Der Kunde ist König – aber was ist der Mitarbeiter?

 Der Kunde ist König – aber was ist der Mitarbeiter?

Angefangen bei der Rückmeldung auf ein Bewerbungsschreiben über den ersten Arbeitstag im Unternehmen bis zum Übergang in den Ruhestand: Im Arbeitsleben gibt es viele Momente, auf die es ankommt. Bild: Daimler

Zum Kaffee ein personalisierter Becher mit Smiley, im Laden eine virtuelle Ankleidekabine, vor dem Flug sämtliche Infos in Echtzeit aufs Handy – große Marken begeistern und binden ihre Kunden längst durch besonders effektive Customer-Experience-Strategien. Doch der Blick nach innen spiegelt dieses Bemühen nicht immer im gleichen Maße wider, wie ein aktuelles Whitepaper von Deloitte zeigt.

Im Zuge des War for Talents und dem Bestreben der Unternehmen, die Fluktuation gerade im Bereich der „Hochqualifizierten“ möglichst niedrig zu halten, kann eine mangelnde Fokussierung auf Mitarbeiter jedoch durchaus problematisch werden. Es gilt, sie genauso zu umwerben und zu inspirieren: mit Strategie und System. Dabei kommt der HR-Abteilung eine essentielle Rolle zu, denn vor allem sie ist zentraler Ansprechpartner für Bewerber, Mitarbeiter und Alumni. Derzeit besteht jedoch häufig noch Nachholbedarf, sowohl im Hinblick auf das Selbstverständnis von Personalabteilungen, als auch auf Prozesse und Routinen.

„Angefangen bei der Rückmeldung auf ein Bewerbungsschreiben über den ersten Arbeitstag im Unternehmen bis zum Übergang in den Ruhestand: Im Arbeitsleben gibt es viele Momente, auf die es ankommt“, erklärt Jörg Seufert, Partner Human Capital Advisory Services bei Deloitte. Ob jemand die Abteilung wechsele, in Teilzeit gehe, zum ersten Mal befördert werde, oder seine Elternzeit antrete – wer Talente halten wolle und bei der Beschäftigung auf Nachhaltigkeit setze, solle genau diese ‚Touch Points‘ so positiv gestalten wie möglich. Das sei es, was die Employee Experience ausmache.

 

Drei Kategorien auf dem Weg zur idealen Employee Experience

Eine vorgefertigte Struktur für die optimale Experience der Mitarbeiter gibt es nicht. Je nach Unternehmen, Kultur, Größe und Branche muss sie individuell konzipiert und aufgebaut werden. Entscheidend ist zunächst das Bewusstsein für den Bedarf und Nutzen einer Employee Experience bei Führungskräften und Personalabteilungen. Beginnt dann der tatsächliche Denkprozess, können folgende drei Kategorien helfen, ein abstraktes Wunschkonzept in konkrete Schritte aufzuteilen:

  • Mindset und Sprache: Darunter fällt der Anspruch, den Mitarbeiter als Kunden der HR-Abteilung wahrzunehmen und die Interaktionen serviceorientiert und auf Augenhöhe zu gestalten.
  • Prozesse und Produkte: HR-Produkte sollten dem Mitarbeiter entsprechend seiner Bedürfnisse angeboten werden und ein positives Erlebnis schaffen.
  • Technologie: Moderne, easy-to-find und easy-to-use IT-Systeme und Apps für HR-Prozesse schaffen ein durchgängig inspirierendes Nutzererlebnis.

Eine gute Employee Experience „zahlt“ sich wörtlich aus

Dass sich der Aufwand lohnt, zeigen die Zahlen des „Employee Experience“-Whitepapers. Unternehmen mit zufriedenen, engagierten Mitarbeitern sind zu 57 Prozent effektiver. Die Fluktuation bei Arbeitgebern mit etablierten Employee Experience Programmen ist zu 87 Prozent geringer als im Benchmark. Zudem zeigt der Dreijahresumsatz ein zwei bis drei Mal höheres Wachstum als der Durchschnitt. Größere Mitarbeiterzufriedenheit führt zudem zu mehr und effizienterem Teamgeist, einer stärkeren Innovationskraft und zu einem besseren Employer Branding sowie – nicht zuletzt – zu einer optimierten Unternehmensreputation.

 

HR muss sich transformieren und Digitalisierung nutzen

Spätestens bei der Frage welche Organisationseinheit die Employee Experience Strategie anführen sollte, wird deutlich, dass es sich um einen Teamsport handeln sollte. Human Resources als zentraler Anlaufpunkt für Mitarbeiterangelegenheiten und erster Berührungspunkt mit Bewerbern kann diese Rolle durchaus einnehmen. Dabei sollte HR identifizieren, durch welche Stellschrauben die Employee Experience positiv beeinflusst werden kann und in diesem Zuge die Bedeutsamkeit von klassischen HR-Prozessen nicht aus den Augen verlieren. Darüber hinaus ist es notwendig, die Weiterentwicklung einer klassischen, operativen Human Ressource Abteilung hin zu einer strategisch gestaltenden Einheit zu ermöglichen und neue, innovative Wege, Methoden und Herangehensweisen bereitzustellen sowie selbst zu nutzen.

„Unternehmen, die jetzt handeln wollen, sollten insbesondere Folgendes tun: die HR-Abteilung aufwerten und erweitern und die HR-interne Arbeitsteilung so gestalten, dass Kapazitäten frei werden. Gerade die Digitalisierung verspricht hier eine große Chance, HR-Mitarbeiter von standardisierten Prozessen zu befreien und ihnen Zeit für die inhaltliche Arbeit mit Mitarbeitern einzuräumen. Dazu gehört beispielsweise, sich stärker Networking- und Coaching-Plattformen zu widmen oder Beratung und Moderation für Kommunikations- und Transformationsprozesse bereitzustellen“, resümiert Jörg Seufert. (ig)