Vertrauen innerhalb der Belegschaft etablieren

 Vertrauen innerhalb der Belegschaft etablieren
Wenn es hart auf hart kommt, vertrauen viele Beschäftigte nur sich selbst – getreu dem Motto: „Nur wenn ich es selbst mache, wird es richtig gemacht.“ Nach einer repräsentativen Studie der Wirtschaftsprüfung Ernst & Young setzen Beschäftigte weltweit kein großes Vertrauen in die eigene Firma oder ihre Vorgesetzten, mit weitreichend negativen Folgen. Wie lässt sich gegensteuern?

Laut Ernst & Young vertrauen nur 46 % der Beschäftigten hierzulande ihrem Unternehmen im Ganzen und 49 % ihren Vorgesetzten. Im Umkehrschluss heißt das: Die Mehrheit aller Arbeitnehmer ist gegenüber ihrem Arbeitgeber skeptisch oder sogar misstrauisch eingestellt.

„Das kann fatale Folgen haben. Vertrauen ist eine zu wenig genutzte Ressource – letztlich verschenktes Potenzial“, weiß Martin Beims, geschäftsführender Gesellschafter des Beratungsunternehmens Aretas. „Vertrauen ist das vielleicht wichtigste Schmiermittel der Wirtschaft. Ohne Vertrauen kann sich kein Unternehmenserfolg einstellen. Wenn jeder nur vor sich hin arbeitet und keinem vertraut, entsteht keine echte Zusammenarbeit. Führungskräfte und Mitarbeiter müssen den enormen Wert von Vertrauen erkennen und endlich wertschätzen.“
Nur so lässt sich ein gutes Betriebsklima schaffen; wenn Mitarbeiter und Führungskräfte sich gegenseitig vertrauen, ist die gemeinsame Zusammenarbeit von einer erhöhten Produktivität geprägt. Die Studie „Building Trust“ der Bostoner Unternehmensberatung Interaction Associates etwa zeigt: Wer vertraut, ist motiviert und auch bereit, mehr zu leisten. Ein Mangel an Vertrauen bildet dagegen den idealen Nährboden für Angst.
Warum fehlt das Vertrauen?
Als Hauptgrund für das Misstrauen nennen die Befragten der Studie vor allem das Gefühl der Ungerechtigkeit: Über die Hälfte stört die als unfair empfundene Bezahlung, 48 % bemängeln fehlende Chancengleichheit. Von den Befragten, die das Vertrauen in ihren Arbeitgeber verloren haben, arbeiten 30 % nicht mehr, als von ihnen explizit verlangt wird. Das hat Folgen für das Unternehmen, denn 28 % sagen, die Enttäuschung führe generell dazu, dass sie weniger engagiert und produktiv seien. Für ein Viertel der Beschäftigten wird Qualität zur Nebensache; genauso hoch ist der Anteil derer, die negativ gegenüber Kollegen oder Bewerbern über das eigene Unternehmen sprechen.
„Diese Erkenntnisse sollten jeden Arbeitgeber aufrütteln. Fehlt das Vertrauen auf beiden Seiten, halten Mitarbeiter und auch Führungskräfte im schlimmsten Fall Leistungen zurück“, warnt Beims. „Die Beschäftigten ziehen sich zurück – sie machen Dienst nach Vorschrift und hören auf, sich mit Ideen und besonderer Leistungsbereitschaft in das Unternehmen einzubringen.“ Das ist aber gerade in Zeiten des digitalen Wandel problematisch für Unternehmen. Denn in einer sich verändernden Arbeitswelt mit globalem Wettbewerb und wachsender Dynamik brauchen Unternehmen leistungsbereite und loyale Belegschaften, die ihre Kreativität und ihre Ideen einbringen.
Vertraust du schon oder kontrollierst du noch?
Vertrauen kann sich nur in der Zusammenarbeit und der damit verbundenen Kommunikation entwickeln. Drei wesentliche Grundlagen fördern den Aufbau von Vertrauen: selbst Vertrauen schenken, eine klare Ausdrucksweise und Authentizität. „Voraussetzung für den Aufbau ist die Glaubwürdigkeit. Diese kann am ehesten erlangt werden, wenn Denken, Sprechen und Handeln aller Beteiligten übereinstimmen, also kongruent sind“, so Beims.
Es ist die Klarheit im Handeln insbesondere der Führungskraft, die nötig ist, damit sich alle beteiligten Akteure sicher orientieren können. Für die Beschäftigten zählt insbesondere, dass Führungskräfte Versprechen einhalten und der Job als sicher wahrgenommen wird. Nur so ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich. Außerdem wichtig: gegenseitigen Respekt nicht nur einzufordern, sondern auch jeden Tag zu leben.
Das perfekte Paar: Vertrauen und Verantwortung
