Spezialchemikalien aus Kohlendioxid und Bakterien

 Spezialchemikalien aus Kohlendioxid und Bakterien

Bis zum Jahr 2021 soll eine erste Versuchsanlage am Evonik-Standort im nordrhein-westfälischen Marl in Betrieb gehen, die Chemikalien wie Butanol oder Hexanol erzeugt. Bild: Evonik Industrie AG

Evonik und Siemens wollen Kohlendioxid (CO2) mithilfe von Strom aus erneuerbaren Quellen und Bakterien in Spezialchemikalien umwandeln. Hierzu arbeiten die beiden Unternehmen im Forschungsprojekt Rheticus an Elektrolyse- und Fermentationsprozessen zusammen. Das Projekt hat eine Laufzeit von zwei Jahren.

Bis zum Jahr 2021 soll eine erste Versuchsanlage am Evonik-Standort im nordrhein-westfälischen Marl in Betrieb gehen, die Chemikalien wie Butanol oder Hexanol erzeugt – beides Ausgangsstoffe beispielsweise für Spezialkunststoffe oder Nahrungsergänzungsmittel. Im nächsten Schritt könnte eine Anlage mit einer Produktionskapazität von bis zu 20.000 Tonnen pro Jahr entstehen. Denkbar ist auch die Herstellung von anderen Spezialchemikalien oder Treibstoffen. Beteiligt sind rund 20 Wissenschaftler beider Unternehmen.

„Wir entwickeln eine Plattform, mit der chemische Produkte günstiger und umweltfreundlicher als heute produziert werden können“, erläutert Dr. Günter Schmid, technischer Verantwortlicher bei Siemens Corporate Technology. „Auf Basis unserer Plattform können Betreiber ihre Anlagen künftig je nach Bedarf skalieren.“ Die eingesetzte Technologie vereine mehrere Vorteile. Mit ihr ließen sich nicht nur Chemikalien nachhaltig produzieren, sie diene zudem als Energiespeicher, könne auf Stromschwankungen reagieren und dazu beitragen, das Stromnetz zu stabilisieren. „Rheticus steht im Zusammenhang mit der Kopernikus-Initiative für die Energiewende in Deutschland, die nach neuen Lösungen für den Umbau des Energiesystems sucht“, so Schmid weiter. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert Rheticus mit 2,8 Millionen Euro.

Kombination von chemischen und biologischen Schritten

„Mit der Rheticus-Plattform wollen wir zeigen, dass künstliche Photosynthese machbar ist“, erklärt Dr. Thomas Haas, verantwortlich für das Projekt der Creavis, der strategischen Innovationseinheit von Evonik. Künstliche Photosynthese meint, dass mit einer Kombination von chemischen und biologischen Schritten CO2 und Wasser in Chemikalien umgewandelt werden – ähnlich wie es Pflanzen mithilfe von Chlorophyll und Enzymen tun, um Glukose zu synthetisieren.

In die Forschungskooperation bringen Siemens und Evonik jeweils ihre Kernkompetenzen ein. Siemens liefert die Elektrolysetechnik, mit der im ersten Schritt Kohlendioxid und Wasser mit Strom in Wasserstoff und Kohlenmonoxid (CO) umgewandelt werden. Evonik steuert das Fermentationsverfahren bei, also die Verwandlung CO-haltiger Gase zu Wertstoffen durch Stoffwechselprozesse mithilfe spezieller Mikroorganismen. Im Rheticus-Projekt werden beide Schritte – Elektrolyse und Fermentation – aus dem Labormaßstab in einer technischen Versuchsanlage zusammengeführt.

Kohlendioxidbelastung der Atmosphäre reduzieren

Die Erzeugung von Chemikalien mithilfe von Strom ist eine Idee des Power-to-X-Konzeptes. Als eine der vier Säulen der Kopernikus-Initiative soll es helfen, erneuerbare, elektrische Energie sinnvoll umzuwandeln und zu speichern. Zugleich trägt die Rheticus-Plattform dazu bei, die Kohlendioxidbelastung der Atmosphäre zu reduzieren, da das CO2 als Rohstoff verwendet wird. So würde beispielsweise die Herstellung von einer Tonne Butanol drei Tonnen Kohlendioxid benötigen.

Evonik und Siemens sehen in der Rheticus-Plattform großes Potential für die Zukunft. So lasse sich die gewünschte Größe von Anlagen einfach verwirklichen – die chemische Industrie könne sie flexibel an lokale Gegebenheiten anpassen. Anlagen könnten künftig überall dort installiert werden, wo CO2 vorhanden sei – etwa aus Kraftwerksabgasen oder Biogas.

„Der modulare Charakter und die Flexibilität hinsichtlich Standort, Rohstoffquellen und den hergestellten Produkten machen die neue Plattform insbesondere für die Spezialchemie attraktiv“, ist Haas überzeugt. „Wir setzen darauf, dass auch andere Firmen die Plattform nutzen und mit eigenen Modulen zur Herstellung ihrer chemischen Produkte verknüpfen.“ ergänzt Schmid. (ig)