Dichtungen für klimafreundliche Umspannwerke

 Dichtungen für klimafreundliche Umspannwerke

In Zeiten von Energiewende und Netzausbau stehen aber viele Umspann- und Verteilerwerke in urbanen Räumen, wo nicht genügend Platz vorhanden ist. Bild: Freudenberg

In Umspannwerken kommt als Löschgas bislang Schwefelhexafluorid (SF6) zum Einsatz, das 22,800-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid ist. Daher arbeiten Betreiber und Anbieter daran, künftig CO2 als Schutzgas einzusetzen. Freudenberg Sealing Technologies hat neue Spezialdichtungen mit der Bezeichnung 70 CIIR 236460 entwickelt, die zum einen die hohen Anforderungen an Temperatur- und Medienbeständigkeit erfüllen, zum anderen das CO2-Molekül sicher im Inneren der Schaltanlagen halten.

Umspannwerke nehmen in der Stromverteilung eine wichtige Rolle ein: Sie verbinden die Überlandleitungen, auf denen der Strom mit einer Spannung von mindestens 110.000 Volt transportiert wird, mit den lokalen Verteilnetzen, die mit Spannungen zwischen 10.000 und 30.000 Volt arbeiten. Die Spannungsdifferenz führt in Verbindung mit einer hohen Stromdichte dazu, dass an den Schaltern der Transformatoren immer wieder Lichtbögen entstehen – die Luftmoleküle werden dabei energetisch so aufgeladen, dass sie einen Plasmazustand annehmen.

Umspann- und Verteilerwerke in urbanen Räumen

Eine Möglichkeit, Lichtbögen zu verhindern: Die Schaltanlagen werden entsprechend groß ausgelegt, so dass ausreichend viel Abstand zwischen den Kontakten verbleibt. In Zeiten von Energiewende und Netzausbau stehen aber viele Umspann- und Verteilerwerke in urbanen Räumen, wo nicht genügend Platz dafür vorhanden ist. Deshalb werden stattdessen die Schalter für Hoch- und Mittelspannung mit einen Schutzgas gefüllt. Werden sie geöffnet, dann sorgt das Gas dafür, dass sich die Ladung rasch voneinander trennt und kein Lichtbogen entsteht. Und wenn dies doch einmal der Fall sein sollte, dann löscht das Gas den Lichtbogen, so dass die Schaltung weiterhin sicher funktioniert.

Ein Schutzgas, das diese Anforderungen besonders gut erfüllt, ist Schwefelhexafluorid (SF6). Es wird unter hohem Druck in die Schalter gefüllt und hat dann als Isolierwerkstoff eine sehr hohe Durchschlagfestigkeit – das komprimierte Gas kann die elektrische Ladung auch unter Hochspannung sicher voneinander trennen. Da das Molekül relativ „groß“ ist, wandert es nur sehr langsam durch Gummi hindurch – also auch durch die O-Ringe und Spezialdichtungen, die beispielsweise den Durchgang der Stromleitungen durch das Gehäuse eines Schalters abdichten.

Suche nach Alternativen

Das Schutzgas hat aber auch einen großen Nachteil. Denn es ist um den Faktor 22.800 klimaschädlicher als Kohlendioxid. In einer Verordnung zu Verringerung von fluorierten Treibhausgasen hat die Europäische Union die verfügbaren Mengen an Gasen wie SF6 schrittweise beschränkt und damit die Suche nach Alternativen in Gang gesetzt. Inzwischen ist etwa eine Handvoll möglicher Stoffe auf Basis von Kohlendioxid identifiziert. Sie sind weitaus klimafreundlicher, haben aber auch einen großen Nachteil: Sie wandern viel leichter durch den Dichtungswerkstoff.

„Das ist wie bei einem Luftballon“, beschreibt Dr. Robert Rotzoll, Materialentwickler bei Freudenberg Sealing Technologies. „Am Anfang ist er prall gefüllt, doch über die Zeit entweicht die Luft oder das Helium durch die Gummioberfläche.“ Den Vorgang, bei dem ein Gas einen Festkörper durchdringt oder durchwandere, nenne man Permeation, und die sei eben bei dem kleinen und chemisch anders aufgebauten CO2-Molekül viel höher als bei SF6.

Temperatur- und Medienbeständigkeit

Die Materialexperten von Freudenberg Sealing Technologies entwickelten aus diesem Grund zwei neue Werkstoffe. Sie erfüllen die höheren Anforderungen von Kohlendioxid an die Permeation, ohne Einbußen bei der Temperatur- und Medienbeständigkeit zu haben. So müssen die Dichtungen nicht nur Temperaturen von 100 Grad Celsius, sondern auch bis minus 50 Grad Celsius aushalten, um sich auch für Schaltanlagen in kalten Weltregionen zu eignen. Gleichzeitig muss der Dichtungswerkstoff eine hohe Lebensdauer haben und zu diesem Zweck gegenüber aggressiven Medien wie zum Beispiel Ozon beständig sein, die von außen auf die Dichtung einwirken.

Während der eine Werkstoff aus EPDM-Kautschuk entwickelt wurde, verwendet die zweite Lösung mit der Bezeichnung 70 CIIR 236460 einen Synthesekautschuk auf Chlorbutyl-Basis (CIIR) – ein Material, das sich durch eine geringe Durchlässigkeit gegenüber Gasen und Flüssigkeiten auszeichnet und das deswegen auch in der Reifenindustrie verwendet wird. „Die neuen Dichtungen für klimafreundliche Alternativgase sind fertig entwickelt. Die Variante 70 CIIR 236460 auf Chlorbutyl-Basis haben wir bereits in Prototypen-Schalter eingebaut“, berichtet Rotzoll. Freudenberg Sealing Technologies wird die neuen Dichtungen jetzt gemeinsam mit seinen Kunden erproben – damit klimafreundlich erzeugter Strom künftig noch klimafreundlicher transportiert werden kann. (ig)