Fusionen auf dem deutschen Energiemarkt

 Fusionen auf dem deutschen Energiemarkt

Der steigende Anteil erneuerbarer Energien, die zunehmende Dezentralisierung der Energieversorgung, neue Anforderungen an Flexibilität und Vernetzung sowie das Auftauchen neuer Marktakteure verändern die Branche derzeit rasant. Bild: EnBW

In der deutschen Energiewirtschaft ging die Transaktionsaktivität im vergangenen Jahr leicht zurück – für 2018 wird dagegen ein Anstieg erwartet. 2019 hat sogar das Potenzial, ein Rekordniveau zu erreichen. So verringerte sich die Anzahl Transaktionen mit deutscher Beteiligung im Jahr 2017 im Vergleich zu 2016 um 15 Prozent von 166 auf 141. Der veröffentlichte Gesamtwert der Transaktionen ist dagegen nur leicht – um fünf Prozent – von 8,6 Milliarden Euro im Jahr 2016 auf 8,2 Milliarden Euro zurückgegangen. Das sind Ergebnisse der Studie „M&A Transaktionen in der deutschen Energiewirtschaft“ der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY), die Unternehmenstransaktionen auf dem deutschen Energiemarkt analysiert.

Die neun großen, im DAX Utilities gelisteten deutschen Energieversorger verzeichneten allerdings einen starken Anstieg ihrer M&A-Tätigkeit auf mehr als das Doppelte (plus 122 Prozent) – Käufe wie auch Verkäufe nahmen gleichermaßen zu. Der Anstieg ist unter anderem auf mehr Transaktionen im Bereich Start-ups beziehungsweise IT/Technologie zurückzuführen, mit denen die Transformation der deutschen Energiebranche weiter vorangetrieben werden soll.

Nach einer überschaubaren Transaktionstätigkeit im vergangenen Jahr wird das laufende Jahr 2018 deutlich stärker werden: Dann wird unter anderem der bereits 2017 verhandelte Verkauf des Uniper-Anteils von circa 47 Prozent von E.ON an den finnischen Energieversorger Fortum für rund 3,8 Milliarden Euro zum Tragen kommen. Rekordverdächtig könnte sich das kommende Jahr 2019 entwickeln: Voraussichtlich wird der Mitte März 2018 angekündete Verkauf von innogy von RWE an E.ON im Rahmen eines umfangreicheren Tauschs von Geschäftsaktivitäten Mitte bzw. in der zweiten Hälfte 2019 vollzogen werden. Allein diese Transaktion hat ein Volumen von rund 20 Milliarden Euro.

Neuordnung des Energiemarktes führt zu reger Transaktionstätigkeit

„Die von den führenden Branchenunternehmen angestrebte Konsolidierung auf Wertschöpfungsstufen – Netze und Vertrieb auf der einen und Erzeugung auf der anderen Seite – wirft für die Branche Fragen hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit der bisher dominierenden vertikal integrierten Geschäftsmodelle auf“, beobachtet Alexander Misgeld, Senior Manager in der Transaktionsberatung Energie und öffentliche Hand bei EY. „Auch vor dem Hintergrund des Auftauchens neuer Wettbewerber wird der Sektor künftig zunehmend durch Kompetenzen auf den jeweiligen Wertschöpfungsstufen definiert werden – was zu einer Neuordnung und reger Transaktionstätigkeit führen dürfte.“

Große Energieversorger investieren in Start-ups

Um neue digitale Geschäftsmodelle zu etablieren, gingen im vergangenen Jahr insbesondere größere Energieversorgungsunternehmen vermehrt auf Shoppingtour und investierten verstärkt in Start-ups beziehungsweise IT-Unternehmen: So hat sich Im Jahr 2017 die Zahl der Start-up- beziehungsweise IT-/Tech-Transaktionen der Energieversorger im DAX Utilities mit 17 im Vergleich zum Vorjahr (acht) mehr als verdoppelt.

„Der steigende Anteil erneuerbarer Energien, die zunehmende Dezentralisierung der Energieversorgung, neue Anforderungen an Flexibilität und Vernetzung sowie das Auftauchen neuer Marktakteure verändern die Branche derzeit rasant“, erläutert Misgeld. „Hinzu kommt das Entstehen neuer, digitaler Lösungen und Geschäftsmodelle. Alle diese Veränderungen – auch Energiewende 2.0 genannt – stellen erhebliche Herausforderungen für die Branche dar. Zahlreiche Energieversorger begegnen diesen Trends mit einer strategischen Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und der Erweiterung ihres Angebots im Bereich Digitalisierung, etwa durch Investitionen in oder Kooperationen mit Start-ups. All das führt insgesamt zu einer deutlichen Veränderung des Transaktionsmarkts – sowohl auf Käufer- als auch auf Verkäuferseite.“

Starkes Engagement internationaler Investoren

Nachdem der chinesischen Stromnetzbetreiber State Grid Corporation of China zuletzt versucht hatte, einen 20-prozentigen Anteil an dem deutschen Stromnetzbetreiber 50Hertz zu übernehmen, ist die Bedeutung internationaler Investoren für die deutsche Energieinfrastruktur in den Fokus des öffentlichen Interesses geraten. Tatsächlich zeigt die EY-Studie, dass ausländische Investoren inzwischen an rund zwei Drittel der deutschen Gastransport- beziehungsweise Stromübertragungsnetze (ohne Verteilnetze) beteiligt sind. (ig)