Unternehmensführung im Rhythmus der Natur

 Unternehmensführung im Rhythmus der Natur
Der Winter ist beileibe keine Jahreszeit des Stillstands. Zwar trotzt die Natur mit Winterschlaf und -ruhe der zunehmenden Kälte. Doch gleichzeitig laufen die Vorbereitungen für neues Wachsen auf Hochtouren, um im Frühjahr wieder durchstarten zu können. Keine Esoterik: Dieses Schema lässt sich auch auf die Unternehmensführung übertragen.

Ob Wirtschaftskrise oder saisonale Ruhephasen: Nahezu jedes Unternehmen in jedweder Branche erlebt mehr oder weniger ausgeprägt seinen „Winter“. Vorhersehbar oder nicht – oft genug entwickeln sich jahreszeitlich bedingte Flauten oder die allgemeine Rezession zur echten Krise. Nun hat es sich mittlerweile herumgesprochen, dass Krisen auch Chancen sind, aus denen wir gestärkt hervorgehen können. Immer vorausgesetzt, dass wir die – zugegeben – schwere Zeit sinnvoll nutzen.

Schwache (kalte) Zeiten nutzen
Die Entwicklung von Wirtschaftszahlen gleicht in vielen Bereichen einem stetigen Auf und Ab. Und wie reagieren die Menschen dahinter? Neben „Kopf in den Sand stecken“ oder gar dem Heraufbeschwören einer Krise ist auch positives Denken häufig anzutreffen. Die Erfahrung zeigt allerdings: Im Alltag wird zwar viel von „Krise als Chance“ geredet, aber getan wird in der Praxis dann dennoch eher wenig – außer zu hoffen, dass es schneller als befürchtet wieder aufwärts geht.
Man predigt viel eher „Bescheidenheit“. Was bleibt auch anderes übrig als genügsam zu sein, wenn der Geschäftsgang schwer und der Kassenstand niedrig sind? Wenn alles gut läuft, geht diese Strategie der Durchhalteparolen und Absichtserklärungen unter Umständen sogar auf. Aber dann haben wir wohl nichts gelernt, und die nächste Krise im Wirtschaftsleben wartet bereits wieder wie die jährliche Grippewelle. Nutzen Führungskräfte dagegen eine Krise, um das Unternehmen neu aufzustellen, wird es auch für zukünftige Abschwungphasen besser gerüstet sein. So wie sich die Natur wiederkehrend im Winter auf neues Gedeihen vorbereitet, sollten Unternehmen wirtschaftlich schwache Zeiten also für die strategische Vorbereitung des künftigen Erfolgs nutzen.
In der Ruhe liegt die Kraft
Was für die Natur gut ist, ist meist auch für den Menschen gut. Durch Ruhe und Entspannung wird z. B. das Gehirn sensibilisiert und kann neu auftretenden Stress schneller erkennen bzw. besser vermeiden. So wie auf persönlicher Ebene nach der Arbeit ein Umschalten auf „Wohlbefinden“ notwendig ist, so kann eine Reflexion des Geschäftsgangs zuweilen dienlich sein.
Schließlich ist auch ein Unternehmen eine organische Organisation: Es tut ihm gut, wenn es sich im „Winter“ etwas zurückziehen kann, um sich von den Strapazen eines „heißen Sommers“ (sprich: einer Phase des Aufschwungs) zu erholen. Der erreichte Markterfolg fiel schließlich nicht vom Himmel; einer Auslastung der Produktion gingen Analysen und Detailplanungen, Verbesserung und Rationalisierung voraus. Ein motiviertes Team hat gute Arbeit geleistet, womöglich Höchstleistungen erbracht.
Weitblick ist gefragt
Kommt nun eine Flaute, ist vorausschauendes Planen hilfreich. Führungskräfte sollten sich die Frage stellen: „Wie kann das Unternehmen auch in und nach schlechten Zeiten erfolgreich bleiben?“. Unerfreuliche Auswüchse, in denen der Verkauf als Feuerwehrtrupp eingesetzt wird, um Umsatz auf Teufel komm raus zu generieren, können allenfalls kurzfristig wirken.
