Bestandsaufnahme in Sachen KI

 Bestandsaufnahme in Sachen KI

Das Rennen um die KI-Vorherrschaft ist derzeit hart, aber noch nicht gänzlich verloren. Immerhin schneidet Deutschland mit seiner KI-Bilanz ähnlich ab wie die Nachbarländer Frankreich oder Schweiz. Bild: Microsoft

Obwohl Deutschland als innovative Industrienation gilt, beschäftigt sich bislang nur knapp die Hälfte aller deutschen Unternehmen aktiv mit dem Thema „Künstliche Intelligenz“ (KI). Das ist das Ergebnis der Studie „Mind the (AI) Gap: Leadership Makes the Difference“ der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) und ihrer Tochterfirma BCG Gamma. Für die Studie haben die Berater 2700 Manager verschiedener Branchen aus Deutschland, China, Frankreich, Japan, Österreich, der Schweiz und den USA zu den KI-Strategien ihrer Unternehmen befragt. Demnach nutzen in Deutschland aktuell lediglich 20 Prozent aller Unternehmen konkrete KI-Anwendungen, knapp 30 Prozent entwickeln diese gerade erst.

Damit fällt die Bestandsaufnahme der deutschen Wirtschaft in Sachen KI kurz vor dem Digital-Gipfel der Bundesregierung Anfang Dezember durchwachsen aus. „Wenn Deutschland seinen Platz als eine der wichtigsten Wirtschaftsnationen weltweit behalten will, besteht jetzt dringend Handlungsbedarf. Schließlich ist KI einer der Pfeiler für künftiges wirtschaftliches Wachstum in allen Branchen“, betont BCG-Deutschlandchef Carsten Kratz.

Auf einem Niveau mit Frankreich, der Schweiz und den USA

Das Rennen um die KI-Vorherrschaft ist derzeit hart, aber noch nicht gänzlich verloren. Immerhin schneidet Deutschland mit seiner KI-Bilanz ähnlich ab wie die Nachbarländer Frankreich oder Schweiz. Selbst den Vergleich mit den USA muss Deutschland derzeit nicht scheuen: Dort beschäftigen sich aktuell 51 Prozent aller Unternehmen aktiv mit KI – kaum mehr als hierzulande. „In den USA gibt es zwar einige Unternehmen, die zur Spitzenklasse in aktiver KI-Entwicklung und ‑Anwendung zählen. Aber diese Unternehmen befinden sich vorrangig in Regionen mit einem hohen Anteil an Hi-Tech- und New-Economy-Industrie wie dem Silicon Valley. Viele andere Landstriche hinken indes hinterher“, berichtet Jörg Erlebach, BCG-Partner und Chef von BCG Gamma in Deutschland.

Merklich schlechter als Deutschland stehen Nationen wie Österreich (42 Prozent der Unternehmen beschäftigen sich aktiv mit KI) oder auch Japan (39 Prozent) da. Absoluter Vorreiter im internationalen Vergleich ist China. Dort befassen sich fast neun von zehn Unternehmen aktiv mit Künstlicher Intelligenz; jedes dritte Unternehmen setzt KI schon für Produktion oder Dienstleistungen ein. „China profitiert davon, dass die Unternehmen dort über alle Branchen hinweg vergleichsweise jung, agil und innovationsfreudig sind. In reifen Volkswirtschaften und weit entwickelten Branchen tendieren Unternehmen zu einer gewissen Trägheit, was Neuerungen angeht“, erläutert Erlebach die Diskrepanz.

Der Vergleich zwischen Branchen legt offen, dass sich hierzulande insbesondere in den Sektoren Finanzdienstleistungen sowie Konsumgüter/Handel nur wenige aktive KI-Spieler finden. Besser sieht es bei Unternehmen mit Fokus auf Technologie, Medien und Telekommunikation aus: Selbst in Deutschland sind in dieser Branche zwei Drittel aller Unternehmen im Bereich KI aktiv.

Innovationszyklen in Deutschland anderthalbmal so lang wie in China

Dabei greift der Ruf nach staatlicher Unterstützung bei der Einführung von KI zu kurz. „KI in Unternehmen ist vor allem eine Frage des Managements“, erklärt Erlebach. Erfolgreich sind in der Regel Unternehmen, die kurze Innovationszyklen haben, proaktiv Pilotprojekte starten und abteilungsübergreifende, agile Zusammenarbeit forcieren. Alle diese Dimensionen könn das Management eines Unternehmens beeinflussen. Doch noch seien etwa die Innovationszyklen in deutschen Unternehmen mit durchschnittlich knapp elf Monaten anderthalbmal so lang wie bei der chinesischen Konkurrenz.

„Wenn der Staat mit dem Digitalgipfel eine KI-Offensive startet, ist das begrüßenswert. Genauso wichtig ist, dass Unternehmen in einer von Daten getriebenen Welt Verantwortung übernehmen. Sie müssen klar definieren, wohin die Reise geht – damit sie mit KI erfolgreich sind“, ordnet BCG-Deutschlandchef Kratz ein. Entscheidend sei das Umdenken in Führungsetagen. Die Topmanager müssten dem Thema KI Priorität einräumen. Sonst könnte der Abstand zu China sich sogar noch vergrößern. (ig)