Tragbares Exoskelett hilft Schlaganfallpatienten

 Tragbares Exoskelett hilft Schlaganfallpatienten

Das Ganzkörper-Exoskelett erfasst kinematisch annähernd den gesamten Bewegungsraum des menschlichen Körpers. Bild: Biermann Medizin

Der Einsatz von Robotern ist in der Medizin längst Alltag und auch für die Rehabilitation spielen robotische Systeme eine immer größere Rolle. Im nun abgeschlossenen Projekt Recupera-Reha gelang dem Robotics Innovation Center des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) ein Durchbruch auf dem Gebiet der Rehabilitationsrobotik: Gemeinsam mit der Rehaworks GmbH entwickelte es ein mobiles Exoskelett für die Oberkörperassistenz speziell zur rehabilitativen Therapie nach einem Schlaganfall.

Über drei Jahre arbeitete ein interdisziplinäres Forscherteam des DFKI an der Konzeption eines innovativen tragbaren Ganzkörper-Exoskeletts zur äußeren Unterstützung des menschlichen Bewegungsapparates. Darauf aufbauend entwickelte es ein in der medizinischen Rehabilitation mittelfristig einsetzbares robotisches Teilsystem. Als Anwendungsszenario wählten die Bremer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Therapie bei Schlaganfallpatienten. Hierbei konnten sie zeigen, dass Exoskelette zur Umsetzung klassischer Therapiemaßnahmen einsetzbar sind, indem diese beispielsweise Anwendungen des „Assistive Daily Living“, wie das Greifen und Heben von Objekten, ermöglichen.

„Nach einem Schlaganfall hilft physiologisches Training, das den Menschen an bestimmte Bewegungen wieder heranführt“, erläutert Neurobiologin und Projektleiterin Dr. Elsa Andrea Kirchner. „Nur so können gesunde Bereiche des Gehirns die Funktionen der zerstörten Bereiche übernehmen. Unsere Exoskelette ermöglichen Patienten intensives und nachhaltiges Training, wodurch sie verlorengegangene motorische Fähigkeiten wiedererlangen können“

Das Ganzkörper-Exoskelett erfasst kinematisch annähernd den gesamten Bewegungsraum des menschlichen Körpers. Die Oberkörperkonstruktion dient dabei der Rehabilitation, die von der flexiblen Beinkonstruktion getragen wird. Im Gegensatz dazu trägt sich das Teilsystem nicht selbst, sondern ist an einen Rollstuhl befestigt. Zum Aufbau der Exoskelette erarbeiteten die DFKI-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler innovative Methoden im Leichtbau sowie in der Antriebstechnologie und Regelungstechnik. Die mechatronischen Ansätze kombinierten sie mit einem neuen System zur Online-Auswertung von Elektroenzephalografie- und Elektromyografie-Signalen (EEG-/EMG-Signalen), wodurch eine Einschätzung des Zustands des Patienten sowie eine mehrstufige Unterstützung der Regelung möglich ist. Der Verbundpartner Rehaworks GmbH betrachtete im Rahmen des Projekts die Anforderungen an medizinische Geräte und evaluierte dahingehend kontinuierlich die Systeme.

Drei verschiedene Steuerungsmodi für eine variable Oberkörperassistenz

Für das robotische Teilsystem untersuchten die Forscherinnen und Forscher verschiedene Ansätze der rehabilitativen Therapie, die sie im Rahmen einer Anwenderstudie mit Schlaganfallpatienten evaluierten. Der Patient im Exoskelett oder eine dritte Person können das System betätigen und zwischen drei verschiedenen Steuerungsmodi wählen: Im ersten Modus lässt sich durch die Bewegung eines Armes, der andere mitbewegen – dieser führt dann exakt die gleiche Bewegung aus, wie der vom Patienten bewegte Arm. Auf diese Weise ist das Exoskelett für eine Spiegeltherapie einsetzbar, die nicht nur visuelle, sondern auch propriozeptive Stimulation – das heißt die Stimulation der eigenen Körperwahrnehmung – bietet.

Der zweite Modus ermöglicht die Steuerung der Bewegung, die von einer dritten Person, beispielsweise dem Therapeuten, durch Führung eintrainiert wurde und so im Sinne einer repetitiven Therapie beliebig oft ausführbar ist. Im dritten Modus kann das Exoskelett auf Basis der Muskelaktivität des Patienten (die bei der Patientengruppe noch geringfügig vorhanden ist) gesteuert werden. Dies erfolgt durch die Messung der Elektromyografie-Signale (EMG-Signale), woraus das System die Bewegungsabsicht des Patienten ableiten und ihn in seinen Bewegungsabläufen intuitiv unterstützen kann.

Neuer Weg in der Mensch-Roboter-Interaktion

„Mit Recupera-Reha ist es uns gelungen, einen neuen Weg in der Mensch-Roboter-Interaktion einzuschlagen, der zu einer nachhaltigen Verbesserung der Rehabilitation führen kann“, so Professor Frank Kirchner, vom Robotics Innovation Center des DFKI. „Wir hoffen, dass wir die Exoskelette in den kommenden Jahren weiterentwickeln können, um sie noch leichter und flexibler zu machen und gleichzeitig im Bedarfsfall noch mehr Unterstützung zu bieten“.

Das Forschungsprojekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Projektträger Softwaresysteme und Wissenstechnologien (PT-SW) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) mit knapp drei Millionen Euro gefördert. (ig)