Fertigungsindustrie steht vor neuer Ära

 Fertigungsindustrie steht vor neuer Ära

Wachstumsmärkte entstehen in den unterschiedlichsten Segmenten. Beispiele sind die erneuerbaren Energien, alternative Mobilitätsdienste, autonome Fahrzeuge, Industrie- und Haushaltsroboter sowie das Internet der Dinge. Bild: Intel

Die Innovationen des Jahres 2017 geprägt reichen von autonomen Taxidrohnen bis hin zu Maschinen zur personalisierten DNA-Dekodierung. Ermöglicht werden sie durch eine Welle von Megatrends. Die Innovationen sind Indikatoren für die Entstehung neuer Produkt- und Servicemärkte. Experten der Strategieberatung Oliver Wyman haben errechnet, dass diese bereits 2025 Umsätze von mehr als einer Billion US-Dollar erreichen werden. Gerade Industrieunternehmen bieten die neuen Märkte gewaltige Chancen, wie der jetzt veröffentlichte Branchenreport „Perspectives on Manufacturing Industries“ von Oliver Wyman zeigt.

Die Wachstumsmärkte entstehen in den unterschiedlichsten Segmenten der Wirtschaft. Allgegenwärtige Beispiele sind die erneuerbaren Energien, alternative Mobilitätsdienste, autonome Fahrzeuge, Industrie- und Haushaltsroboter sowie das Internet der Dinge. Hinzu kommen aber auch Themen wie maschinelle DNA-Sequenzierung, Gewebezüchtung, kommerzielle Drohnen und künstliche Intelligenz (KI) in Unternehmen. 2025 werden die neuen Produkt- und Servicemärkte Oliver Wyman-Berechnungen zufolge mehr als eine Billion US-Dollar wert sein.

Ähnlich, aber anders

Ähnliche Innovationsschübe, ausgelöst durch Megatrends, führen die Analysten an, habe es schon in der Vergangenheit gegeben, sie fänden in Zyklen statt. 1910 hätten Elektrizität, Öl, Chemie und Automobil zur Massenproduktion und zur modernen Stadt geführt. 1960 Computer, Automatisierung, Telekommunikation und Flugreisen das Zeitalter der Globalisierung und der „schlanken“ Industrieproduktion eingeläutet. Aktuell seien es Künstliche Intelligenz, Sharing Economy und Vernetzung, die die Tür zu einer neuen Ära aufstießen. Es gebe allerdings einen entscheidenden Unterschied zwischen einst und heute. Damals habe der Zeithorizont für eine Innovationswelle 50 bis 60 Jahre betragen, heute seien es nur noch 10 bis 20 Jahre.

„Die Welle an Megatrends, die wir jetzt erleben, ist für die deutsche Fertigungsindustrie eine bislang nicht gekannte Herausforderung“, ist Thomas Kautzsch, Leiter des Beratungsbereichs Automotive und Manufacturing Industries bei Oliver Wyman, überzeugt. Zugleich böten die neu entstehenden Märkte eine unvergleichliche Gelegenheit für die Unternehmen, alles anders zu machen als bisher und neue Produkt- sowie Servicemärkte zu erschließen.

Der Marktführer bekommt den Löwenanteil des Gewinns

Das jedoch werde kein Selbstläufer werden. Die deutsche Fertigungsindustrie werde auf die Konkurrenz von großen – vor allem amerikanischen – Start-ups stoßen, die diese Märkte ebenfalls bedienen wollten und meist besser finanziert seien als die hiesigen Unternehmen. Zudem basierten die neuen Geschäftsmodelle in der Regel auf Software, Daten und Netzwerkeffekten. Das bedeute, dass nur der Marktführer gewänne. Mithin müssten die Unternehmen sämtliche Ressourcen bündeln, alles auf eine Karte setzen und die Marktführerschaft anstreben – statt sich wie bisher in zu vielen kleineren Projekten zu verzetteln, raten die Analysten.

„Das sind grundlegend andere Erfolgsfaktoren als bislang, und das führt die Fertigungsindustrie aus ihrer bisherigen Komfortzone“, glaubt Daniel Kronenwett, Principal bei Oliver Wyman. Denn die deutschen Fertigungsunternehmen hätten in den letzten Jahren aufgrund von günstigem Eurokurs, niedrigen Zinsen und einer hohen Nachfrage solide Wachstumsraten zu verzeichnen gehabt. Das bestehende Geschäftsmodell habe funktioniert. „Doch Unternehmen, die auch in den nächsten 40 bis 50 Jahren noch vorne mit dabei sein wollen, müssen sie jetzt die Chance ergreifen“, warnt Kronenwett.

Fähigkeiten neu arrangieren

Dazu gehört nach Überzeugung von Oliver Wyman, dass die Unternehmen analysieren, wie die Megatrends ihr spezifisches Geschäftsmodell sowie ihre Kunden betreffen und wie sie sich vor diesem Hintergrund neu aufstellen können. Lösungen seien nicht einfach, da viele künftige Marktchancen häufig außerhalb des Kerngeschäfts der etablierten Unternehmen lägen. Unternehmen der Fertigungsindustrie müssten mithin ihre Fähigkeiten neu arrangieren, um tragfähige Geschäftsmodelle für die Zukunft aufzusetzen. Zu den entsprechenden Instrumenten gehörten zum Beispiel die In-house-Entwicklung von Angeboten, der Kauf von Start-ups, die Pioniere auf ihrem Gebiet sind, das Eingehen von Partnerschaften oder das Aufsetzen eines In-house-Start-up-Fonds.

Oliver Wyman-Experte Kautzsch: „Zu welcher Lösung die einzelnen Unternehmen für sich auch immer kommen, klar ist: Jetzt ist die Zeit, weniger über die Optimierung des bestehenden Geschäfts nachzudenken als vielmehr darüber, wie man die Chancen in den neuen Märkten ergreift und gewinnt.“ (ig)