Jede vierte Maschine ist smart
Jede vierte Maschine, die in deutschen Fabriken ihren Dienst tut, ist heute smart und arbeitet vernetzt. Das zumindest ergibt eine repräsentative Befragung von 553 Industrieunternehmen ab 100 Mitarbeitern im Auftrag des Digitalverbands Bitkom im Vorfeld der diesjährigen Hannover Messe. Demnach sind bereits 24 Prozent der Maschinen und Anlagen in deutschen Unternehmen mit dem Internet verbunden. „In den vergangenen Jahren hat sich in Sachen Industrie 4.0 viel getan“, kommentiert Bitkom-Präsident Achim Berg. „Machine-to-Machine-Kommunikation ist in den Fabriken Realität.“ Jetzt gehe es darum, den kompletten Maschinenpark aufzurüsten und ganze Geschäftsmodelle von analog auf digital zu drehen.
Der Begriff Industrie 4.0 ist mit Bedacht gewählt und steht für die vierte industrielle Revolution, in deren Verlauf die klassische Produktion mit dem Internet zusammenwächst. In den USA spricht man in diesem Zusammenhang vom „Industrial Internet“. Durch digitale Technologien wie Sensoren, Big-Data-Analysen oder 3D-Druck wird eine Fabrik zur intelligenten Fabrik, in der Maschinen, Produkte, Kunden und Lieferanten miteinander und nach außen vernetzt sind. Dadurch können Prozesse optimiert und Kosten gespart, aber auch neue, innovative Geschäftsmodelle entwickelt werden, etwa auf der Grundlage von Plattformen oder Big-Data-Analysen.
Heute bereits nutzt laut der Bitkom-Studie jedes zweite Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe (49 Prozent) Industrie-4.0-Anwendungen, weitere 22 Prozent haben konkrete Pläne für den Einsatz. Mehr als sieben von zehn deutsche Industrieunternehmen (71 Prozent) sind bereits im Bereich Industrie 4.0 aktiv. 18 Prozent der Befragten haben noch keine konkreten Pläne für den Einsatz von Industrie 4.0, können sich aber vorstellen, künftig entsprechende Anwendungen zu nutzen. Nur 9 Prozent sagen, dass Industrie 4.0 für sie kein Thema ist oder sein wird.
Alte Geschäftsmodelle funktionieren einfach noch zu gut
Bei der Umsetzung von Industrie 4.0 gehen die Unternehmen mehrheitlich (97 Prozent) strategisch vor, wobei die Ansätze unterschiedlich weit reichen: Lediglich 55 Prozent haben eine Strategie für das Gesamtunternehmen, 42 Prozent nur für einzelne Bereiche. „Auch wenn sich viele Unternehmen mit Industrie 4.0 auseinandersetzen, zeigt unsere Studie doch, dass oft nur einzelne Projekte in Angriff genommen werden“, bilanziert Berg. Alte Geschäftsmodelle funktionierten einfach noch zu gut, gerade in Hochkonjunktur-Zeiten wie aktuell. Das Geschäft von morgen sei aber ausschließlich digital und darauf müsse man sich jetzt entschlossen vorbereiten. Das Ausprobieren in Teilbereichen sei zwar ein guter Anfang. Um das volle Potenzial von Industrie 4.0 auszuschöpfen, müssten aber alle Bereiche konsequent digital aufgestellt werden. Industrie 4.0 ende nicht an den Fabriktoren. Intelligente Produkte, die während ihrer Nutzung mit dem Internet verbunden seien und Daten generierten, würden erst dann richtig wertvoll, wenn den Kunden damit neue datenbasierte Smart Services angeboten würden.
Bei Investitionen in Industrie 4.0 agiert der Großteil der Unternehmen allerdings noch eher vorsichtig. So haben Bitkom zufolge zwar so gut wie alle Betriebe, die Industrie 4.0 anwenden oder dies planen, in diesem Jahr Geld dafür eingeplant. Das Budget macht aber im Schnitt nur fünf Prozent des Gesamtumsatzes aus. „Industrie 4.0-Lösungen kosten zwar erst einmal Geld, ermöglichen aber langfristig starke Effizienzverbesserungen und Kostenreduktionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette“, ist Achim Berg überzeugt. „Nur wer signifikant in Industrie 4.0 investiert, kann den steigenden Kundenanforderungen gerecht werden und international konkurrenzfähig bleiben.“ Der wichtigste Treiber für Investitionen und den Einsatz von Industrie-4.0-Lösungen sind für Anwender und Planer laut Studie denn auch die Aussicht auf verbesserte Prozesse (68 Prozent) und verbesserte Kapazitätsauslastung (58 Prozent). Vier von zehn Unternehmen versprechen sich geringere Produktionskosten (43 Prozent) und eine schnellere Umsetzung von individuellen Kundenwünschen (41 Prozent).
