Wendepunkt zum digitalen Zeitalter

 Wendepunkt zum digitalen Zeitalter

Vermögensverwalter erwirtschaften mit 90 Prozent des gesamten Economic Profits (Gewinn nach Steuern und Kapitalkosten) den größten Anteil am Branchengewinn. Bild: NYSE

Das Digitalzeitalter wird historisch gewachsenen „lukrativen Ineffizienzen“ in der eine Billion Dollar schweren Kapitalmarktbranche ein Ende setzen. Wurden diese Ineffizienzen zur Sicherung schnellen Wachstums und zur Eroberung von Marktanteilen früher noch toleriert, wird die Branche nun von der digitalen Revolution erfasst – Stichwort: Disruption – und ringt darum, ihre fragmentierten Kostenstrukturen zu straffen und Shareholder Value zu generieren. Dies ist das Ergebnis einer neuen Studie der Unternehmensberatung Accenture.

Vermögensverwalter erwirtschaften mit 90 Prozent des gesamten Economic Profits (Gewinn nach Steuern und Kapitalkosten) den größten Anteil am Branchengewinn. Sie schaffen es aber nicht, ausreichende Skaleneffekte zu erzielen, und sollten sich darauf einstellen, dass am Markt ein Abwärtstrend mit sinkenden Margen einsetzt. Bei den Investmentbanken ergibt sich derweil ein uneinheitliches Bild: Nur manche Institute – darunter große und kleine – verdienen pro einem US-Dollar Umsatz einen Economic Profit von zehn US-Cent oder mehr, während andere noch nicht einmal ihre Kapitalkosten erwirtschaften.

Ineffizienzen straffen

Die an den Kapitalmärkten tätigen Firmen erzielen der Accenture-Analyse zufolge jährlich einen Nettoumsatz von insgesamt rund eine Billion Dollar, aus dem sich ein Economic Profit von über 100 Milliarden Dollar ergibt. Da der Druck von Aktionären, Aufsichtsbehörden und Kunden, mehr Wert bei gleichzeitig niedrigeren Kosten zu schaffen, nicht nachlässt und das Quantitative Easing ausläuft, steht die Branche angesichts des wachsenden Ertragsdrucks umso stärker in der Pflicht, ihre gewachsenen Ineffizienzen zu beheben. Diese Ineffizienzen bestehen in Form von diversen IT-Systemen und Einzellösungen, die in der Vergangenheit geschaffen wurden, um das Tempo im Kapitalmarktgeschäft zu erhöhen und schnelle Gewinne zu generieren. Inzwischen sind diese Technologien aber mehrheitlich überholt und im Einsatz ineffizient.

Lukrative Ineffizienzen

„Manche Akteure rechnen damit, dass sich die Kapitalmarktbranche normalisiert und wieder ihrem Zustand vor der Finanzkrise annähert“, erklärt Dr. Markus Böhme, Co-Autor der Studie und Geschäftsführer bei Accenture Strategy. „Doch wir zeichnen für die kommenden Jahre ein ganz anderes Bild. Die Branche lebt immer noch mit ihren einstmals „lukrativen Ineffizienzen“. Damals warf das Geschäft aber noch so hohe Gewinne ab, dass es kaum Anreize gab, am Status quo etwas zu ändern. Anders als in anderen Sektoren macht bei den Kapitalmarktakteuren das Kerngeschäft nur einen Bruchteil ihrer Kostenbasis aus. In einer Zeit, in der digitale Innovationen mit hohem Tempo den Markt erobern, steht die Branche vor fundamentalem Wandel.“