Vertrauen ist besonders dann gefordert, wenn Veränderungen im Unternehmen anstehen: Es bildet die Grundlage für die erfolgreiche Durchführung von Veränderungsprozessen, denn Umgestaltungen rufen immer auch Ängste bei den Beteiligten hervor. „Nur wenn das Team den Führungskräften vertraut und diese auf der anderen Seite den Mitarbeitern das notwendige Vertrauen entgegenbringen, können Veränderungsprozesse weitgehend frei von Störungen gestaltet werden“, erklärt Beims. Als Führungskraft ist es wichtig, gerade in diesen Phasen Orientierung und Sicherheit zu geben.
Unerlässlich dafür: ein wertschätzender Umgang mit allen Beteiligten, klar formulierte Erwartungen und ausreichend Freiräume, Neues umzusetzen und einzuüben. Zu Vertrauen gehört auch immer Verantwortung. Damit Mitarbeiter Verantwortung übernehmen, sollten Vorgesetzte – wo immer möglich – mit klar formulierten Zielen und Vereinbarungen statt mit Arbeitsanweisungen führen. Voraussetzung hierfür: Die an der Veränderung Beteiligten für die neuen Aufgaben und Verantwortungen ausreichend zu befähigen.
Vertrauen beinhaltet immer eine zweite Seite der Medaille: Erst der verantwortungsvolle Umgang mit dem entgegengebrachten Vertrauen ermöglicht, die vereinbarten Ziele zuverlässig und wirtschaftlich zu erreichen. Vertrauen und Verantwortung sind also ein untrennbar verbundenes Paar.
Neue Formen der Zusammenarbeit brauchen Vertrauen
Vor dem Hintergrund der rasanten Veränderung von Unternehmensprozessen im Zuge der Digitalisierung spielen neue Arten der Zusammenarbeit eine zentrale Rolle: Starre Strukturen werden ersetzt durch Teams, die ihr Produkt durch den gesamten Lebenszyklus – Ende zu Ende – verantworten. Agile Formen der Projektplanung und flexible Formen der disziplinübergreifenden, horizontalen Zusammenarbeit spielen eine wachsende Rolle. Nur so ist es möglich, den Forderungen nach immer kürzeren Innovationszyklen gerecht zu werden.
Die Konsequenz: Entscheidungen werden nicht mehr an der Spitze einer starren Hierarchie, sondern direkt in den Teams getroffen. Dafür müssen die Teammitglieder die Verantwortung für Ihre Entscheidungen und Ergebnisse übernehmen. Gleichzeitig müssen Führungskräfte innerhalb des vereinbarten Werte- und Zielerahmens diese Entscheidungen akzeptieren.
Ohne Vertrauen ist das nicht möglich. Werden Entscheidungen der Mitarbeiter permanent in Frage gestellt und revidiert, wandern sie schnell wieder in der Hierarchie nach oben. Das Ergebnis: Pseudo-agile Herangehensweisen und scheinbar hierarchieübergreifende Teams, in denen schlussendlich der Abteilungsleiter jede Entscheidung bestätigen und jede Investition freigeben muss. Der Grund sind bürokratische Strukturen und Abläufe, wie sie sich über Jahre etabliert haben und die nur zögerlich aufgebrochen werden.
Muss Vertrauen erworben werden?
„Vertrauen muss man sich verdienen“ – diese Redensart ist hinlänglich bekannt. Vertrauen ist jedoch eine positive Grundhaltung, die zunächst nicht an Vorbedingungen geknüpft sein sollte. „Bei Vertrauen handelt es sich zunächst immer um einen Vorschuss. In der Unternehmensführung heißt das, den Menschen im Unternehmen vom ersten Tag an Vertrauen entgegenzubringen“, erläutert Beims. „Das bedeutet zum Beispiel auch, statt immer neue Belohnungen in Aussicht zu stellen, einfach davon auszugehen, dass die Beschäftigten den bestmöglichen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten wollen.“
Aber Vertrauen kann natürlich verloren gehen, wenn es nicht gerechtfertigt wird. Damit Vertrauen dauerhaft bestehen bleibt, sollte ein gemeinsames Verständnis über zu erreichende Ziele und die notwendigen Schritte auf dem Weg dorthin vorhanden sein. Noch wichtiger ist es, dass alle Beteiligten über längere Zeit ein für das jeweilige Gegenüber einschätzbares Verhalten zeigen. Entscheidungen müssen nachvollziehbar und plausibel sein und in ihrer Grundrichtung mit dem gemeinsam vereinbarten Weg übereinstimmen, um bestehendes Vertrauen weiter zu festigen.
Beschäftigte in einem von Vertrauen und Verantwortung geprägten Umfeld bilden Vertrauen bei Kunden und Kollegen durch Zuverlässigkeit – was sie versprechen, halten sie auch. Außerdem ist ihr Handeln von Fairness geprägt: Der Nutzen für das Unternehmen und seine Kunden ist ihnen genauso wichtig wie persönliche Vorteile. Darüber hinaus gehen sie verantwortungsvoll mit den Ressourcen des Unternehmens um und halten sich an vereinbarte Regeln.
Hannah Bartl ist für Borgmeier Public Relations in Delmenhorst tätig.