Weltweiter IPO-Markt schwächelt

 Weltweiter IPO-Markt schwächelt

Die neu an US-Börsen notierten Unternehmen gewannen 37 Prozent an Wert, während die Börsenneulinge in Europa (einschließlich Mittlerer Osten, Indien und Afrika) ein durchschnittliches Plus von 16 Prozent erzielten. Bild: City of New York

Gestiegene Volatilität, wachsende Unsicherheiten durch geopolitische Risiken und die neue US-Handelspolitik haben im zweiten Quartal Spuren auf dem weltweiten Markt für Börsengänge hinterlassen: Das Emissionsvolumen sank im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 19 Prozent auf 45 Milliarden US-Dollar. Die Zahl der Börsengänge ging sogar um 26 Prozent auf 325 zurück. Vergleichsweise gut entwickelte sich der US-Markt. Zwar sank die Zahl der Neuzugänge an den US-Börsen von 59 auf 54, das Emissionsvolumen kletterte aber um 6,1 Prozent auf knapp 13 Milliarden US-Dollar. Das sind einige der Ergebnisse des aktuellen weltweiten IPO-Barometers des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY (Ernst & Young).

In China sind die IPO-Aktivitäten hingegen rückläufig – gestiegene regulatorische Anforderungen und ein langsamerer Freigabe-Prozess führten zu weniger Neuemissionen an den chinesischen Festlandsbörsen. Die Zahl der IPOs hat sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mehr als halbiert: von 143 auf 63, das Emissionsvolumen sank um 15 Prozent auf gut elf Milliarden US-Dollar. Der europäische Markt entwickelte sich nach einem starken Jahresauftakt im zweiten Quartal eher schwach: Die Zahl der Neuemissionen sank um 21 Prozent auf 73, das Emissionsvolumen ging sogar um 48 Prozent auf knapp zehn Milliarden US-Dollar zurück.

Gute Entwicklung von Börsenneulingen

Insgesamt entwickelten sich die meisten Börsenneulinge weltweit im zweiten Quartal gut und brachten den Investoren Kursgewinne. Das stärkste Plus – gerechnet vom Tag der Erstnotiz bis Ende Juni – verzeichneten die Unternehmen in China (ohne Hong Kong), die im Durchschnitt um 91 Prozent zulegten. Die neu an US-Börsen notierten Unternehmen gewannen immerhin 37 Prozent an Wert, während die Börsenneulinge in Europa (einschließlich Mittlerer Osten, Indien und Afrika) ein durchschnittliches Plus von 16 Prozent erzielten.

Bedingt durch die wachsenden Unsicherheiten aufgrund geopolitischer Risiken und aufgrund der neuen US-Handelspolitik verzeichneten die meisten größeren europäischen Märkte im ersten Halbjahr Rückgänge. In Großbritannien sank die Zahl der IPOs von 34 auf 22, in Schweden von 37 auf 21 und in Italien von neun auf fünf. Gegen den Trend verdoppelte sich in Deutschland die Zahl der IPOS von sieben auf 14 – in Frankreich stieg die Zahl der Transaktionen von acht auf neun.

„Derzeit leidet vor allem Europa unter den handelspolitischen Spannungen – die überdurchschnittlich exportorientierten europäischen Firmen wären besonders stark von einer weiteren Zuspitzung der Spannungen und neuen Handelshemmnissen betroffen“, beobachtet Martin Steinbach, Leiter des Bereichs IPO and Listing Services bei EY. Investoren schauten gegenwärtig vor allem in die USA, wo Technologieunternehmen wieder hoch gehandelt würden, und nach China. Dort seien allerdings regulatorische Hemmnisse für den Rückgang der Aktivitäten verantwortlich – das Investoreninteresse bleibe jedoch groß.

Deutschland mit starkem ersten Halbjahr

Nach einem fulminanten Jahresauftakt mit zwei Milliardentransaktionen im ersten Quartal erwies sich Deutschland auch im zweiten Quartal als Wachstumsmarkt: Die Zahl der IPOs stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von vier auf acht, insgesamt wurden dabei 1,03 Milliarden US-Dollar erlöst – nach knapp 1,8 Milliarden US-Dollar im zweiten Quartal 2017.

Im laufenden Jahr gingen in Deutschland folgende Unternehmen an die Börse: Dermapharm Holding SE, Instone Real Estate Group NV, Stemmer Imaging AG, Siemens Healthineers AG, DWS Group GmbH & Co KGaA, cyan AG, Godewind Immobilien AG, Serviceware SE, nfon AG, STS Group AG, home24 SE, capsensixx AG, Homes & Holiday AG und AKASOL GmbH (am 29.06.). Das kumulierte Platzierungsvolumen liegt bei 8,9 Milliarden US-Dollar – im ersten Halbjahr 2017 betrug es 1,43 Milliarden US-Dollar.

Perspektiven in Europa insgesamt gut

Steinbach rechnet mit einem stärkeren zweiten Halbjahr auf den weltweiten IPO-Märkten – angetrieben von der guten Kursentwicklung der bisherigen Börsenneulinge und weiteren Technologie-IPOs. Die Situation in Europa als exportorientierte Region ist dabei besonders von dem Fort- und Ausgang der geopolitischen Unsicherheiten, dem Brexit und der neuen US Handelspolitik geprägt, so Steinbach: „Obwohl sich die Konjunkturaussichten zuletzt eingetrübt haben, bleiben die Perspektiven auch in Europa insgesamt relativ gut. Die Zinsen sind weiter sehr niedrig und das Bewertungsniveau an den Börsen ist trotz des jüngsten Kursrückgangs hoch. Es spricht daher einiges dafür, dass das IPO-Fenster in diesem Jahr immer wieder geöffnet sein wird.“

In Deutschland seien in diesem Jahr auf Basis des starken ersten Halbjahres auch mehr als die am Jahresanfang prognostizierten 18 Börsengänge realistisch, womit sich in diesem Jahr eine ansehnliche IPO Bilanz ergeben werde, so Steinbach. Allerdings blieben die Risiken hoch, und die Unternehmen müssten jederzeit auf zeitweilige Eintrübungen des Umfelds vorbereitet sein. „Geopolitische Spannungen Unsicherheiten rund um den Brexit und neue Handelshemmnisse werden wahrscheinlich immer wieder vorübergehend für Unruhe an den Märkten sorgen.“

Dennoch ist Steinbach unterm Strich zufrieden mit der Entwicklung des deutschen IPO Marktes: „Bezogen auf die Zahl der Emissionen war das erste Halbjahr das stärkste seit 2007, bezogen auf das Emissionsvolumen sogar das stärkste seit dem Jahr 2000.“

Siemens Healthineers größter Börsengang weltweit

Die weltweit größten Börsengänge im ersten Halbjahr waren die Erstnotizen von Siemens Healthineers (5,3 Milliarden US-Dollar), gefolgt vom IPO der chinesischen Industrietochter des Apple Zulieferers Foxconn (4,2 Milliarden US-Dollar) und der Erstnotiz von Axa Equitable, der US-Tochter des französischen Versicherungskonzerns Axa (3,2 Milliarden US-Dollar). Die Erstnotiz der Deutsche Bank Tochter DWS war mit 1,6 Milliarden US-Dollar die sechstgrößte Transaktion im ersten Halbjahr. (ig)