Konsolidierung der Autobranche wird Fahrt aufnehmen

 Konsolidierung der Autobranche wird Fahrt aufnehmen

In Bezug auf die Energiespeicherung haben FCEVs nach Überzeugung der Analysten den Vorteil, dass als Rohstoff für Wasserstoff nur Wasser oder Erdgas benötigt wird. Foto: Toyota

Autohersteller werden in Zukunft an Fusionen nicht vorbeikommen, wenn sie den Kampf mit den großen Technologiekonzernen um die Vorherrschaft im „Ökosystem Auto“ nicht verlieren wollen. Der Anteil der in Westeuropa produzierten Fahrzeuge wird deutlich sinken, und fast die Hälfte der stationären Händler wird bis 2025 vom Markt verschwunden sein. Diese Ergebnisse fördert der „Global Automotive Executive Survey 2018“ von KPMG zutage, für den weltweit über 900 Entscheider der Automobil- und Technologiebranche sowie mehr als 2.100 Konsumenten befragt wurden.

Drei Viertel der befragten Entscheider (74 Prozent) gehen davon aus, dass der Anteil der in Westeuropa produzierten Kraftfahrzeuge von heute 15 Prozent bis zum Jahr 2030 auf unter 5 Prozent sinken wird. „Die 25 größten Autohersteller kommen heute zusammen nur noch auf 20 Prozent der Marktkapitalisierung der 15 größten Technologieunternehmen“, erläutert Dieter Becker, Global Head of Automotive bei KPMG. 2010 seien es noch annähernd 60 Prozent gewesen. Das zeige ganz klar, dass die Digitalkonzerne finanziell inzwischen in einer ganz anderen Liga spielten. Vor allem für die Massenhersteller führe daher kein Weg an Fusionen vorbei, wenn sie den Kampf ums Überleben gegen die Technologiegiganten nicht verlieren wollten. „Die Premiumanbieter sind sicher besser aufgestellt, haben aber auch schon die Zeichen der Zeit erkannt, indem sie in Bereichen wie Kartendienste oder Ladestationen für Elektroautos zusammenarbeiten“, so Becker weiter.

Über die Hälfte der Entscheider (56 Prozent) sind sich schon heute mehr oder weniger sicher, dass die Zahl der Autohandlungen bis 2025 um 30 bis 50 Prozent sinken wird. „Fast 80 Prozent der Führungskräfte sind davon überzeugt, dass der einzige Ausweg zum Überleben für Händler darin besteht, das Geschäft in einen Dienstleistungsstützpunkt oder eine zentrale Anlaufstelle für Gebrauchtwagen zu verwandeln“, ergänzt Dieter Becker.

Datensicherheit zählt künftig zur Grundausstattung

Über 80 Prozent der Entscheider sind überzeugt, dass die Verwertung der Fahrzeug- und Fahrerdaten künftig den Hauptbestandteil des Geschäftsmodells der Autobranche ausmachen werden. Der Begriff der Grundausstattung muss deshalb nach Ansicht der Studienmacher neu definiert werden: 85 Prozent der Führungskräfte und drei von vier Kunden sind überzeugt, dass Daten- und Cybersicherheit künftig Voraussetzung für den Kauf eines Autos sein werden. Und damit ist die Elektrifizierung der Fahrzeuge noch nicht am Ende, obwohl es in puncto Elektroautos langsamer vorangeht, als mancher glauben mag. So wird die weltweite Autoproduktion noch vor Ende des Jahrzehnts die 100 Millionen-Marke knacken. In über 700 Fabriken werden heute rund 3.000 verschiedene Modelle produziert, von denen allerdings nur zwei Prozent reine Elektrofahrzeuge sind.

„Auch, wenn immer wieder vom Durchbruch der E-Mobilität zu hören ist: es wird künftig keineswegs nur noch Elektroautos geben“, ist Dieter Becker überzeugt. Drei der vier wichtigsten Herausforderungen der Automobilbranche, wenn es um die E-Mobilität geht, sind produktbezogen. Die Ergebnisse der KPMG Studie zeigen, dass für die befragten Führungskräfte die Kosten von Elektroautos (30 Prozent) und die zu schaffende Lade-Infrastruktur (28 Prozent) die wichtigsten Aufgabenfelder darstellen, gefolgt vom regulatorischen Umfeld (25 Prozent). Der ökologische Fußabdruck der als umweltfreundlich vermarkteten Fahrzeuge spielt mit 18 Prozent dagegen eine eher geringe Rolle.