So bleibt der notwendige Mitteleisatz beim Einsatz von Industrie 4.0 die größte Hürde. 72 Prozent aller Industrieunternehmen gaben in der Studie an, dass hohe Investitionskosten den Einsatz von Industrie 4.0 in ihrem Unternehmen hemmen. Anforderungen an den Datenschutz (58 Prozent) und an die Datensicherheit (56 Prozent) gehören ebenfalls zu den Haupthemmnissen. Der Mangel an Fachkräften wird von 49 Prozent als Problem genannt.
Aus- und Weiterbildung der Bestandskräfte in der Fabrik 4.0 immer wichtiger
Unternehmen haben auf der einen Seite Schwierigkeiten Mitarbeiter zu finden, und auf der anderen Seite sie nicht zu verlieren. Besonders Großunternehmen sind davon betroffen: Jedem fünften Industriekonzern mit 500 und mehr Mitarbeitern (21 Prozent) wurden bereits Mitarbeiter mit entsprechenden Kenntnissen abgeworben beziehungsweise musste das Unternehmen entsprechende Fachkräfte auf deren Wunsch hin ziehen lassen, wobei in der Regel unklar ist, ob dahinter die Abwerbung durch einen Wettbewerber steht.
Breiter Konsens herrscht darüber, dass eine gute Aus- und Weiterbildung der Bestandskräfte in der Fabrik 4.0 immer wichtiger werden. Und die Unternehmen bemühen sich, entsprechend zu reagieren. So sagen 53 Prozent, dass sie ihre Mitarbeiter in diesem Jahr für Industrie 4.0 weiterbilden werden. „Die Einführung neuer Technologien, Werkzeuge und Methoden für die Industrie 4.0 hat erhebliche Auswirkungen auf die Beschäftigten in Unternehmen“, fasst der Bitkom-Präsident zusammen. „Vor allem technische Fachkräfte mit langjähriger Berufserfahrung sehen sich im Rahmen der digitalen Transformation mit vielfältigen Veränderungen in ihren Aufgaben und Arbeitsweisen konfrontiert.“ Entscheidend für den Erfolg von Industrie 4.0 sei es, die Menschen für den digitalen Wandel zu gewinnen. Für die Aus- und Weiterbildung stünden viele Formate zur Verfügung. Sie könne innerbetrieblich, extern und gemeinsam mit anderen Unternehmen erfolgen. Auch E-Learning eigne sich gut.
Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie
Industrie 4.0 kommt den Mitarbeitern bei ihren Aufgaben dann aber auch zu gute. So sagen 85 Prozent, dass durch Industrie 4.0 die körperliche Belastung der Arbeiter in der Fabrik künftig weiter abnehmen wird, und jeder Zweite (48 Prozent) sagt, dass die Arbeit weniger fehleranfällig wird. Dass komplexe Aufgaben dank Industrie 4.0 auch von eher geringqualifizierten Arbeitern übernommen werden können, meinen vier von zehn Befragten (41 Prozent). Acht von zehn Unternehmen (83 Prozent) sagen, Industrie 4.0 ist die Voraussetzung für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie – und damit auch für die Sicherung von Arbeitsplätzen.
In der Selbsteinschätzung, welche Nation beim Thema Industrie 4.0 führend ist, wird Deutschland unter den Top drei gesehen, mit 22 Prozent nur knapp hinter den USA (26 Prozent) und Japan (25 Prozent). „Deutschland ist als Industrienation in einer guten Ausgangssituation“, glaubt Achim Berg. „Wichtig ist nun, dass Unternehmen, Verbände, Gewerkschaften und die Politik zusammenarbeiten, damit Industrie 4.0 zur Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im Zeitalter der Digitalisierung nachhaltig beitragen kann.“ (ig)