EM-Vermessung bei Maturo mit Drehtischen von Weiss

 EM-Vermessung bei Maturo mit Drehtischen von Weiss

Foto: Weiss GmbH.

Auf den Positioniersystemen des EM- und Funkvermessungsspezialisten Maturo finden ganze LKW zur Analyse Platz. Für die dazu nötigen Drehtische kam bisher ein aufwendiger Zahnkranz-Ritzel-Antrieb zum Einsatz – jetzt wuchtet ein CR-Schwerlasttisch der Firma Weiss die Massen: wiederholgenau und erstmals im Freien.

Selten bedarf es einer Leiter und eines kleinen Spaziergangs, um die Einbausituation eines Schwerlasttisches zu begutachten. Doch was Maturo da auf einen Weiss CR 2000C aufgesetzt hat, füllt eine ganze Halle: 14 Meter Durchmesser hat die aktuelle Drehbühne des Herstellers von elektromechanischen Positioniersystemen für EMV- und Funkmessungen aller Art.

Ein nicht ganz alltägliches Einsatzszenario

Klar, die CR-Reihe von Weiss wuchtet und wendet in der Fertigung gern schon mal ganze Fahrzeugkarosserien. Hier jedoch wirkt der CR mit seinen immerhin knapp zwei Metern Außendurchmesser geradezu schmächtig – doch das täuscht: „Um den Drehtisch mit seinen 14 Metern Durchmesser und einer maximalen Gesamtmasse von 45 Tonnen sicher drehen zu können, mussten wir den Antrieb auf ein Massenträgheitsmoment von 1 000 000 Kilo pro Quadratmeter auslegen“, erklärt Markus Saller, der technische Leiter von Maturo.

Ein Pflichtenheft mit so beeindruckenden Eckdaten war lange nicht die einzige Herausforderung, der sich Weiss bei diesem Projekt stellen musste. Zum ersten Mal sollte ein CR-Schwerlasttisch unter freiem Himmel eingesetzt werden – denn das aktuelle Positioniersystem von Maturo benötigt sehr viel Platz.

„Positioniersysteme wie dieses werden zur Messung der elektromagnetischen Verträglichkeit von Fahrzeugen und zur Vermessung von Richtfunkanlagen genutzt“, erläutert Saller. Dazu werden Antennenanlagen, aber auch komplette, antennentragende Fahrzeuge oder Container auf dem Drehtisch positioniert und in feinsten Grad-Schritten gedreht. Ein entfernt stehendes Antennensystem vermisst das Testobjekt dann in mehreren Ebenen, wodurch am Ende eine 360 Grad umfassende, räumliche Messwertwolke entsteht.

Mehr Präzision als das System „Marke Eigenbau“

Bisher nutzten die Spezialisten aus dem oberpfälzischen Pfreimd für ihre auf Bockrollen gelagerten Stahlträgerkonstruktion einen selbst entwickelten Zahnkranz-Ritzel-Antrieb. „Im aktuellen Fall fordert der Kunde jedoch eine Positioniergenauigkeit von ± 0,01 Grad, was insbesondere im Hinblick auf die Wiederholgenauigkeit mit einem Zahnkranz nicht mehr machbar ist“, beschreibt Saller die Herausforderung bei der Entwicklung.

Zum Glück hatte man bei Maturo schon gute Erfahrungen mit kleineren Rundtischen von Weiss gemacht. „Früher haben wir bei Rundtischen nur an feste Taktung gedacht“, erinnert sich Saller, „doch schon in den ersten Gesprächen mit Weiss haben wir gelernt, dass es natürlich auch frei programmierbare Tische gibt.“ Die frei wählbare Winkelverstellung in Verbindung mit der hohen Genauigkeit war perfekt für die Bedürfnisse der Oberpfälzer – entsprechend schnell fanden Tische der NC-Reihe erste Verwendung bei Anlagen zur Vermessung von Mobiltelefonen. Auch der kleine CR 300E wird bei Maturo gern eingesetzt, bietet die große, „gerade“ Mittenöffnung doch genügend Platz zur Durchführung selbst dicker Mess- und Antennenkabel.