Die Studie beruht auf einer von Accenture durchgeführten umfassenden Analyse der Kosten- und Ertragsstrukturen in der Kapitalmarktbranche sowie auf Befragungen von Führungskräften führender Branchenakteure und konzentriert sich in erster Linie auf die drei Kernbereiche Investment Banking, Asset und Wealth Management sowie Marktinfrastruktur. Die Ergebnisse zu den einzelnen Bereichen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Asset & Wealth Manager: Asset und Wealth Manager sind die beiden rentabelsten Teilsegmente der Branche. Strukturell betrachtet sollte es in diesen Segmenten so sein, dass Masse ausschlaggebend ist. Die Untersuchung von Accenture hat indes gezeigt, dass selbst die Schwergewichte unter den Asset Managern Economic Profit Margen generieren, die mit denen ihrer Peers mittlerer Größe vergleichbar sind. Dasselbe gilt für das Wealth Management. Gleichwohl geht aus der Studie hervor, dass eine Industrialisierung des Geschäfts und die Nutzung latenter Skaleneffekte für alle Akteure auf der Buy-Side, also auch für Asset und Wealth Manager, die Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg sind.
  • Bei Investmentbanken ist ein deutliches Profitabilitätsgefälle auszumachen. So vereinen die vier Branchenriesen, die ihren Sitz allesamt in den USA haben, einen Jahresertrag von rund USD 20 Milliarden oder mehr auf sich und generieren dabei in erheblichem Maße Economic Profit. Andere Unternehmen mit einem umfassenden Angebot an Investment Banking-Dienstleistungen haben hingegen Mühe, ihre Kapitalkosten zu decken, was unter anderem daran liegen kann, dass sie es versäumt haben, Restrukturierungen schnell genug voranzutreiben, oder schlichtweg nicht genug Mittel hatten, um notwendige Investitionen zu tätigen. Doch die Studie zeigt auch, dass Größe allein nicht zwingend über die Rentabilität entscheidet. So lassen sich auch für mittelgroße Banken Nischen mit hohem Rentabilitätspotenzial ausmachen, die im besten Fall sogar eine Gewinnmarge von zehn bis 15 US-Cent für jeden US-Dollar Umsatz versprechen.
  • Marktinfrastruktur-Dienstleister. Die höchste Rentabilität innerhalb des Teilsektors erzielen regulierte Börsen, die häufig Vorsteuermargen von über 50 Prozent generieren, allerdings allem Anschein nach nur begrenztes Wachstumspotenzial bieten. Gleichzeitig haben Trading-Plattform Geschäfte bereits Interdealer Broker überflügelt – im Ertrag und vor allem der Profitabilität – so dass auch hier der digitale Wandel in vollem Gange ist. Weiteres Wachstumspotenzial sieht die Studie im Asset Servicing, Fonds Services und im Bereich von Daten- und Informationsdiensten.

„Die Aufgabe, eine billionenschwere Branche, die zudem vor einem wichtigen Wendepunkt steht, fit für das digitale Zeitalter zu machen, ist äußerst komplex und verlangt die Bereitschaft, Grenzen zu verschieben“, erläutert Böhme weiter. „Doch das neue Zeitalter eröffnet auch enorme Chancen für jene, die im Wettbewerb um neu zu verteilende und werthaltige Bereiche, sogenannte Value Pools, schnell sind. Geschickt agierende Unternehmen können im „Rennen um Relevanz“ neues Gewinnpotenzial für sich nutzen, ohne dabei die Bedürfnisse der Kunden innerhalb der Branche aus dem Blick zu verlieren.“

Der Weg zum Erfolg

Die Studie zeigt Managementteams in der Kapitalmarktbranche strategische Überlegungen auf, die dabei helfen sollen, auch in Zeiten tiefgreifenden Wandels zum Erfolg zu kommen. So empfiehlt der Bericht zum Beispiel:

  • auf künstliche Intelligenz und Big Data zu bauen, um das Investment Management neu zu definieren;
  • das Segment der Kapitalmarktfinanzierungen und der Corporate Treasury-Dienstleistungen ins digitale Zeitalter zu führen;
  • den Fokus im Handel neu auszurichten und operative Modelle zu überdenken;
  • Risiko- und Compliance-Funktionen neu zu strukturieren;
  • Dark Data geschäftsfördernd einzusetzen;
  • HR- und Managementmodelle an neue Berufsprofile und Teamstrukturen anzupassen und
  • Cloud- und Cybersecurity so zu kombinieren, dass eine flexible und widerstandsfähige Infrastruktur aufgebaut werden kann.

Methodik

Für die Studie hat Accenture eine Bottom-up-Analyse zu Value Pools durchgeführt und sich dabei auf die Ergebnisse einzelner Branchenakteure gestützt. Auf Grundlage der Daten für das Geschäftsjahr 2017 erhält man so Einblick in die Rentabilität bestimmter Sektoren und Teilsektoren. Als zentrale Messgröße wurde der Economic Profit nach Abzug von Kreditverlusten, Betriebskosten, Steuern und Kapitalkosten herangezogen. Besonderes Augenmerk galt der Gewinndynamik in zentralen Sektoren wie dem Investment Banking, dem Corporate & Investment Banking, dem Asset Management, dem Wealth Management und der Marktinfrastruktur. Anschließend wurden mit Führungskräften führender Kapitalmarktunternehmen die Implikationen der Datenanalyse sowie die mögliche Entwicklung dieser Value Pools diskutiert und im Verlauf dieser Gespräche zentrale Punkte identifiziert, die für das Management in diesem Kontext besonders wichtig sind. (ig)

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