Infrastrukturen für intelligente Stromnetze
Mit welcher Infrastruktur können Stromkunden mit steuerbaren Lasten und Prosumer mit erneuerbaren Energieerzeugern kosteneffizient in intelligente Netze eingebunden werden? Dieser Frage hat sich in den letzten dreieinhalb Jahren ein internationales Konsortium mit Beteiligung des Fraunhofer IEE in einem Forschungs- und Demonstrationsprojekt gestellt, das von der Europäischen Union mit 11,7 Millionen Euro gefördert wurde. Die finalen Ergebnisse wurden am 25. Juli 2018 im spanischen Valencia der Öffentlichkeit vorgestellt.
Das Projektkonsortium mit 24 Partnern aus elf europäischen Ländern, darunter Netzbetreiber, Forschungseinrichtungen, KMU und Kooperativen für Erneuerbare Energien hat unter der Leitung der spanischen ETRA-Gruppe eine Infrastruktur entwickelt, die auf drei wesentlichen Software-Komponenten basiert. Damit können Stromkunden mit steuerbaren Lasten und Prosumer mit erneuerbaren Energieerzeugern nun kosteneffizient in intelligente Netze eingebunden werden. Die Werkzeuge sind zum Einsatz bei Energiehändlern und Aggregatoren, Verteilnetzbetreibern und Endkunden vorgesehen. Mit der prototypischen Umsetzung wurde aufgezeigt, dass sich komplexe Funktionen eines intelligenten Netzes als modulare Softwarekomponenten realisieren lassen, wenn eine standardisierte, universelle und flexible Infrastruktur vorhanden ist. Die Ergebnisse von NOBEL GRID wurden in fünf Feldtests in Spanien, England, Belgien, Griechenland und Italien demonstriert.
Demand Response Flexible Market Cockpit
Die erste Komponente, das „Demand Response Flexible Market Cockpit“ (DRFM), ist ein Werkzeug, mit dem Energiehändler und Aggregatoren die Flexibilität von steuerbaren Lasten und Erzeugern bei den Endkunden abschätzen und markt- sowie netzbezogen nutzen können. Mit dem DRFM können Kampagnen zur manuellen und automatischen Nachfragesteuerung angestoßen werden – z.B. indem Anreize mittels variabler Strompreise gesetzt werden.
Grid Management and Maintenance Master Framework
Die zweite Komponente nennt sich „Grid Management and Maintenance Master Framework“ (G3M) und erlaubt Verteilnetzbetreibern den gezielten Einsatz der Flexibilität, die durch das DRFM erschlossen und aktiviert werden. Das G3M ist zum Einsatz in Netzleitstellen vorgesehen und dient auch zur Überwachung des Netzzustands unter Nutzung von Informationen intelligenter Zähler, die ebenfalls im Projekt entwickelt und zertifiziert wurden.
Energy Management and Analysis App
Die dritte Komponente namens „Energy Management and Analysis App“ (EMA App) besteht aus einer zentralen Software, die Zähler- und Messdaten aufbereitet und mittels einer web- und Smartphone-basierte Bedienoberfläche für die Endkunden zur Verfügung stellt. Die EMA App dient zur Auswertung und Visualisierung von Energieverbrauch und lokaler Erzeugung sowie zur Bekanntmachung von Kampagnen zur Nachfragesteuerung.
Smart Meter Extension
Die beim Endkunden installierten intelligenten Zähler wurden mittels einer sogenannten „Smart Meter Extension“ (SMX) im Projekt so erweitert, dass sie nicht nur den abrechnungsrelevanten Energieverbrauch, sondern auch die Versorgungsqualität aufzeichnen und als Verbindung zwischen den drei zentralen Komponenten und den steuerbaren Lasten und Erzeugern beim Endkunden dienen.
Entwicklungskit für modulare Smart Grid Funktionen
Das Kasseler Fraunhofer IEE war im Projekt unter anderem für die Entwicklung von Datenschnittstellen für das SMX zuständig. Diese Aufgabe umfasste die Entwicklung von Kommunikationstreibern zum Datenaustausch mit den im Projekt entwickelten Wechselrichtern und den zentralen Komponenten.
Ein Hauptergebnis ist die umfangreiche Weiterentwicklung und Konzeption eines Entwicklungskits für die von Fraunhofer entwickelte OGEMA-Plattform, dem Betriebssystem für automatisches Gebäude- und Energiemanagement. OGEMA liegt als quelloffenes System in Version 2.1.3 vor und ermöglicht die modulare Bündelung verschiedener Kommunikationsprotokolle und Funktionen innerhalb gewerblicher, privater und öffentlicher Gebäude und industrieller Prozesse. Neue Kommunikationstreiber und Funktionen können als „Apps“ aus einem OGEMA-Appstore heruntergeladen werden. Mit dem in NOBEL GRID konzipierten und ebenfalls öffentlich verfügbaren „Software Development Toolkit“ (SDK) erhalten Entwickler eine Hilfestellung, um Treiber und Apps schneller und effektiver zu realisieren.
Softwarebasierte Intelligente Netze
Im Projekt NOBEL GRID nutzte das Fraunhofer IEE das OGEMA-SDK, um Kommunikationstreiber und Funktionen für das SMX zur Verfügung zu stellen. Diese ermöglichen eine Steuerung von Photovoltaik- und Batterie-Wechselrichtern zur Eigenverbrauchs-optimierung bei gleichzeitiger Nutzung der Flexibilität dieser Systeme durch Energiehändler und Netzbetreiber mittels des DRFM. Mit der prototypischen Umsetzung wurde aufgezeigt, dass sich solche komplexen Funktionen eines intelligenten Netzes als modulare Softwarekomponenten realisieren lassen, wenn eine standardisierte, universelle und flexible Infrastruktur vorhanden ist. Die Ergebnisse von NOBEL GRID wurden in fünf Feldtests in Spanien, England, Belgien, Griechenland und Italien demonstriert. (ig)