Freie Programmierbarkeit, höchste Wiederholgenauigkeit, große Mittenöffnung – was lag da näher, als den „Dicken“ aus der CR-Reihe auch für die großen Positioniersysteme einzusetzen. Dank der am Außendurchmesser des Drehtischs angebrachten Bockrollen, die einen Großteil des Gewichts tragen, sind die verbleibenden Axialkräfte und Kippmomente für einen CR 2000C keine allzu große Herausforderung. So kann der Schwerlasttisch ganz nebenbei noch die radiale Führung des Gesamttischs übernehmen.

Ohne individuelle Anpassungen geht es nicht

Dennoch ist der CR kein Tisch „von der Stange“: „Die nötigen Modifikationen wurden in engen Gesprächen und in schnellem Wechsel mit Weiss erarbeitet“, äußert sich Saller zufrieden über die Zusammenarbeit.

Eine dieser Modifikationen war ein zusätzliches, zwischen Antrieb und Schwerlasttisch eingefügtes Getriebe, um dem gewaltigen Massenträgheitsmoment von 1 000 000 kg/m2 Herr zu werden. Das zusätzliche Übersetzungsverhältnis von 1:10 verbessert die Regelbarkeit des Antriebs.

Die meisten Anpassungen wurden jedoch durch den Einsatz des Schwerlasttischs im Freien notwendig – eine Premiere für Weiss. Aktuell passt der Drehtisch zwar noch gerade so in die Halle; im endgültigen Aufbau muss das Positioniersystem jedoch zusätzlich mit strahlenförmig angeordneten, 20 Meter langen Erdungskabeln „vergrößert“ werden, um es EMV-technisch möglichst „unsichtbar“ erscheinen zu lassen und eine große, homogene Fläche zu erzeugen – zu groß für den überdachten Einsatz.

Um den CR auf die erstmalige Verwendung im Freien vorzubereiten, wurde unter anderem die äußere Filzdichtung entfernt. Frost und eingesperrtes Kondenswasser würden sie ohnehin bald wirkungslos werden lassen. Stattdessen hat Maturo den Schwerlasttisch mit einer Blechabdeckung zum Schutz vor Regenwasser ausgestattet. Eine Gummidichtung an der Abtropfkante schützt zusätzlich vor Feuchtigkeit und verhindert das Eindringen von Fremdkörpern. Heizmatten am Zylinderkurvengehäuse, ein Öltemperaturfühler und niederviskoses, synthetisches Öl erlauben zudem einen Einsatz des CR bei Außentemperaturen von bis zu –20° C.

Ein deutlicher Effizienzgewinn

Noch dreht sich die riesige Stahlkonstruktion bei Maturo in der warmen Halle, doch Saller ist schon jetzt äußerst zufrieden: „Mit dem Schwerlasttisch von Weiss ist der gesamte Antrieb nur eine einzige Komponente. Eine Komplettlösung, die uns im Vergleich zur bisherigen Konstruktion viel Zeit und Engineering spart.“ Sallers Kollege Stefan Lehner, verantwortlich für die Softwareentwicklung, ist ebenfalls begeistert: „Die Inbetriebnahme war ein Klacks. Parameter umrechnen, eingeben – und nach einer halben Stunde lief die Sache.“ Insbesondere die mit fünf Winkelsekunden sehr hohe Wiederholgenauigkeit des CR 2000C hat ihm die Arbeit erleichtert; die alte Zahnkranzlösung erforderte hier oft stundenlanges Ein-, Nach- und Neujustieren. Auch bei der Inbetriebnahme spielt die Schwerlasttisch-Komplettlösung also ihre Vorteile aus.

Kein Wunder, dass Saller und Lehner schon weiterdenken. „Für Positioniersysteme mit geringeren Anforderungen mag der Zahnkranzantrieb nach wie vor seine Berechtigung haben, aber bei Anlagen dieser Art werden wir ihn in Zukunft wohl nicht mehr in Betracht ziehen“, fasst Saller zusammen. Doch nicht nur die großen Schwerlasttische vom Typ CR werden bald öfter in Produkten von Maturo zu finden sein. Auch neue Kleinpositionierer zur Antennenkalibrierung planen die beiden schon mit frei programmierbaren Rundtischen aus dem Hause Weiss.

Martin Pignotti ist für die Agentur Zet in Heidelberg tätig.