Ringspann: Neuer Dehnhülsen-Spanndorn für den Motorsport

 Ringspann: Neuer Dehnhülsen-Spanndorn für den Motorsport
In der Herstellung von kundenspezifischen Getriebe-Zahnrädern für den Motorsport gelten höchste Anforderungen an die geometrische Genauigkeit. Beim Schleifen von Hochpräzisions-Stirnrädern für Motorsport-Getriebe konnte der neue Mechanische Dehnhülsen-Spanndorn HDDS von Ringspann seine Leistungsfähigkeit nun erstmals unter Extrembedingungen unter Beweis stellen.

Während Automobil-Hersteller für Getriebe-Zahnräder im Allgemeinen eine Verzahnungsgüte im Bereich 6 nach DIN 3961 erwarten, werden für den Rennsport höhere Verzahnungsqualitäten der Stufen 4 oder 5 benötigt. „Solche extremen Qualitätsanforderungen prozesssicher zu realisieren stellt höchste Ansprüche an Maschinen, Werkzeuge und Mitarbeiter. Und weil auch die eingesetzten Spannmittel hierbei eine ganz entscheidende Rolle spielen, halten die Verzahnungstechniker stets die Augen offen nach Optimierungspotenzial auf diesem Gebiet“, berichtet Volker Schlautmann.

