Kritik an EU-Vorschlag zu Sammelklagen

 Kritik an EU-Vorschlag zu Sammelklagen

Der jetzige Gesetzesvorschlag bricht nach Überzeugung der Verbände mit der europäischen Rechtstradition, nach der sich auch bei Sammelklagen ein Kläger aktiv zu einer Klage entschließen muss. Bild: EU

Die EU-Kommission hat jetzt mehrere Vorschläge zur Anpassung von Verbraucherschutzgesetzen in der EU vorgelegt. Als Teil des sogenannten „New Deal for Consumers“ soll unter anderem eine neue Klagemöglichkeit eingeführt werden, wodurch Verbraucher ihre Schadensersatzansprüche in Sammelklagen geltend machen können. Kritik gibt es dafür von deutschen Branchenverbänden wie Bitkom, VDMA und VCI.

„Verbraucher müssen geeignete Instrumente zur Hand haben, um ihre Rechte durchsetzen zu können. Dazu können grundsätzlich auch Sammelklagen gehören“, fordert Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung. Der jetzige Gesetzesvorschlag breche aber mit der europäischen Rechtstradition, nach der sich auch bei Sammelklagen ein Kläger aktiv zu einer Klage entschließen muss. So solle jedes EU-Mitglied frei entscheiden können, wie die Regeln für Kläger ausgestaltet werden. Sofern das nationale Recht es dann bestimme, würden in der nun vorgesehenen Sammelklage, alle potentiell Betroffenen automatisch Teil des Klagekollektivs werden. Die Ausgestaltung der Sammelklage wäre damit aber europaweit nicht einheitlich geregelt.

Aus Sicht des Bitkom schafft dieser Vorschlag Anreize für unseriöses Klageverhalten und führt zur Rechtszersplitterung in Europa. „In dieser Form lädt das Gesetz zum Missbrauch ein“, sagt Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung. „Ein Verfahren, dem sich die Verbraucher nicht aktiv anschließen müssten, entspricht dem oft kritisierten US-amerikanischen Vorbild, bei dem vor allem die Prozessfinanzierer und Anwälte profitieren.“ Damit widerspreche der Gesetzesentwurf seiner ursprünglichen Absicht, Verbraucherinteressen besser zu schützen. Dehmel weiter: „Im Ergebnis entstünde ein neues Geschäftsmodell für Kanzleien. Damit ist niemandem geholfen, schon gar nicht den Verbrauchern.“ Profitorientierte Klagewellen führten letztlich dazu, dass Unternehmen ihre steigenden Prozesskosten auf ihre Kunden umlegen.

Missbrauch von Sammelklagen vermeiden

Auch der Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) sieht erheblichen Verbesserungsbedarf am Vorschlag der EU-Kommission zur Einführung eines europäischen Modells für Sammelklagen. „Die Richtlinie darf nicht zum Wegbereiter für eine Klageindustrie werden“, warnt der VCI-Rechtsexperte Berthold Welling. Ein effektiver Rechtsschutz für die Verbraucher sei ein wesentlicher Teil einer funktionierenden Rechtsordnung. Dem drohenden Missbrauch durch kollektive Klagewellen müsse aber ein Riegel vorgeschoben werden, kommentiert Welling den aktuellen Richtlinienentwurf.

Nach Auffassung des VCI reichen die im Entwurf vorgesehenen Maßnahmen bei Weitem nicht aus, um den Missbrauch von Sammelklagen zu vermeiden. Der VCI weist darauf hin, dass die EU-Kommission vor allem bei der Klagebefugnis und der Drittfinanzierung noch nachbessern sollte. „Es muss sichergestellt werden, dass die geplante Klagemöglichkeit nicht zu einem Vehikel für Verbände, Anwaltskanzleien und andere Drittorganisationen wird, dass diesen mehr nutzt als den Interessen der geschädigten Verbraucher“, mahnt Welling. Daher plädiert der VCI dafür, dass die Finanzierung von Verbandsklagen durch Dritte vollständig verboten werden soll. Nur so könne eine Interessenkollision strikt ausgeschlossen werden.

Die Einführung von Sammelklagen in der EU würde mittelständische Unternehmen zur Zielscheibe eines Klagesystems nach US-amerikanischem Vorbild machen fürchtet der VDMA. Der Branchenverband der deutschen Maschinenbauer hält daher den aktuellen Vorstoß der Europäischen Kommission, Sammelklagen durch Organisationen und Interessensgruppen auch ohne Zustimmung der betroffenen Verbraucher zu ermöglichen für einen Irrweg. „Der Entwurf der Kommission lädt förmlich dazu ein, Unternehmen schon beim geringsten Verdacht mit einer Flut von Klagen zu überziehen“, warnt Christian Steinberger, Leiter der Rechtsabteilung des VDMA.

Sorge vor Reputationsverlust

Kritisch sieht der VDMA den Vorschlag der Kommission, Kläger von Teilen der Prozesskosten wie etwa Gerichtsgebühren zu befreien. „Das finanzielle Risiko einer Sammelklage verlagert sich damit vor allem auf das beklagte Unternehmen. Damit wird dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet“, fürchtet Steinberger. Das bewährte Prinzip der deutschen Prozessordnung, nach dem der Verlierer des Verfahrens auch die Kosten trage, drohe durch die EU-Sammelklage ausgehebelt zu werden. „Leidtragende wären vor allem kleine und mittlere Unternehmen, die sich aufgrund begrenzter Ressourcen und der Sorge vor Reputationsverlust keine langwierigen Verfahren leisten können und sich gegebenenfalls zu teuren Vergleichen gezwungen sehen. Das Beispiel der Sammelklagen in den USA zeigt dies deutlich“, warnt Steinberger.

Im Rahmen des „New Deal for Consumers“ sollen fünf verschiedene Richtlinien angepasst oder neu formuliert werden, die den Verbraucherschutz zum Ziel haben. Darunter fällt auch die Richtlinie über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen, die nun mit dem Instrument der Sammelklagen neu ausgestattet werden soll. Die Gesetzesentwürfe der EU-Kommission werden im nächsten Schritt vom EU-Parlament und im Ministerrat weiterbearbeitet. (ig)