Mikromobilität neu gedacht

 Mikromobilität neu gedacht

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Werken und Logistikzentren der BMW Group legen zum Teil täglich bis zu zwölf Kilometer zu Fuß zurück. Bild: BMW

Die BMW Group hat für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein neuartiges Mikromobilitätskonzept entwickelt. Das Personal Mover Concept wird an den Standorten der BMW Group weltweit zur Verfügung stehen. Es lässt sich im Freien sowie in Gebäuden zur Fortbewegung nutzen und eignet sich zudem für den Transport von Gegenständen.

In ihrer Unternehmensstrategie „NUMBER ONE > NEXT“ hat die BMW Group die zentralen Zukunftsfelder (ACES) des technologischen Wandels definiert. Mit den dabei erzielten Fortschritten sowie mit innovativen Mobilitätskonzepten will das Unternehmen seine führende Rolle bei der Transformation zu einer nachhaltigen, individuellen und digitalisierten Mobilität festigen. Das bedeutet auch, Mobilität gesamthaft zu denken und für spezielle Anwendungsgebiete passgenaue, unkonventionelle und innovative Lösungen zu entwickeln. Forschungsprojekte wie der Motorrad X2City oder auch das Hochstraßenkonzept Vision E³ Way zeigen laut BWM, dass Mobilität sich stetig wandelt und weiterentwickelt. Dafür sei es notwendig, neue Wege zu gehen. Unter dieser Maßgabe entstand das Personal Mover Concept, ein elektrisches Ein-Personen-Fortbewegungsmittel für kurze Strecken innerhalb von Betriebsstandorten.

Die Aufgabe war aus BWM-Sicht naheliegend: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Werken und Logistikzentren der BMW Group legen zum Teil täglich bis zu zwölf Kilometer zu Fuß zurück. Der Transport von Kleinteilen und Arbeitsmitteln macht die weiten Wege oftmals noch beschwerlicher. Standorte wie das Forschungs- und Innovationszentrum in München oder die Werke in Dingolfing und Spartanburg sind weitläufige Areale und für die Erledigung ihrer Aufgaben sind die Strecken, die manche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurücklegen, enorm.

Experten aus dem Forschungs- und Technologiehaus in Garching haben deshalb zusammen mit Mitarbeitern des Zentralen Aftersales Logistiknetzwerks am Standort Dingolfing diese Herausforderung angenommen. An unterschiedlichen Standorten wurden stichprobenartig Mitarbeiter befragt und deren Bedürfnisse aufgenommen. Gleichzeitig wurden Umfeldanalysen durchgeführt und rechtliche Rahmenbedingungen wie zum Beispiel Standortsicherheitsrichtlinien berücksichtigt. Die Untersuchung ergab ein relativ anspruchsvolles Anforderungsprofil an die Mobilitätslösung, das Richard Kamissek, Abteilungsleiter Betrieb Zentrales Aftersales Logistiknetzwerk, zusammenfasst: „Flexibel, leicht in der Handhabung, schnell, elektrisch, sehr wendig und kippsicher. Gleichzeitig soll der Transport von Gegenständen einfach sein“.

Die Entstehung.

Recherchen von bereits bestehenden Angeboten ergaben keine zufriedenstellenden Ergebnisse. Die Experten des Bereichs Forschung, Neue Technologien, Innovationen kamen zu dem Ergebnis, dass nur eine maßgeschneiderte Eigenentwicklung eine adäquate Lösung liefern wird. Um kurzfristig kreative und unkonventionelle Konzeptideen zu generieren, nutzte man das unternehmensinterne Design Thinking Format „think.make.start“, in dem interdisziplinäre Teams mit Hilfe von agilen Methoden Ideen und Prototypen entwickeln und bewerten. Im Rahmen eines solchen „Makerthons“ wurde das Personal Mover Concept geboren. Die ersten Ideen erfüllten zwar alle Anforderungen, aber sprengten den Rahmen des technischen und finanziellen Aufwands für eine einfache und unkomplizierte Realisierbarkeit.

