. Nur etwa jeder zehnte Reeder geht davon aus, dass die neue Politik der US-Regierung gänzlich ohne Auswirkungen für die deutsche Schifffahrtsbranche bleiben wird.

„Die Verunsicherung aufgrund der jüngsten handelspolitischen Entwicklungen ist in der deutschen Schifffahrtsindustrie deutlich spürbar. Viele Reeder befürchten, dass ein eskalierender Handelsstreit die weltweite Arbeitsteilung und die damit verbundenen Warenströme nachhaltig beeinträchtigen könnte“, kommentiert Claus Brandt, Leiter des maritimen Kompetenzzentrums von PwC in Deutschland.

Mehrheit glaubt weiterhin an Erholung der Weltwirtschaft

Unabhängig vom aktuellen Handelskonflikt erwartet eine Mehrheit der Reeder weiterhin langfristiges Wachstum. Zwei Drittel sind der Ansicht, dass der Welthandel auf einen stabilen Wachstumskurs einschwenken wird. Ganze 61 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass sogar das Handelsniveau vor der Krise von 2008 wieder in Reichweite rücken könnte. Eine wichtige Rolle könnten dabei die Schwellenländer spielen: 93 Prozent sind davon überzeugt, dass der steigende Konsum in den wirtschaftlich aufstrebenden und bevölkerungsreichen Ländern auch zu einer Verlagerung der Warenströme führen wird.

Hoffnung auf ein wachsendes Ladungsaufkommen und steigende Erlöse

In der Gesamtschau überlagern diese langfristigen Erwartungen offenbar die unmittelbaren Sorgen über Schutzzölle und Handelskonflikte. So glauben 81 Prozent der Reeder, dass das weltweite Ladungsaufkommen in den kommenden fünf Jahren steigen wird. Damit hat sich der Anteil der Optimisten gegenüber der Vorjahresumfrage um zehn Prozentpunkte erhöht. Die meisten Reeder sehen auch das eigene Unternehmen auf Wachstumskurs: 74 Prozent der Befragten rechnen in den kommenden zwölf Monaten mit steigenden Erlösen. Im Vorjahr gingen lediglich 61 Prozent von Umsatzzuwächsen aus, in der Umfrage von 2016 sogar nur 35 Prozent. Diese Hoffnung ist nicht ganz unbegründet: Neun von zehn Reedern berichten derzeit von voll ausgelasteten Flotten. „Die Situation ist paradox: Auf der einen Seite bedroht ein erstarkender Protektionismus die derzeitige Wirtschaftsordnung und die Reeder sind sich dieser Gefahr bewusst. Gleichzeitig gibt es in der Branche nach Jahren der Konsolidierung einige, wenn auch zarte, Hoffnungsschimmer“, so PwC-Experte Brandt.

Schifffahrt im Wandel: Stillstand ist keine Option

Trotz der allgemeinen Verunsicherung ist klar: Der steigende Wettbewerbsdruck und die digitale Transformation der weltweiten Wertschöpfungsketten macht auch vor den deutschen Reedern nicht Halt. So wollen 65 Prozent der Befragten in den kommenden fünf Jahren definitiv neue Geschäftsfelder erschließen, weitere 24 Prozent erwägen das. Dabei geht es vor allem um die Erweiterung der eigenen Kompetenzen – auch in branchenfremde Bereiche, wie etwa Immobilien- und Finanzdienstleistungen oder Investitionsberatung. Gut sieben von zehn Befragten sind der Überzeugung, dass sich Reedereien zu Logistikdienstleistern weiterentwickeln müssen. 44 Prozent können sich Zusammenschlüsse mit anderen Unternehmen vorstellen, um ein breiteres Leistungsspektrum anbieten zu können. „Die globalen, datengetriebenen Technologieplattformen werden den Markt für Logistikdienstleistungen tiefgreifend verändern“, so Claus Brandt. „Für Reedereien ist das eine hervorragende Chance, sich mit ihrem fundierten Know-how innerhalb der Logistikkette neue zu positionieren.“

Dazu müssen die Unternehmen die eigenen digitalen Fähigkeiten allerdings noch konsequenter ausbauen. Aktuell schrecken noch viele Reeder davor zurück, den Herausforderungen und der steigenden Komplexität durch die Digitalisierung aktiv zu begegnen: Nur gut jeder fünfte Befragte kann sich vorstellen, selbst an die Spitze einer Logistikkette zu rücken und diese zu organisieren. Dazu passt, dass auch nur ein Fünftel den Betrieb einer eigenen Tracking-App zur Ortung und Verfolgung von Schiffen bzw. Transportgütern einführen möchte.

Qualifiziertes Personal als zentraler Wettbewerbsvorteil

Für die deutsche Handelsflotte im Vergleich mit internationalen Wettbewerbern spricht nach Ansicht der meisten Reeder (70 Prozent) vor allem die hohe Qualifikation der Mannschaft auf See und der Belegschaft an Land. Entsprechend gilt die Sicherung des maritimen Know-hows aus Sicht der überwältigenden Mehrheit der Befragten (92 Prozent) auch als Kernargument für den langfristigen Erhalt einer deutschen Flotte. „Die Exportnation Deutschland ist so eng wie kaum eine andere Volkswirtschaft in die globale Lieferkette eingebunden“, so Claus Brandt. „Zwar ließe sich der Warentransport auch ohne eine eigene Hochseeflotte bewerkstelligen. Aber der Wegfall einer eigenständigen maritimen Wirtschaft hätte zweifellos gravierende Folgen – nicht nur mit Blick auf die Unabhängigkeit von anderen Anbietern, sondern auch in den Bereichen Innovation, Wachstum und Beschäftigung.“ (ig)