Kündigung wegen privater Internetnutzung unzulässig

 Kündigung wegen privater Internetnutzung unzulässig
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 05.09.2017 festgestellt: Die Entlassung eines Arbeitnehmers aufgrund des Austauschs privater E-Mails vom Arbeitsplatz aus war unzulässig. Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Dr. Florian Fischer vom Verband Deutscher Anwälte (VDA) erläutert das Urteil und seine Konsequenzen.

Dem Fall zugrunde lag die Beschwerde eines rumänischen Bürgers: Er war drei Jahre in einer privaten Gesellschaft als Ingenieur angestellt gewesen, als er gekündigt wurde – sein Arbeitgeber hatte herausgefunden, dass er mehrfach private E-Mails mit Angehörigen ausgetauscht hatte, die einen vertraulichen Charakter hatten. Dabei hatte der Arbeitgeber kurz zuvor bereits gegenüber seinen Angestellten mitgeteilt, dass eine Angestellte entlassen worden war, weil sie privat Internet, Telefon und Fotokopierer genutzt hatte. Offensichtlich hatte der Arbeitgeber die E-Mail-Kommunikation seiner Mitarbeiter umfassend überwacht.

Ein langer Verfahrensweg

Vor den nationalen Gerichten war der Beschwerdeführer in allen Instanzen unterlegen. Auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte war er zunächst gescheitert, als die Kammer seine Beschwerde am 12.01.2016 zurückwies. Erst die Große Kammer gab nunmehr seiner Beschwerde statt.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte befand, dass die Mitteilung über die Entlassung einer anderen Mitarbeiterin keine ausreichende Warnung hinsichtlich der betrieblichen Überwachung des E-Mail-Verkehrs sei. Auch hätten die nationalen Gerichte nicht ausreichend begründet, warum es notwendig war, den E-Mail-Verkehr des Beschwerdeführers so weitreichend zu überwachen. Da die Computernutzung der von Artikel 8 geschützten Privatsphäre und der E-Mail-Verkehr dem von Artikel 8 ebenfalls geschützten Briefverkehr unterfallen, liegt eine Verletzung von Artikel 8 vor.

Die Folgen des Urteils

Die Entscheidung stärkt auf jeden Fall die Rechte von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz; sie stärkt zudem die Privatsphäre vor Angriffen aus Gründen der Verhinderung und Verfolgung von Rechtsverstößen. Rückschlüsse darauf, dass die private E-Mail-Nutzung am Arbeitsplatz unbegrenzt zulässig wäre, erlaubt die Entscheidung allerdings nicht.

Darüber hinaus kann auch nicht pauschal darauf geschlossen werden, eine fristlose Kündigung sei unzulässig, wenn jemand die TK-Einrichtungen des Arbeitsplatzes privat nutzt – es bleibt eine Frage des jeweiligen Einzelfalls. Nach wie vor ist die Abwägung zwischen dem Recht des Arbeitnehmers auf Privatsphäre und dem Recht des Arbeitgebers auf unbeeinträchtigte Arbeitsabläufe schwierig vorzunehmen, sodass bei entsprechenden Konflikten eine rechtliche Beratung in diesem Bereich anzuraten ist.

Dr. Florian Fischer ist Rechtsanwalt in Düsseldorf und Leiter des Fachausschusses Menschenrechte im Verband Deutscher Anwälte (VDA)