Chinesische Hersteller holen bei Innovationen auf

 Chinesische Hersteller holen bei Innovationen auf

Chinesische Automobil-Konzerne fangen an, westlichen Herstellern nicht mehr nur nachzueifern, sondern sie mit eigenen Innovationen offen herauszufordern. Bild: SVZ

Deutschlands Autokonzerne sind immer noch die innovativsten der Welt – doch die Konkurrenz aus China holt rasant auf, zeigt die diesjährige „AutomotiveINNOVATIONS“-Studie des Centers of Automotive Management (CAM) in Kooperation mit der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC. 32 Prozent der maßgeblichen Einführungen von neuen Produkten oder Technologien in der globalen Automobilindustrie kamen demnach im vergangenen Jahr von Daimler, BMW oder aus dem Volkswagen-Konzern.

„Damit haben die hiesigen Hersteller ihre Führungsposition souverän verteidigt“, so Automobil-Professor und CAM-Direktor Stefan Bratzel. Auf Rang zwei mit 18 Prozent aller Innovationen folgen dann aber schon chinesische Hersteller wie Geely, Chery oder BYD – die damit ihren Anteil binnen zwei Jahren glatt verdoppelt haben. Für Felix Kuhnert, Global Automotive Leader bei PwC, ist das Abschneiden der chinesischen Hersteller mehr als eine Momentaufnahme: „Die Studie liefert klare Indizien, dass die chinesische Automobilindustrie in eine neue Phase ihrer Entwicklung eintritt. Jahrelang wurde hierzulande über eine gewisse Plagiatskultur der chinesischen Konkurrenz geklagt – in manchen Fällen sogar innerhalb von bestehenden Kooperationen und Joint Ventures. Nun allerdings fangen chinesische Konzerne an, westlichen Herstellern nicht mehr nur nachzueifern, sondern sie mit eigenen Innovationen offen herauszufordern. In dieser Strategie könnte auch für die deutschen Anbieter eine viel größere Herausforderung liegen.“

35 Hersteller führten insgesamt 1223 Innovationen ein

Insgesamt untersuchte die Studie die Innovationen von 35 Automobilkonzernen weltweit. Diese brachten 1223 relevante fahrzeugtechnische Neuerungen hervor, ein Rückgang von zwölf Prozent verglichen mit dem Vorjahr. Unter den gewerteten Innovationen befanden sich fast 150 Weltneuheiten, darunter zum Beispiel die signifikant gesteigerte Reichweite des rein elektrisch angetriebenen Tesla Model S 1000, der „AI Staupilot“ im neuen Audi A8 oder die „On-Street-Parking“-Funktion in der 5er-Reihe von BMW.

Knapp jede fünfte Innovation entfiel auf den Motorenbereich. Dabei stieg der Anteil der Neuerungen bei den alternativen Antrieben auf 9,8 Prozent und lag damit etwas höher als bei den konventionellen Antrieben. Sogar 27 Prozent aller Innovationen kamen aus dem Bereich der Sicherheits- und Fahrerassistenz-Systeme. Dazu zählten unter anderem Teslas sogenannter Autopilot und andere teilautonome Fahrassistenten wie Cadillacs SuperCruise. „An der Verteilung der Innovationen zeigt sich, dass die Grundbedürfnisse des Autofahrens wie Fahrleistungen oder Vielseitigkeit heutzutage weitestgehend befriedigt sind“, bilanziert CAM-Leiter Stefan Bratzel. „Stattdessen definiert sich der Kundennutzen immer stärker über den Komfort beziehungsweise Nutzungserlebnis und tendenziell auch wieder vermehrt über die Sicherheit.“

Automobilindustrie steht vor einer neuen Gründerzeit

Blickt man auf die einzelnen Hersteller, dann fällt auf, dass viele Autobauer in einzelnen Bereichen sehr kreativ sind, in anderen allerdings deutlich weniger. Bei den bereits in Serie verfügbaren Elektro-Innovationen beispielsweise haben Tesla und Renault ihre Stärken; dagegen überzeugen der VW-Konzern, Daimler und BMW bei den Plug-in-Hybriden, genauso übrigens wie bei den Serien-Anwendungen im Bereich des teilautonomen Fahrens. Die chinesischen Hersteller wiederum ragen zwar in keiner untersuchten Kategorie heraus – holen aber fast überall spürbar auf. So schneiden Geely und BYD zum Beispiel bei den Plug-ins fast schon so gut wie die deutschen Hersteller ab.

Ein Beispiel hierfür ist NextEV, ein in Europa noch fast unbekannter Hersteller, der es im vergangenen Jahr auf fast 50 Innovationen ins Spiel brachte und der in Kürze unter der Marke Nio sein erstes Serienfahrzeug auf den Markt bringen will. Angesichts solcher Unternehmen fühlt sich Christoph Stürmer, Global Lead Analyst von PwC Autofacts, „fast an die Gründerzeit der westlichen Automobilbranche im frühen 20. Jahrhundert erinnert. Damals gab die Erfindung des Verbrennungsmotors den Startschuss für den Aufbau einer völlig neuen Industrie.“

Durchbruch für autonomes Fahren

Nach einer aktuellen Untersuchung von PwC Autofacts werden in den Jahren bis 2020 von den deutschen Herstellern 29 neue Elektro-Modelle erwartet – in China werden 33 neue Elektrofahrzeuge prognostiziert. 2017 wurden bereits 66 „reine“ Elektrofahrzeuge in China produziert; durch die Neueinführungen wird sich diese Zahl in den nächsten 18 Monaten auf 84 erhöhen. PwC-Partner Felix Kuhnert bilanziert: „Womöglich läuten der Elektromotor und der sich abzeichnende Durchbruch des autonomen Fahrens nun eine neue Gründer-Ära ein. Beispiele wie Tesla oder die aufstrebenden chinesischen Auto-Startups deuten schon zunehmend darauf hin.“ (ig)