Fachkräftemangel bremst Digitalisierung im Mittelstand aus

 Fachkräftemangel bremst Digitalisierung im Mittelstand aus

Einige erfolgreiche Unternehmen nutzen längst beherzt die Chancen, die ihnen digitale Technologien bieten, stellen beispielsweise die Lieferanten- und die Kundenbeziehungen konsequent auf digitale Technologien um und können ihre Marktposition ausbauen. Bild: TU Chemnitz

Der Personalmangel bedroht die Zukunftsfähigkeit des deutschen Mittelstands: Inzwischen klagt jeder fünfte Mittelständler, dass ihm die Mitarbeiter fehlen, um überhaupt oder mehr in die Digitalisierung zu investieren – vor einem Jahr lag der Anteil nur bei 13 Prozent. Damit stellt der leergefegte Arbeitsmarkt inzwischen das größte Problem für die Digitalisierung des Geschäfts dar. Weitere 15 Prozent der Mittelständler haben nach eigener Einschätzung nicht das nötige Wissen und 13 Prozent verfügen nicht über ausreichende finanzielle Möglichkeiten. Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young), für die 2.000 mittelständische Unternehmen in Deutschland befragt wurden.

Der oft beklagte Fachkräftemangel kann schnell zu Nachteilen im Wettbewerb führen: So setzen Wachstumsunternehmen, die mit mehr als drei Prozent Wachstum im Jahr 2018 rechnen, deutlich stärker auf digitale Technologien als Unternehmen mit weniger guten Geschäftsaussichten. Bei 68 Prozent der besonders dynamisch wachsenden Unternehmen spielen digitale Technologien eine wichtige Rolle, im gesamten Mittelstand nur bei 60 Prozent. Gar keine Rolle spielen digitale Technologien nur bei acht Prozent der Wachstumsunternehmen. Im gesamten Mittelstand ist der Anteil mit 14 Prozent fast doppelt so hoch.

Aus dem Vertrieb ist die Digitalisierung fast gar nicht mehr wegzudenken: 70 Prozent der Unternehmen geben an, dass ihre Kundenbeziehungen ganz oder teilweise auf digitalem Weg stattfinden. 60 Prozent nutzen mobile Endgeräte im Betrieb, 40 Prozent wickeln Verkauf und Bezahlung online ab. „Die digitale Zweiklassengesellschaft verfestigt sich“, kommentiert Michael Marbler, Partner bei EY und verantwortlich für den Bereich Mittelstand. „Einige erfolgreiche Unternehmen nutzen längst beherzt die Chancen, die ihnen digitale Technologien bieten, stellen beispielsweise die Lieferanten- und die Kundenbeziehungen konsequent auf digitale Technologien um und können ihre Marktposition ausbauen“. Auf der anderen Seite warteten immer noch viele Unternehmen ab und zögerten die notwendigen Investitionen hinaus. Die ausbleibende Digitalisierung bei diesen Unternehmen könne sich schnell rächen. Im schlimmsten Fall sei sogar die Existenz in Gefahr, wenn die Unternehmen den Anschluss an den Wettbewerb verlören oder wenn unerwartet neue Konkurrenten mit digitalen Lösungen auftauchten und etablierte Geschäftsbeziehungen gefährdeten.

Mehrheit empfindet Digitalisierung als Chance

Dabei empfindet eine Mehrheit von 74 Prozent der Mittelständler die Digitalisierung als Chance, bei den Wachstumsunternehmen beträgt der Anteil 76 Prozent. Damit schließt sich auch die Lücke zwischen den wachstumsstarken Unternehmen und denen, die nur leicht oder gar nicht wachsen: Vor einem Jahr sahen nur 63 Prozent der kaum wachsenden Unternehmen in der Digitalisierung eine Chance, dafür aber 77 Prozent der wachstumsstarken Mittelständler. Zahlreiche Mittelständler haben das Thema inzwischen zur Chefsache gemacht: Knapp jeder Dritte (31 Prozent) hat in seiner Geschäftsführung bereits einen Chief Digital Officer – also eine Person, die die Digitalisierung verantwortet.

„Der deutsche Mittelstand hat zum großen Teil die Herausforderung verstanden und steht der Digitalisierung offen gegenüber“, stellt Marbler fest. Zahlreiche Unternehmen hätten ihren Vertrieb oder ihre Produktion bereits erfolgreich modernisiert. Sie passten sich flexibel an neue Herausforderungen an und integrierten digitale Technologien in ihre Produkte und in die eigenen Unternehmensabläufe. Allerdings gebe es auch Unternehmen, die nicht so stark in Zukunftstechnologien investieren könnten, wie sie gerne würden.

Die Mitarbeiter sind aus Sicht vieler Unternehmer der Schlüssel für eine erfolgreiche Digitalisierung: 42 Prozent erkennen in den gestiegenen Anforderungen an die Kompetenz der Mitarbeiter eine große Relevanz bei der Digitalisierung. 40 Prozent messen der Cybersecurity eine große Bedeutung bei und 29 Prozent der Entwicklung neuer Vertriebswege. Die Umfrage zeige, dass eine strategische und moderne Personalpolitik immer mehr zum Schlüssel für die erfolgreiche Umsetzung der Digitalisierung wird, so Marbler. „Es ist ein Alarmsignal, dass inzwischen schon jedes fünfte Unternehmen wegen fehlenden Personals Investitionen in die Digitalisierung nicht im angestrebten Umfang durchführen kann beziehungsweise sogar unterlässt“. Gut ausgebildete Fachkräfte seien inzwischen nur noch schwer zu finden, weil der Arbeitsmarkt leergefegt sei. Unternehmen müssten deswegen langfristig planen und mit Voraussicht suchen, ihren Mitarbeitern regelmäßige Fort- und Weiterbildungen anbieten und sich insgesamt als attraktiver Arbeitgeber positionieren.

Kleine Mittelständler setzen weniger auf Digitalisierung

Insbesondere kleinere Mittelständler tun sich oft noch schwer mit der Umsetzung der Digitalisierung. Von den Mittelständlern mit einem Umsatz von weniger als 30 Millionen Euro geben 55 Prozent an, dass digitale Technologien bei ihnen eine sehr große oder mittelgroße Rolle spielen. Bei den Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 30 Millionen und 100 Millionen Euro beträgt der Anteil schon 63 Prozent und bei den großen Mittelständlern mit über 100 Millionen Euro Umsatz sind es 66 Prozent. Entsprechend empfinden die kleineren Unternehmen die Digitalisierung auch weniger als Chance. 70 Prozent der kleinen Mittelständler sehen eine Chance durch die neuen Technologien, bei den großen Mittelständlern mit über 100 Millionen Euro Umsatz ist der Anteil mit knapp 80 Prozent deutlich höher.

„Kleinere Unternehmen haben oft nicht die finanziellen Mittel, um ihre Produktion oder ihren Vertrieb umzustellen“, warnt Michael Marbler vor einer gefährlichen Abwärtsspirale. „Zudem haben sie es am Arbeitsmarkt oft schwerer, die nötigen Fachkräfte zu finden, da sie weniger bekannt sind als größere Unternehmen“. Dabei könnten auch sie durch Digitalisierung flexibler werden und Geld, Zeit und Ressourcen sparen. Wenn ihnen das Geld und das Personal fehlten, müssten sie kreativer werden, um trotzdem mit der Entwicklung Schritt zu halten. Kooperationen mit anderen Unternehmen oder mit einer Forschungseinrichtung könnten sinnvolle Alternativen sein. (ig)