Kommt die „Soziale Organisation“?

 Kommt die „Soziale Organisation“?

Für die Unternehmen bedeutet die „Soziale Organisation“ eine deutlich größere Verantwortung – die über das hinausgeht, was bislang unter dem Begriff der Corporate Social Responsibility zusammengefasst wurde. Bild: Optimy Wiki

Ist die Wirtschaft ein vertrauenswürdigerer Adressat als die Politik, wenn es um die Gestaltung unseres Zusammenlebens geht? Viele Menschen weltweit scheinen genau dieser Ansicht zu sein: Wie die Globale Human Capital Trendstudie 2018 von Deloitte „Der Aufstieg der Sozialen Organisation“ zeigt, messen sie den Unternehmen eine zentrale Funktion im Hinblick nicht nur auf Einkommenssicherheit, sondern auch auf Diversity oder Gesundheitsvorsorge zu.

Für die Unternehmen bedeutet das eine deutlich größere Verantwortung – die über das hinausgeht, was bislang unter dem Begriff der Corporate Social Responsibility zusammengefasst wurde. Treibende Kraft hinter der Entwicklung sind laut Deloitte sowohl die „Millennials“, die einen immer größeren Teil der Arbeitnehmerschaft ausmachen, als auch die technische Entwicklung. Besonders die Effekte der Digitalisierung und ihrer Auswirkungen auf den Faktor Mensch kommen dabei ins Spiel. Die Studie identifiziert die maßgeblichen Trends – von einer neuen Führungskultur bis hin zum Gig Working.

„Konkret bedeutet der Megatrend ‚Soziale Organisation‘: Unternehmen müssen den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt stellen, wenn sie Höchstleistung von ihren Mitarbeitern einfordern und erwarten“, erklärt Dr. Udo Bohdal-Spiegelhoff, Leiter Human Capital Advisory Services bei Deloitte. Dass diese Aufgabe in eine Zeit falle, in der auch die Digitale Transformation die Führungsetagen intensiv beschäftige, erleichtere die Aufgabe nicht.

Soziale Verantwortung: Mitarbeiterzufriedenheit im Fokus

Mitarbeiter und Öffentlichkeit üben dabei gleichermaßen Druck auf die Unternehmen aus, sich für mehr soziale Verantwortung einzusetzen. Gerade die Millennials, denen ein gewisses Maß an Politikverdrossenheit nachgesagt wird, fordern von ihren Arbeitgebern mehr als die Erfüllung der üblichen CSR-Verpflichtungen. Dabei steht für sie vor allem die Mitarbeiterbindung im Vordergrund. Doch fast zwei Drittel beklagen, dass die entsprechenden Budgets nicht oder kaum gestiegen sind.

Unternehmen werden laut der Studie immer mehr Führungsaufgaben zugemessen, die weit über ihren ursprünglichen Wirkungsbereich hinausgehen. Der Anspruch: Sie sollen dazu beitragen, die Welt gerechter zu machen – zumindest für diejenigen, die dort arbeiten. Dazu gehört auch, die eigene Führungskultur kritisch zu hinterfragen und zu verändern. So müssen Top-Manager zunehmend in der Lage sein, Teams nicht nur zu führen, sondern selbst in cross-funktionalen Teams zu agieren. In Deutschland ist das der Ansicht von 62 Prozent der Studienteilnehmer zufolge nur rudimentär der Fall.

Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Das Wohl der Belegschaft rückt zunehmend in den Fokus – die Mitarbeiterzufriedenheit wird zur strategischen Priorität. Die Studie zeigt jedoch bei den deutschen Teilnehmern auch hier eine Lücke zwischen Erwartung und Realität. Ob flexible Arbeitszeiten, Mobile Working, Kinderbetreuung, oder Prävention: Nachfrage und Angebot klaffen jeweils um 30 bis 40 Prozentpunkte auseinander.

Ältere Arbeitnehmer einbinden

Ein wichtiger Aspekt ist die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer – vor allem wegen ihrer Erfahrung. Tatsächlich arbeiten in Deutschland mehr ältere Arbeitnehmer mit ihren jüngeren Kollegen zusammen als international. Auf der anderen Seite hat die „goldene Generation“ aber auch spezielle Bedürfnisse wie mehr Arbeitszeit-Flexibilität, Umschulungen sowie Weiterbildungs-optionen. Und auch hier, so zeigt die Studie, steht Deutschland im internationalen Vergleich recht gut da.

Flexibilität wird in jeder Hinsicht großgeschrieben. Der traditionelle Vollzeitmitarbeiter ist auf dem Rückzug – zugunsten von Gig Working, Crowd Working oder auch Freelancing. Für das Management bedeutet das viele Herausforderungen, vom Onboarding bis hin zu adäquaten Kommunikationsstrukturen. Weitere wichtige Elemente einer neuen Unternehmenskultur sind intelligente und vor allem flexible Incentivierungs- und Vergütungsmodelle sowie mehr Karriere-Gestaltungsmöglichkeiten. Dabei stellen die deutschen Teilnehmer den Unternehmen ein besseres Zeugnis aus als der internationale Durchschnitt – nur 30 Prozent bescheinigen starke Defizite.

Ergänzung menschlicher und digitaler Kompetenzen

Immerhin 61 Prozent der deutschen Studienteilnehmer sehen ihr Unternehmen gut auf die Digitalisierung vorbereitet – international sind es nur 31 Prozent. Wichtig ist die Kultivierung eines Modells, in dem sich menschliche und digitale Eigenschaften ergänzen. Zu den typisch menschlichen Charakteristika zählen für die Studienteilnehmer vor allem soziale Kompetenz sowie die Fähigkeit, Probleme zu lösen. Wie genau der ideale Mix aus digitaler und menschlicher Befähigung aussehen und strategisch entwickelt werden soll, davon hat ein gutes Drittel der Befragten eigenen Angaben zufolge jedoch noch keine Vorstellung. (ig)