Der Leiter der Sparte Spannzeuge beim Antriebskomponentenhersteller Ringspann kennt die wachsenden Qualitätsansprüche in der Verzahnungstechnik nur zu gut. Er hat einen neuen und inzwischen patentierten Mechanische Dehnhülsen-Spanndorn erdacht – den HDDS. Einem größeren Fachpublikum wurde dieses innovative Innenspannsystem erstmals auf der Fachmesse AMB 2016 als hochpräzise und auch wirtschaftlich attraktive Alternative zu hydraulischen Dehnspannzeugen präsentiert.
Alternative zur Hydraulik
Schlautmann zufolge punktet der neue Spanndorn mit einer Rundlaufgenauigkeit von ≤ 5 µm und kann Werkstücke mit Bohrungen bis zur Toleranzklasse IT10 aufnehmen. Außerdem wurde er mit dem Ziel entwickelt, beim vollautomatisierten Einsatz den Aufwand für die nötige Zuführ- und Positioniertechnik erheblich zu senken: „Wir haben damit die Neugier vieler Verzahnungsspezialisten geweckt, die nun aber auch wissen wollen, was der neue HDDS in ihren Maschinen beim hochgenauen Schleifen von Stirnrädern de facto zu leisten vermag. Messtechnisch nachweisbar, versteht sich“, betont Schlautmann.
Aus diesem Grund machte er sich mit dem neuen Mechanische Dehnhülsen-Spanndorn im Gepäck auf den Weg zum Praxistest in das Stammwerk eines namhaften schweizerischen Spezialisten für Zahnrad-Technologie. Dort hatte man bereits ein passendes Werkstück ausgewählt: Ein Präzisions-Stirnrad für das Sondergetriebe eines Sportwagens, der bei internationalen Langstrecken-Rennen an den Start gehen sollte.
Für die Bearbeitung kam ein Schleifzentrum Helix 400 von Höfner zum Einsatz. Dessen Bauraum verfügt über eine fest installierte hydraulische Basisaufnahme, in welche der HDDS vertikal eingespannt und zentrisch ausgerichtet werden konnte. Per Handspannung fixierten die Verzahnungstechniker anschließend ein neutrales Kontrollwerkstück, um daran die Plan- und Rundlauf-Genauigkeit des Mechanischen Dehnhülsen-Spanndorns mit einer Mikrometer-genauen, taktilen Messvorrichtung zu prüfen. Das Messgerät zeigte dabei für den Planlauf ≤ 2 µm und für den Rundlauf ≤ 3 µm an – für ein mechanisches Werkstück-Spannsystem ohne zusätzlichen Ausrichtaufwand beachtliche Genauigkeiten.
Nach diesen Vorbereitungen wurde nun – von oben zugeführt – eine Pinole montiert. Dabei stellte sich allerdings heraus, dass deren Verfahrweg einige Zentimeter zu kurz ausgelegt war, um den Dehnhülsen-Spanndorn von oben zu erreichen. Deshalb musste zur Überbrückung zunächst ein Zwischenstück eingesetzt werden, das sich jedoch nicht ausrichten ließ. Trotz dieser Improvisation wurde nun der Stirnrad-Rohling mit dem HDDS aufgespannt und der Schleifprozess gestartet.
Die Messungen überzeugen
Nach einer Bearbeitungszeit von etwa 13 Minuten ging es an die Überprüfung: Das fertig geschliffene Stirnrad wurde vom HDDS abgezogen und in einem Koordinaten-Messsystem des schweizerischen Unternehmens taktil vermessen. Das Resultat überraschte positiv: Die geometrische Genauigkeit der Evolventenverzahnung – mit diesem Fachbegriff aus der Mathematik bezeichnen die Verzahnungstechniker die kraftoptimierte Formgebung der Zahnflanken – lag weit innerhalb der Toleranzgrenzen. „Trotz des zusätzlichen Überbrückungselements zwischen Pinole und Werkstück wurden nur etwa 2/3 der zulässigen Toleranz ausgeschöpft“, betont Volker Schlautmann.
Angespornt durch die bis dahin erreichten Messergebnisse, starteten die Verzahnungstechniker einen weiteren Probelauf – diesmal allerdings ohne die von oben zugeführte Pinole. Hier erwies sich der neue Mechanische Dehnhülsen-Spanndorn wiederum als herausragend, denn: „Beim Schleifen ohne die Pinole fiel das Ergebnis sogar noch besser aus, da jetzt gerade einmal die Hälfte der erlaubten Toleranz ausgeschöpft wurde“, so Schlautmann. Auf diese Weise konnte sogar eine Verzahnungsqualität der Gütestufe 4 erreicht werden, ohne dass das Spannzeug erneut ausgerichtet wurde. „Es wurde einfach weiter gefertigt – aber eben ohne die Pinole. Die Ergebnisse haben unsere eigenen Erwartung nochmals übertroffen“, freut Spannzeug-Spezialist Schlautmann.
Höhere Genauigkeit bei weniger Aufwand
Mit seinem neuen Mechanischen Dehnhülsen-Spanndorn ist Ringspann also durchaus ein großer Wurf gelungen. Zahnrad-Herstellern und auch anderen Anwendern im Bereich der Feinzerspanung bietet sich damit eine überaus wirtschaftliche Alternative zu Hydrodehnspannzeugen. „Abgesehen von den mit dem HDDS erreichbaren hohen Genauigkeiten, ist auch die absolute Aufweitung unseres neuen Dehnhülsen-Spanndorns bis zu vier Mal größer. Das bedeutet für den Anwender nicht nur ein höheres Maß an Flexibilität in der Bearbeitung, sondern ist insbesondere auch für die einfache Umsetzung vollautomatisierter Fertigungskonzepte von großer Bedeutung“, erklärt Volker Schlautmann.
Dazu muss man wissen, dass hydraulische Dehnspanndorne physikalisch bedingt eine recht geringe Dehnrate haben. Das verlangt den für die Zuführung eingesetzten Handlingsystemen eine hohe Präzision ab, die meist nur mit erheblichen Mehrinvestitionen in Mess- und Steuerungstechnik erkauft werden kann. Mit dem neuen Mechanische Dehnhülsen-Spanndorn HDDS entfällt diese Problematik nun.
Spannen ohne Leckage-Risiko
Ein weiterer Vorteil des neuen Spanndorns besteht darin, dass er anders als hydraulische Spannsysteme keinem Leckage-Risiko unterliegt. Das bietet dem Anwender eine höhere Prozesssicherheit, denn eine undichte Stelle an einem Hydrodehnspannzeug ist immer gleichbedeutend mit Fehlfunktion, Ausbau aus der Maschine und Instandsetzung durch den Hersteller. „Wenn überhaupt, so unterliegen bei unserem neuen Mechanischen Dehnhülsen-Spanndorn lediglich die verwendeten Spannscheiben einem minimalen Verschleiß. Diese lassen sich aber vom Anwender sehr einfach austauschen; dazu muss der HDDS nicht mal von der Maschinenspindel genommen werden“, sagt Volker Schlautmann.
Erwähnt werden sollte schließlich noch, dass das neue Innenspannsystem von Ringspann auch problemlos für Werkstücke mit sehr kurzen Spannlängen eingesetzt werden kann. Der Grund dafür: Der neue Dehnhülsen-Spanndorn übt einen Plananzug aus, bei dem das Werkstück gegen eine Anlage gedrückt und ausgerichtet wird – womit auch das exakte Zentrieren und Spannen von Werkstücken mit kurzen Spannlängen gewährleistet ist. Selbst Bohrungen, die beispielsweise von einer Nut unterbrochen sind, kann der HDDS ohne ergänzende Hilfsmittel sicher und präzise aufnehmen.
Die exzellenten Ergebnisse der absolvierten Praxistests sind für Volker Schlautmann, den Schöpfer des HDDS, Bestätigung für die hohe Leistungsfähigkeit des neuen Innenspannsystems. „Nach einer ganzen Reihe bereits vorher erfolgreich durchgeführter Testreihen haben wir nur gewartet auf einen solchen Anwendungsfall mit extremen Anforderungen. Jetzt können wir die Herstellung unserer HDDS-Standard-Baureihe für Spanndurchmesser von 32 bis 85 mm konstruktiv abschließen, um sodann einen Lagerbestand von schnell abrufbaren Halbzeugen aufzubauen. Der neue Mechanische Dehnhülsen-Spanndorn HDDS von Ringspann wird ab 2017 kurzfristig lieferbar sein.“
Kerstin Koch ist für die Agentur Graf & Creative PR in Darmstadt tätig.