Verantwortungsvolle Unternehmen dagegen sind sich bewusst und beherzigen, dass Phasen, in denen der Markt insgesamt schrumpft (und nicht nur die eigenen Anteile daran), nichts für Schnellschüsse sind. Nutzen sie dagegen die Situation mit Besonnenheit, dann können die Weichen wieder auf Erfolg gestellt werden. Um wieder an die Allegorie anzuknüpfen: So, wie sich die Natur in der kalten Zeit durch Rückzug auf die Regeneration vorbereitet, so brauchen auch wir bzw. unsere Unternehmen diese Phasen.
Keine verlorene Zeit
Die Zeit der Rezession sollte genutzt werden, um neue Ziele zu formulieren und Strategien auszuarbeiten, wie diese erreicht werden können – damit wir als Unternehmen dem Markt dann mit neuer Kraft und Authentizität gegenübertreten können.
Auch nach innen kann eine betriebsarme Zeit Gutes bewirken: Mitarbeiter können sich erholen und wieder Kraft schöpfen. Statt noch mehr zu fordern, weil es gerade nicht so läuft, ist auch hier Ehrlichkeit und Muße angesagt. Anerkennung der erbrachten Leistung, Gewährung einer Pause, Motivation durch Schulung, Einbindung in die Findung und Erarbeitung neuer Konzepte – es gibt viele Möglichkeiten, jetzt Dinge zu tun, für die in Phasen der betrieblichen Hochkonjunktur keine Zeit bleibt.
Echtheit bietet Verlass
Natürlich gibt es wie so oft kein allgemeingültiges Rezept; jedes Unternehmen muss individuell herausfinden, was zu ihm passt. Das kann eine Angebotsstraffung ebenso sein wie eine Sortimentserweiterung, eine Spezialisierung oder eine noch umfassendere Abdeckung eines bestimmten Marktsegments. Eine bisher unvorstellbare Neuausrichtung erscheint plötzlich als Option – während sie zuvor aufgrund des Erfolgs nicht als Notwendigkeit erkannt wurde.
In Hochkonjunkturphasen wird gerne „oberflächlich verfahren“. Doch wenn sich der Erfolg nicht mehr automatisch einstellt, dann muss das Unternehmen einen echten Mehrwert und Nutzen bieten können. Solange die Konjunktur brummt, fragen Kunden nicht immer so genau, welche Vorteile ein Kauf oder eine Zusammenarbeit bringt; in mageren Zeiten sieht das anders aus. Nur mit wirklichen Alternativen lässt sich jetzt punkten – Authentizität sich und den Kunden gegenüber bietet Verlass und schafft Vertrauen. Das Besinnen auf die ureigenen Stärken verlangt vielleicht etwas Geduld, aber es bestellt den Acker für die nächsten Jahre.
Der Plan zur neuen Blüte
Ein Baum mit kahlen Ästen erscheint leblos – doch ein geschickter Plan hilft ihm, gut über den Winter zu kommen und im Frühjahr wieder neu auszutreiben. Nur sparsam verbraucht er während der kalten Jahreszeit die aus den abgeworfenen Blättern gespeicherten Nährstoffe. Die neuen Knospen sind aber bereits angelegt – mit allem, was im Frühjahr schnell wachsen soll: Neue Blätter und Blüten.
Auch Unternehmen sollten in klammen Zeiten investieren: Wenn es nicht Geld sein kann, weil es aufgrund rückläufiger Geschäfte gerade daran mangelt, so ist vielleicht mehr Zeit verfügbar. Gut genutzt, kann dies eine ebenso nutzbringende Investition darstellen.
Betriebe, die sich in Zeiten „kalter“ Konjunktur pflegen und vorausschauende Pläne schmieden, sichern und stärken sich gleichermaßen – um dann in der wärmenden Frühjahrssonne, wenn wieder ein Aufschwung zu spüren ist, mit neuer Kraft zu erblühen.
Stefan Häseli ist Managementtrainer und im schweizerischen Gossau beheimatet.