Dennoch wird eine Betrachtung der Umweltverträglichkeit über den vollständigen Lebenszyklus eines Elektromobils immer relevanter. Während BEVs (Battery Electric Vehicle – also batteriebetriebene Fahrzeuge) beim Fahren keine direkten CO2-Emissionen ausstoßen, werden diese sehr wohl bei der Produktion der Fahrzeuge, der Batterien und nicht der zum Laden verwendeten Energie freigesetzt. Abhängig von den einer Berechnung zugrundeliegenden Parametern müssen BEVs daher einige hunderttausend Kilometer zurücklegen, damit sich die ökologischen Ergebnisse der Elektromobilität als positiv erweisen.

Hersteller müssen Service-Verhalten umstellen

Rund um das Thema „Laden von Elektrofahrzeugen“ haben die Studienmacher eine ganze Reihe von offenen Fragen aufgegriffen, zu denen auch die im Vergleich zum Tankvorgang hohe Zeitdauer für den Laden der Batterien eines Elektrofahrzeugs gehört. Modelle wie der Tausch von Batterien, wie sie in China existierten seien erst der Anfang. Die Hersteller müssen sich laut der KPMG-Studie in ihrem Service-Verhalten gegenüber den Kunden umstellen.

Auf absehbare Zeit werden nach Ansicht der Experte auch weiterhin die unterschiedlichen Antriebe nebeneinander existieren. Beim Diesel gingen die Meinungen auseinander: Die Hälfte der Führungskräfte gehe davon aus, dass dieser auf absehbare Zeit eine Option sein werde. Dem widersprächen allerdings zwei von drei Kunden, in Westeuropa sogar 70 Prozent.

Brennstoffzellen-Elektrofahrzeuge sind bei vielen der befragten Führungskräfte bis zum Jahr 2025 der wichtigste Trend bei Antriebskonzepten und haben nach den Beobachtungen von KPMG in den letzten vier Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. So genannte FCEVs (Fuel Cell Vehicle) fallen ebenfalls in die Kategorie der Elektrofahrzeuge, auch wenn sich die technologischen und ökologischen Implikationen von denen der batteriebetriebenen Fahrzeuge signifikant unterscheiden. Die große Mehrheit der von KPMG befragten Führungskräfte glaubt, dass FCEVs der eigentliche Durchbruch für die Elektromobilität sein werden. Dieser Optimismus ist im Vergleich zum letzten Jahr leicht zurückgegangen, aber überwältigende 77 Prozent der Führungskräfte stimmten immer noch absolut oder teilweise zu.

FCEVs haben mehrere Vorteile gegenüber BEVs

In Bezug auf die Energiespeicherung haben FCEVs nach Überzeugung der Analysten den Vorteil, dass als Rohstoff für Wasserstoff nur Wasser oder Erdgas benötigt wird. Überkapazitäten bei der Energieerzeugung könnten daher in Form von Wasserstoff leicht gespeichert werden (eine zunehmend wichtige Herausforderung bei der Erzeugung erneuerbarer Energien). Über 75 Prozent der Führungskräfte glaubten daher, dass dies eine günstigere Energiespeicherlösung im Vergleich zu herkömmlichen Batterien sein wird. Ein weiterer Vorteil von FCEVs und ein entscheidender Grund für die befragten Führungskräfte an FCEVs zu glauben, sei, dass die Ladeinfrastruktur-Herausforderungen von BEVs nicht existierten. Da Wasserstoff ähnlich wie Benzin oder Diesel physikalisch transportiert werden könne, könnte der Tankvorgang an traditionellen Tankstellen ebenfalls schnell durchgeführt werden

Erst wenige fahren auf Car Sharing ab

Car Sharing ist in Deutschland zwar ein wachsender Markt, aber immer noch eine zu vernachlässigende Größe. Einer Fahrzeugflotte von 45 Millionen Fahrzeugen stehen nur 16.000 Car Sharing-Autos gegenüber, das ist ein Marktanteil von 0,04 Prozent. Doch das Statussymbol „mein Auto“ verliert nach Überzeugung von KPMG zunehmend an Bedeutung: 55 Prozent der Autofahrer wären bereit, auf ein eigenes Fahrzeug zu verzichten, wenn Car Sharing-Möglichkeiten breitflächiger angeboten und noch leichter zu nutzen wären. Und fast die Hälfte (43 Prozent) meint, dass die Hälfte der Autobesitzer, die sie kennen, schon 2025 kein eigenes Fahrzeug mehr besitzen will. (ig)