Zielrenten: Salomonische Lösung für die bAV?
Der Höchstrechnungszins fällt auf 0,9 %, erste Pensionskassen senken die Betriebsrenten, Unternehmen ächzen unter den Belastungen durch Pensionsrückstellungen: Die betriebliche Altersversorgung mit ihren bisherigen Säulen Zinsgarantie und Arbeitgeberhaftung scheint zu schwanken. Das Modell der Zielrente wird vermehrt als Lösung im anhaltenden Niedrigzinsumfeld präsentiert.
Die betriebliche Altersversorgung (bAV) ist in Deutschland eng mit einer festen Garantiezusage und der Einstandspflicht der Arbeitgeber verbunden. Ein Eingriff in die Betriebsrenten ist nicht nur in der Ansparphase, sondern auch in der Auszahlungsphase ein Tabu – ebenso die Enthaftung der Unternehmen. Nach einer aktuellen Umfrage des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) befürwortet die überwiegende Mehrheit der befragten Arbeitnehmer, konkret 70 %, die Beibehaltung der Garantien in der bAV. Andererseits kann sich etwa die Hälfte auch eine Zielrente vorstellen, bei der aus den eingezahlten Beiträgen eine bestimmte Versorgungsleistung errechnet, aber nicht garantiert wird.
Zielrente: Was steckt dahinter?
Bisher legt der Arbeitgeber auch bei einer extern finanzierten und somit kapitalgedeckten bAV die Höhe der künftigen Versorgungsleistung verbindlich fest, auch wenn diese Versorgungsleistung auf fest vereinbarten Beiträgen beruht. Man spricht hier von einer (beitragsorientierten) Leistungszusage („Defined Benefit“). Für die Einhaltung dieses Versprechens ist dann allerdings eine entsprechende Zinsentwicklung notwendig. Aus einer sehr lang andauernden Niedrigzinsphase, wie sie sich aktuell darstellt, erwächst das Risiko einer Nachfinanzierung sowie einer zusätzlichen Haftung des Arbeitgebers. Deshalb richten sich die Hoffnungen vieler Arbeitgeber, die der „Zinsfalle“ gern entkommen würden, auf die Zielrente. Diese setzt jedoch ein neues Verständnis von Garantien voraus. Aus der bisherigen Versorgungszusage des Arbeitgebers bliebe mit ihr das Versprechen erhalten, einen festgelegten Versorgungsbeitrag zu zahlen. Aus diesen Einzahlungen wird eine Versorgungsleistung errechnet. Die Berechnung erfolgt auf Basis belastbarer und regelmäßig überwachter Hochrechnungen sowie unter der Berücksichtigung eines kollektiven Versorgungsziels – allerdings ohne Garantie. Dabei sind auch temporäre Leistungsveränderungen während der Rentenlaufzeit möglich, sowohl nach oben als auch nach unten. Bei einem Absinken der Betriebsrenten muss der Arbeitgeber dann nicht mehr haften.
Mehr Flexibilität beim Vermögensaufbau
Dazu kommt: Einmal ausgesprochene Garantien verurteilen Pensionsmanager zu einer sehr konservativen Kapitalanlagestrategie, mit der diese Garantien sehr sicher erwirtschaftet werden sollen. Derzeit ist aus einer solchen Anlage jedoch mit gar keiner Rendite zu rechnen. Risikobehaftete Anlageformen mit einer höheren Rendite sind kaum möglich. Der Wegfall der Garantie könnte mehr Flexibilität bei der Wahl des Vermögensaufbaus ermöglichen – und damit bessere Leistungen für die Betriebsrentner bedeuten. Ein Vorteil der Zielrente besteht aber vor allem auch darin, zahlreiche Puffer nutzen zu können. Denn durch die Langfristigkeit der Kapitalanlage besteht die Möglichkeit, kollektive Schwankungsreserven zu bilden und die Beiträge der Arbeitgeber umzuverteilen. Das funktioniert umso besser, je größer das Kollektiv ist. Daher eignet sich das Zielrenten-Modell für Einzelzusagen eher weniger, bietet sich aber als Konzept für eine flächendeckende Branchenlösung an.
Die Einbindung im Sozialpartnermodell
Deshalb ist es auch das Bestreben des Bundesarbeitsministeriums, die Zielrente in das geplante Konzept des Sozialpartnermodells einzubinden. Die Betriebsrente soll im Rahmen dieses Modells auf Tarifvertragsbasis geregelt, Arbeitgeber sollen von der Haftung für die Versorgungszusagen befreit werden. Die Durchführung der Zielrenten in die Hände der Sozialpartner zu legen, macht durchaus Sinn. Aus Sicht des Arbeitnehmers hängt ihr Erfolg stark davon ab, wie verantwortungsvoll der durchführende Versorgungsträger die Kapitalanlage betreibt. Diese Verantwortung scheint bei einer Tariflösung gut aufgehoben. Zusätzlich könnten maßvolle gesetzliche und aufsichtsrechtliche Vorgaben eine Art Sicherheitsnetz bieten, damit die Flexibilität bei der Kapitalanlage für künftige Betriebsrentner keinen Nachteil darstellt.
Katja Rheude arbeitet für die Kommunikationsagentur Hartzkom.