EMO Safety Day: Sicherheit von Werkzeugmaschinen im Fokus
Komplexe, leistungsstarke Maschinen bergen reichlich Gefahrenpotenzial. Dass Werkzeugmaschinen dennoch als sicher gelten, ist der intensiven Zusammenarbeit von Herstellern, Sicherheitsfachleuten und Normungsgremien zu verdanken. Am EMO Safety Day for Machine Tools, der am 19. September stattfindet, soll wird der aktuelle Stand der Maschinensicherheit näher beleuchtet.
Der Status Quo der Sicherheitstechnik im Bereich Werkzeugmaschinen ist eine bemerkenswerte Entwicklung: „Über viele Jahrzehnte haben die Unternehmen bewiesen, dass sie mit den Risiken, die mit der Bedienung von Werkzeugmaschinen einhergehen, umgehen können“, erklärt Heinrich Mödden, Experte für Maschinensicherheit beim EMO-Veranstalter VDW (dem Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken). Natürlich müssten noch weitergehende Anstrengungen unternommen werden, aber: „Das zahlt sich aus, da die Anzahl an Unfällen kontinuierlich zurückgeht“, so Mödden; mit den traditionellen Konstruktionsprinzipien sei bereits ein hohes Maß an Sicherheit erreicht worden.
Werkzeugmaschinen: Sicherheit inklusive
Zu dieser erfreulichen Entwicklung hat die Europäische Maschinenrichtlinie 2006/42/EC aus dem Jahr 1993 wesentlich beigetragen: Sie zielt darauf ab, die Sicherheitsstandards innerhalb der Europäischen Union zu vereinheitlichen. „Die EU-Maschinenrichtlinie war eine Erfolgsgeschichte, da sie das Arbeitsumfeld erheblich sicherer gemacht und die Risiken reduziert hat“, sagt Felicia Stoica, Fachreferentin für die Maschinenrichtlinie bei der Generaldirektion Grow der Europäischen Kommission. „Die Beteiligung aller Akteure rund um die Werkzeugmaschinenindustrie, insbesondere der Maschinenhersteller und ihrer Lieferanten, hat dafür gesorgt, dass die Maßnahmen sinnvoll und praxistauglich sind.“
Die Maschinenrichtlinie stellt natürlich auch die Hersteller von Werkzeugmaschinen in den Fokus, die ihr Design einer Risikobewertung unterziehen müssen – seitdem ihre erste Fassung veröffentlicht wurde, gab es im Normungsumfeld der Richtlinie und insbesondere bei der Risikobewertung erhebliche Veränderungen. Infolgedessen werden die Sicherheitsanforderungen noch immer lebhaft diskutiert, so beispielsweise auch die Zuverlässigkeit der Mechatronik in Sicherheitsfunktionen.
Streng nach dem Subsidiaritätsprinzip werden derartige Regeln für Sicherheitsmaßnahmen von Expertengremien in Normungsprozessen erarbeitet. Für Werkzeugmaschinen findet diese Arbeit international auf ISO-Ebene statt. Entsprechend viele Akteure müssen sich bei einem globalen Markt auf den Stand der Technik einigen: „Für die Maschinensicherheit müssen zahlreiche Unternehmen und Behörden direkt einbezogen werden. Es kann schwierig sein, einen Konsens auszuhandeln“, so Christian Neumeister, Sekretär der ISO-Arbeitsgruppe für die Sicherheit von Fräsmaschinen. „Aber letztendlich finden wir immer Kompromisse, die die Anforderungen der Gesundheits- und Sicherheitsbehörden erfüllen und den Aufwand für die Industrie auf einem akzeptablen Niveau halten.“
Funktionale Sicherheit als Herausforderung der Gegenwart
Im Rahmen der Zuverlässigkeit muss die Sicherheit durch Quantifizierung der Fehlerwahrscheinlichkeiten nachgewiesen werden. Bei Werkzeugmaschinen ist dies relativ schwierig, da die Gefährdungen hoch sein können, auch wenn sie nur sehr selten wirklich eintreten.
In einer wissenschaftlichen Studie im Auftrag des VDW etwa analysierte Nika Nowizki von der Universität Stuttgart die Laufzeiten von 578 Mehrspindeldrehautomaten mit insgesamt 3 951 Spindeln, die hauptsächlich mit Standard-SPS-Steuerungen ausgerüstet waren. Dabei kam es seit 1992 in über 93 Mio. ausgewerteten Maschinenbetriebsstunden zu keinem einzigen sicherheitsrelevanten Unfall. „Damit wurde unser Bauchgefühl wissenschaftlich bestätigt“, freut sich Eberhard Beck, Leiter für Maschinensteuerungsdesign beim Drehmaschinenhersteller Index in Esslingen. „Unser hohes Sicherheitsniveau ist demnach nicht nur auf einzelne Komponenten zurückzuführen, sondern auf unsere langjährig erprobten Konstruktionsprinzipien und auf entsprechende Produktsicherheitsstandards, die sich in der Praxis bewährt haben.“
Bei vielen Sicherheitsthemen besteht dennoch weiterhin Handlungsbedarf. Beispielsweise führt die jüngste Entwicklung der Drehbearbeitung auf Fräsmaschinen bei den Herstellern und ihren Kunden zu Verunsicherung, ob in diesem Fall das Argument der Betriebsbewährtheit auch in Zukunft anwendbar bleibt. Vorläufiges Fazit der entsprechenden Diskussionen: Dies ist nur möglich, wenn auch die Lieferanten von Spannvorrichtungen einbezogen werden.
Ein anderes Thema ist die Marktaufsicht. Werkzeugmaschinen sind komplexe Produkte – in der Regel teure Spezialanfertigungen, die zu groß für Labortests sind. Es ist daher schwierig festzustellen, ob das Design den Sicherheitsbestimmungen entspricht. Den Marktaufsichtsbehörden fehlt es insbesondere an qualifizierten Mitarbeitern und an Zeit, um dies zu untersuchen. Zur Unterstützung veröffentlicht der europäische Werkzeugmaschinenverband Cecimo so genannte CE-Guides als Leitfäden zur Sicherheit von Werkzeugmaschinen; in einfachen Worten und mit aussagekräftigen Grafiken werden hier die wichtigen Aspekte erläutert. „Wenn wir einheitliche Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer gewährleisten wollen, müssen wir die Marktaufsichtsbehörden bei ihrer Arbeit unterstützen“, erklärt Maitane Olabarria von Cecimo. Nach Säge- und Erodiermaschinen führte die kürzlich fertiggestellte Norm zur Sicherheit von Fräsmaschinen, ISO 16090, zur Veröffentlichung eines neuen CE-Guide, der auf der EMO Hannover 2017 vorgestellt wird.
Alles Sicher: Der EMO Safety Day
Schlussendlich soll der EMO Safety Day internationalen Herstellern und Anwendern auch vermitteln, dass Werkzeugmaschinen, die in Übereinstimmung mit den relevanten Produktsicherheitsstandards entwickelt und bestimmungsgemäß eingesetzt werden, als sicher betrachtet werden können: „Die EMO Hannover veranschaulicht für die Teilnehmer des Safety Day, wie sich die Designkonzepte moderner Werkzeugmaschinen bis heute entwickelt haben“, resümiert Heinrich Mödden entsprechend. Dabei spiele nicht nur die Sichtweise der Maschinenhersteller eine Rolle, sondern auch die wichtige Partnerschaft mit den Komponentenlieferanten und die Erfahrungen von Experten aus der Arbeitssicherheit.
Sylke Becker ist Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Generalkommissariat EMO Hannover 2017.