Meist noch zuverlässiger Dienstleister statt digitaler Wegbereiter
Traditionell sind CIOs dafür zuständig, dass die IT im Unternehmen funktioniert, auf dem aktuellen Stand ist und alle geschäftskritischen Prozesse im Rahmen ihrer Möglichkeiten stützt. Die digitale Entwicklung und die damit verbundenen Möglichkeiten eröffnen dem CIO jedoch neue Perspektiven. Die Rolle und Selbstverständnis des Chief Information Officer verändern sich nur langsam. Knapp die Hälfte der CIOs ist nicht in die Digital-Strategie ihrer Unternehmen involviert. Nur rund zehn Prozent nehmen Gestalter-Rolle ein und tragen als “Vanguard-CIOs“ maßgeblich zum Erfolg ihrer Unternehmen bei.
Als „Digital Vanguard“ könnte der CIO gleichermaßen eine Wärter- wie Steuerfunktion für die Digitale Transformation einnehmen. In der Realität, so zeigt der Global CIO Survey Report 2018 „Manifesting Legacy: Looking beyond the Digital Era“ von Deloitte, nehmen aber nur etwa zehn Prozent der befragten CIOs bereits Vanguard-Funktionen wahr, während knapp die Hälfte sich nach wie vor als oberster IT-Dienstleister statt als Katalysator für Wachstum und Transformation sieht. Dabei sind Unternehmen mit einer erweiterten CIO-Funktion nachweislich erfolgreicher.
„Woran es liegt, dass viele CIOs aus ihrer Backoffice-Rolle nicht herauskommen, ist zum Teil auch im eigenen Selbstverständnis zu suchen“, so Jochen Fauser, Partner und Leiter der Service Line Technology Strategy & Architecture im Bereich Consulting bei Deloitte. „Effiziente und verlässliche IT-Systeme sind wichtig, doch die Digitalisierung fordert mehr. Um den Erwartungen gerecht zu werden, muss der CIO seine Organisation transformieren“. Indem er sich vom „Build and Run“-Prinzip zu einem Ansprechpartner mit dem Selbstverständnis eines Architekten und Designers der Digitalisierung entwickele, könne er als Technologie-Erklärer, Impulsgeber und Visionär die Stellung seiner Funktion stark anheben. Darüber hinaus könne der CIO maßgeblich für die Vorbereitung eines systematischen, kontinuierlichen Innovationsprozesses verantwortlich zeichnen.
Selbstverständnis als Dienstleister überwiegt immer noch
Das Verständnis des CIO als zuverlässiger Dienstleister hält sich hartnäckig in den Unternehmen – seit der letzten Befragung vor zwei Jahren hat sich in dieser Hinsicht wenig geändert. Immer noch sehen 55 Prozent darin ihre Hauptrolle. Dementsprechend ist auch die Perspektive auf neue Definitionen wie „Business Co-Creator“ oder gar Treiber des Wandels nahezu unverändert und bewegt sich bei etwa einem Drittel im ersten, zehn Prozent im zweiten Fall. Dabei betrachten es ganze 96 Prozent als ihre Aufgabe, die technische Kompetenz einzelner Geschäftsbereiche zu erhöhen, und 40 Prozent sehen die neuesten Technologien als maßgeblichsten Faktor für ihre Tätigkeit in den nächsten drei Jahren. Vorrangiges Ziel sind die Prozessautomatisierung und die stärkere Orientierung des eigenen Angebots an den Kundenbedürfnissen. Die so genannte Tech Fluency, ein nahtloses, übergreifendes System, sorgt dabei für die Möglichkeit, möglichst viele Stakeholder zu erreichen und deren Engagement zu fördern.
Erweiterter und veränderter Aufgabenbereich
Was kennzeichnet einen „Digital Vanguard“? Laut Studie unterhalten beispielsweise 72 Prozent eine enge Verbindung zu Vertriebsteams. Darüber hinaus fördern solche Vorreiter auch die technische Kompetenz aller Mitarbeiter im Unternehmen. Ihren Beitrag zur Wertschöpfung leisten sie nicht nur durch eine funktionierende IT, sondern steuern ihn auch aktiv durch Budget und Beschaffung. Den tatsächlichen Output evaluieren sie mittels entsprechender Finance-Instrumente und nehmen so generellen Einfluss auf die Investitionen des Unternehmens in Technologie. Ihrer eigenen Einschätzung nach werden die Mittel für Business Innovation innerhalb der nächsten drei Jahre von heute 19 auf dann 27 Prozent zunehmen.
Soft Skills rücken in den Vordergrund
Gerade im Technologie- bezeihungsweise IT-Bereich galten bislang vor allem fachliche Qualifikationen als maßgeblich. Im Zuge des Wandels zum „Vanguard“ rücken nun auch Soft Skills und Diversität in den Fokus. Immerhin 54 Prozent der CIOs beachten solche Werte inzwischen deutlich stärker bei Neueinstellungen, 58 Prozent haben sogar ein Programm zur Förderung von Diversität und Inklusion. Insgesamt geht es darum, bisherige „Expertise-Silos“ durch eine Kultur abzulösen, die der zunehmenden Konvergenz von Technologie, Business und Stakeholdern gerecht wird.
Data Analytics und Cloud werden erfolgskritisch
Neben der Digitaltechnologie im Allgemeinen erwarten die befragten CIOs für die nächsten drei Jahre vor allem eine steigende, erfolgskritische Relevanz von Daten bzw. der Datenanalyse (59 Prozent), der Cloud (46 Prozent) und der Cybersecurity (45 Prozent). Die wenigsten haben jedoch jetzt schon die Grundlagen für die Implementierung von End-to-End-Prozessen geschaffen, mittels derer sie die Tragweite und Bedeutung technologischer Innovationen demonstrieren können. CIOs in digitalen Vanguard-Organisationen berichten, dass sie deutlich mehr Interaktionen auf Vorstandsebene haben, was die Wahrscheinlichkeit einer technologie- und innovationsorientierten Diskussion deutlich erhöht.
„Es geht um nichts Geringeres als den Aufbau einer ganz neuen Digitalkultur. Die Unternehmen bzw. die CIOs bemühen sich, eine Balance zwischen technischen Qualifikationen und Soft Skills zu finden. Technologien bleiben Kern und Treiber der Entwicklung, aber Eigenschaften wie Kreativität, kognitive Flexibilität und auch emotionale Intelligenz werden im Rahmen eines vom CIO geprägten Recruitings an Bedeutung gewinnen. Sie werden dringend notwendig sein angesichts der Tatsache, dass ein fundamentaler Wandel in vielen Bereichen bewältigt werden muss – wobei Anspruch und Wirklichkeit teilweise noch recht weit auseinanderliegen“, resümiert Jochen Fauser. (ig)