Gut aufgelegt mit Patch Placement

 Gut aufgelegt mit Patch Placement

Der Vorteil gegenüber dem 3D-Druck ist nach Aussage von Manz, dass mit Patch Placement wesentlich höhere Materialdurchsätze und kürzere Produktionszyklen möglich sind. Bild: Audi

Ein neues additives Fertigungsverfahren etabliert sich neben dem 3D-Druck: Mit Patch Placement eröffnet der Hightech-Maschinenbauer Manz neue Konstruktionsmöglichkeiten und liefert einen wichtigen Baustein für die sich selbst organisierende Produktion der Zukunft.

Eine neue Technologie könnte die Produktion von medizinischen Gehhilfen erleichtern. Dabei scannt ein Orthopäde das Bein seines Patienten und übermittelt die Daten per E-Mail an den Hersteller der Gehhilfen. Daten wie die Maße des Patienten, dessen Gewicht, die gewünschte Farbe der Gehhilfen und die für den Heilungsprozess maximal zulässige Beweglichkeit. Kurz darauf wird die personalisierte Orthese beim Medizintechnikhersteller aufgelegt. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Lage für Lage. Als Unikat, vollautomatisiert.

Patch Placement heißt das dafür verwendete neuentwickelte Verfahren von Produktionssystem-Spezialist Manz. Flexible Materialien von der Rolle werden von einem Laser in die benötigten Konturen geschnitten – die sogenannten Patches. Diese Patches werden anschließend im Schichtbauprinzip additiv miteinander verbunden, zum Beispiel mit einer Laserschweißung. Eingesetzt wird Patch Placement nicht nur in der Medizintechnik, sondern auch in der kundenindividuellen Massenproduktion in der Schuhindustrie oder zur Fertigung maßgeschneiderter Sportgeräte. Anwendungen für die Automobilindustrie und den Flugzeugbau sind gerade in der Entwicklung. Zum Beispiel, um die Materialstruktur rund um Bohrlöcher für Anbauteile oder Nieten lokal zu verstärken.

Deutlich schneller als 3D-Druck

Zur Verarbeitung eignen sich alle „abwickelbaren“ und „biegeschlaffen“ Werkstoffe wie Textilfasern, Kunststoff- und metallisierte Folien oder Faserverbund-Werkstoffe wie zum Beispiel Carbon Composites. Diese lassen sich mit Patch Placement zu geometrisch komplexen Strukturen formen – mit hoher Stabilität bei gleichzeitig geringstmöglichem Materialeinsatz und damit Gewicht. Nur an Stellen, die erhöhter mechanischer Belastung ausgesetzt sind, trägt Patch Placement etwas dicker auf und bedient so höchste Leichtbauansprüche.

Es gibt laut Entwickler Manz fast keinen Materialverschnitt, verschiedene Materialien und Farben lassen sich „von der Rolle“ oder exakter, mehreren Rollen kombinieren, ohne dass eine Anlage aufwändig umgerüstet werden muss. Während an der Oberfläche eines Produkts beispielsweise die Haptik und die Optik zählen, können im Inneren steifere Materialien in einer ganz bestimmten Struktur verarbeitet werden. Der Vorteil gegenüber dem 3D-Druck ist nach Aussage von Manz, dass mit Patch Placement wesentlich höhere Materialdurchsätze und kürzere Produktionszyklen möglich sind.

Mehr als nur Prototypenbau

„In der Konstruktion ergeben sich mit Patch Placement ganz neue Freiheiten, und zwar über das Rapid Prototyping hinaus“, sagt Dr. Martin Steyer, der bei Manz den Bereich Integrated Solutions leitet. Vor allem drei Vorteile sieht er für Konstrukteure: Zum einen ermögliche Patch Placement mit seinen frei programmierbaren Achsen eine enorme Vielfalt an komplexen und hochintegrierten Produktgeometrien. Hinterschnitte, Hohlräume oder Fluid-Ströme in jeder Lage – alles sei möglich. Ohne Umspannen, ohne dass Bauteile zusammengesetzt werden müssten. Patch Placement ermögliche Konstrukteuren mit seinen frei programmierbaren Achsen eine enorme Vielfalt an komplexen und hochintegrierten Produktgeometrien. Zudem ließen sich Materialien mit ganz unterschiedlichen Eigenschaften kombinieren. Schließlich würden Entwürfe sofort Massen-produktionstauglich, wenn Konstrukteure mit denselben Anlagen arbeiteten, wie auch die Fertigung selbst.

Der zweite große Vorteil ist laut Dr. Steyer, dass Materialien mit ganz unterschiedlichen Eigenschaften kombiniert werden können. Zum Beispiel ließen sich poröse Materialien in ein Bauteil integrieren, wenn Kühlmittel nah an eine ganz bestimmte Stelle geleitet werden sollen. Und schließlich würden sich Konstrukteure weniger den Kopf zerbrechen müssen, ob ihre Entwürfe auch massenproduktionstauglich seien, wenn sie mit denselben Anlagen arbeiteten, wie auch die Fertigung selbst.

Software-gesteuert umrüsten

Patch-Placement-Anlagen sind autark aufgebaut und lassen sich deshalb in bestehende Fertigungslinien integrieren. Vorausgesetzt, die Fertigungslinie ist komplett digitalisiert. Denn nur dann werden sich kundenindividuelle Produkte wie Großserienprodukte fertigen und ihre Lieferzyklen deutlich beschleunigen lassen. Um dieses Ziel zu erreichen, wird eine weitere Eigenschaft von Patch Placement relevant: Das Verfahren ist nicht an Werkzeugformen gebunden und lässt sich somit allein software-gesteuert umrüsten.

Für Martin Steyer von Manz ist das Verfahren damit ein wichtiger Baustein einer sich selbst organisierenden Produktionslinie, auf der sich auch kleinere Stückzahlen prozesssicher und kosteneffizient herstellen lassen und die Modellwechsel in Echtzeit zulässt: „Das Patch Placement-Verfahren bietet sich für all jene Hersteller an, die mit einer nur schwer beherrschbaren Variantenvielfalt ihrer Produkte zu kämpfen haben und deshalb höchste Anforderungen an die Flexibilität in der Fertigung stellen.“ Im Verbund mit webbasierten Entwicklerplattformen oder Produkt-Konfiguratoren, digitalen Materialdatenbanken und einer logikbasierten Mustererzeugung ließen sich externe Entwickler und sogar Kunden, also auch Konsumenten, künftig direkter in einem Produktionsprozess einbeziehen. (ig)