Ältere Arbeitnehmer in Deutschland

 Ältere Arbeitnehmer in Deutschland

Wären die Beschäftigungsquoten bei den 55- bis 69-Jährigen hierzulande genauso hoch wie beispielsweise in Neuseeland, dann stiege das Bruttoinlandsprodukt um satte 351 Milliarden Dollar jährlich. Bild: Karrierefibel

Trotz der „Rente mit 63“ kommt Deutschland bei der Integration älterer Arbeitnehmer weiter voran. Unter den 55- bis 64-Jährigen liegt die Beschäftigungsquote hierzulande bei mittlerweile 70 Prozent, zeigt der „Golden Age Index“ der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC. Zum Vergleich: 2003 waren es gerade einmal 39 Prozent. Nicht ganz so spektakulär, aber trotzdem sichtbar sind die Fortschritte bei den 65- bis 69-Jährigen. Aus dieser Altersgruppe arbeiten mittlerweile 15 Prozent, auch das eine klare Verbesserung im Vergleich zu 2003, als PwC die Studie erstmals durchführte. Damals lag die Quote bei gerade einmal sechs Prozent.

„Damit hat die Bundesrepublik in den vergangenen Jahren die vergleichsweise größten Fortschritte aller OECD-Länder erzielt“, kommentiert Nicole Elert, Leiterin des Bereichs Arbeitsrecht bei PwC und einer der Autorinnen der Studie. Tatsächlich belegte Deutschland bei der Erstauflage des „Golden Age Index“ nur den 26. Rang. Inzwischen ist es Platz 14 – und würde man ausschließlich die Beschäftigungsquote bei den 55- bis 64-Jährigen zum Maßstab nehmen, dann wäre es sogar schon Rang sieben.

Bei der Suche nach den Gründen verweist PwC-Expertin Elert nicht nur auf die stabile Konjunktur und die Hartz-Gesetze. Abgesehen von den positiven politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hätte sich auch die Mentalität in den vergangenen Jahren grundlegend gewandelt. Ältere Arbeitnehmer würde heutzutage in den allermeisten Betrieben für ihr Know-how und ihre Erfahrung geschätzt. Vor zehn oder 15 Jahren sei das vielerorts noch anders gewesen.

Fortbildung für Ältere rechnet sich nicht? Ein Irrglauben!

Ob der positive Trend anhält, ist gleichwohl fraglich. Denn schon jetzt hat über eine Million Beschäftigte die sogenannte „Rente mit 63“ beantragt – obwohl das entsprechende Gesetz erst Mitte 2014 in Kraft getreten ist. „Diese Entwicklung wird sich früher oder später auch in den Beschäftigungsquoten deutlich niederschlagen“, glaubt Elert. Die aktuelle PwC-Studie basiert auf Daten von 2016. Bereits hier fällt auf: Während der Anteil der Beschäftigten bei den 55- bis 64-Jährigen um vier Prozentpunkte stieg, reichte es bei den 65- bis 69-Jährigen nur mehr zu einem Zuwachs von einem Prozentpunkt. „Dabei könnte es sich unter anderem bereits um eine Folge des neuen Gesetzes handeln“, mutmaßt die PwC-Expertin.

Doch nicht nur die „Rente mit 63“ macht Nicole Elert Sorgen. Ebenfalls bedenklich: Gemäß Eurostat-Daten liegt der Anteil der 55- bis 64 Jahren alten Arbeitnehmer, die in den vergangenen zwölf Monaten irgendeine Form von Weiterbildung absolviert haben, bei lediglich 44 Prozent. Unter den 25- bis 54-Jährigen sind es hingegen im Schnitt 55 Prozent. „Viele Betriebe erliegen immer noch dem Irrglauben, Investitionen in ältere Arbeitnehmer zahlten sich nicht aus, weil diese das Unternehmen ja ohnehin bald verlassen. Dabei haben Studien diese Auffassung längst widerlegt“, kritisiert Elert. Ihr dringender Appell: „Wenn die Unternehmen von ihren älteren Arbeitnehmern wirklich profitieren wollen, dann müssen sie auch die Mittel für entsprechende Trainings bereitstellen.“

Wie sich das BIP – theoretisch – um 351 Milliarden Dollar steigern ließe

Dabei zeigt die „Golden Age“-Studie eindrücklich, dass sich die Integration älterer Beschäftigter nicht nur für die einzelnen Betriebe, sondern auch volkswirtschaftlich auszahlt. Ein Beispiel: Wären die Beschäftigungsquoten bei den 55- bis 69-Jährigen hierzulande genauso hoch wie beispielsweise in Neuseeland, dann stiege das Bruttoinlandsprodukt um satte 351 Milliarden Dollar jährlich. Sogar noch größer wäre der Effekt in Frankreich (gut 400 Milliarden Dollar) und in den USA (mehr als 800 Milliarden Dollar).

Klarer „Gewinner“ der Golden-Age-Studie wurden übrigens wie schon in den Vorjahren Island mit 98,7 von 100 möglichen Punkten. Platz zwei belegte Neuseeland (85,3 Punkte), was auch insofern spannend ist, als die Neuseeländer 2003 noch auf Platz neun lagen, sich seitdem aber stetig verbessert haben – ähnlich wie Deutschland, jedoch auf höherem Niveau. Den dritten Platz sicherte sich Israel, außerdem schafften es Estland, Schweden, Japan, Südkorea, Norwegen, die USA und Chile in die Top-10.