„Frei nach dem Motto ‚fail fast‘ haben wir nach dem Makerthon erneut die Köpfe zusammengesteckt und das Konzept radikal überarbeitet“, beschreibt Stephan Augustin, gemeinsam mit Rainer Daude verantwortlich für Sonderprojekte im Bereich Forschung, Neue Technologien, Innovationen, die Vorgehensweise. Im „MakerSpace“ der „UnternehmerTUM“, einer öffentlich zugänglichen Hightech-Werkstatt für Tüftler und Forscher, habe man mithilfe von engagierten Auszubildenden dann einen möglichst simplen Prototypen aufgebaut, welcher die zentralen Anforderungen erfüllt habe und gleichzeitig schnell, einfach und kostengünstig mit den hausinternen Kompetenzen realisiert werden konnte.

Die Umsetzung.

Die Bodenplatte des Personal Mover Concepts ist mit einer Breite von 60 Zentimeter und einer Länge von 80 Zentimeter so ausgelegt, dass eine Person bequem darauf stehen kann und gleichzeitig auch größere und schwere Gegenstände Platz finden. Zwei Räder an den hinteren Ecken der Bodenplatte und zwei Stützräder an den vorderen Ecken sorgen dafür, dass das Konzept auch in engen Kurven nicht kippt. Die vorderen zwei Stützräder sind um 360 Grad drehbar, was die Wendigkeit extrem erhöht. Mittig im vorderen Teil der Bodenplatte wird die Lenkstange mit Antriebsrad versenkt.

In der Lenkstange befinden sich die gesamte Elektrik, der Akku sowie das Antriebsrad. Die Lenkstange lässt sich bis 90 Grad nach links und rechts einschlagen. Auf diese Weise lässt sich das Personal Mover Concept auf der Stelle wenden. Am rechten Griff befindet sich ein Daumengashebel für die Geschwindigkeitsregelung. Über das Steuerelement wird das Personal Mover Concept gestartet, das Licht ein- und ausgeschaltet, der Fahrmodus gewählt oder der Ladezustand geprüft. Aus Sicherheitsgründen ist hier auch eine Klingel angebracht, um andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu warnen. Am linken Griff befinden sich die Bremse und ein Totmannschalter.

Schnelles Vorankommen und Fahrspaß

Wird nicht beschleunigt, rekuperiert das Personal Mover Concept ähnlich dem BMW i3, indem die frei werdende Bremsenergie wieder in den Akku eingespeist wird. Der elektrische Antrieb sorgt mit einer Beschleunigung bis auf maximal 25 km/h nicht nur für ein schnelles Vorankommen, sondern für garantierten Fahrspaß. Die Reichweite der verbauten Zellen beträgt etwa 20-30 Kilometer. Geladen wird das Personal Mover Concept über ein Netzteil an der normalen Haushaltssteckdose. Richtlinien der Arbeitssicherheit erfordern ein permanentes Tagfahrlicht. Hierfür ist eine LED-Frontleuchte in der Lenkstange vorhanden und zwei rote LED-Lichter sind in den Stoßfängern am Heck der Bodenplatte verbaut. Die Stoßfänger sowie die Korbhalterung und die Verkleidung der Lenkstangenbefestigung wurden mittels zwei unterschiedlicher additiver Fertigungsmethoden im 3D-Druck hergestellt, dem bekannten FDM (Fused Deposition Modeling) sowie in einem hochmodernen 2-Komponenten Polyjet Verfahren.

Fünf Prototypen des Personal Mover Concepts wurden im Rahmen einer internen, internationalen BMW Group Aftersales Logistikkonferenz vorgestellt und fanden großen Anklang. Für die Anwendung in den Werksbereichen wird die Maximalgeschwindigkeit auf die zulässigen 12 km/h beschränkt. Die im Normalbetrieb verfügbare Reichweite ermöglicht dabei den Betrieb über eine komplette Schicht ohne Nachladen. (ig)