Autonomer 3D-Scanner unterstützt individuelle Fertigungsprozesse

 Autonomer 3D-Scanner unterstützt individuelle Fertigungsprozesse

Der Roboterarm fährt den Scanner so um das Bauteil herum, dass er mit möglichst wenigen Scans die komplette Geometrie erfassen kann. Bild: Fraunhofer IGD

Die Armlehne im Oldtimer ist gebrochen? Bislang sind noch viel Glück und Durchhaltevermögen erforderlich, das passende Ersatzteil aufzutreiben. Im Zuge von Industrie 4.0 und der Produktion mit Losgröße eins lässt sich das Ersatzteil einfach scannen und ausdrucken. Möglich macht dies ein 3D-Scanner, der erstmals autonom und in Echtzeit arbeitet.

Der besondere Charme von Oldtimern liegt darin, dass sie schon lange nicht mehr gefertigt werden – auf den Straßen sind sie somit rar und etwas Besonderes. Geht jedoch etwas am Fahrzeug kaputt, wird diese Sonderstellung schnell zum Problem. Denn Ersatzteile werden naturgemäß nicht mehr produziert. Im Zuge von Industrie 4.0 soll sich das ändern: Die Produktion wandelt sich hin zur Losgröße eins, sprich zur individuellen Fertigung. Man spricht dabei auch von „Highly customized mass production“.

Neuer Scanner arbeitet autonom und in Echtzeit

Bislang ist diese individuelle Fertigung noch weitestgehend Zukunftsmusik. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung IGD holen die Vision von der Losgröße eins nun jedoch mit einem neuartigen 3D-Scansystem einen großen Schritt weiter in Richtung Realität. „Das Besondere an unserem System: Es scannt Bauteile erstmals autonom – und zwar in Echtzeit“, erklärt Pedro Santos, Abteilungsleiter am Fraunhofer IGD.

Für Oldtimer-Besitzer mit einem fehlenden Ersatzteil heißt das: Das defekte Bauteil wird notdürftig zusammengeklebt und auf einen Drehteller gelegt, der sich unter einem Roboterarm mit dem Scanner befindet. Alles Weitere geschieht automatisch: Der Roboterarm fährt den Scanner so um das Bauteil herum, dass er mit möglichst wenigen Scans die komplette Geometrie erfassen kann. Dafür braucht er, je nach Größe und Komplexität des Bauteils, nur einige Sekunden bis wenige Minuten. Bereits während des Scans erstellen intelligente Algorithmen im Hintergrund ein dreidimensionales Abbild des Objekts. Eine anschließende Materialsimulation des 3D-Abbilds überprüft, ob ein 3D-Druck den Anforderungen in punkto Stabilität genügt. In einem letzten Schritt wird das Bauteil über einen 3D-Drucker ausgedruckt und kann im Oldtimer verbaut werden.

Langwieriger Anlernprozess entfällt

Die Entwicklungsleistung liegt jedoch nicht im Scanner an sich, wie Santos betont, sondern vielmehr in der Kombination des Scanners mit einer Ansichtenplanung zu einem autonomen Gesamtsystem. Diese Ansichtenplanung stammt ebenfalls vom Fraunhofer IGD. Darin ermitteln Algorithmen anhand eines ersten Scans, welche weiteren im Anschluss sinnvoll sind, sodass das Objekt mit möglichst wenigen Scans erfasst werden kann. Diese Vorgehensweise ermöglicht es dem System, ihm vollkommen unbekannte Objekte selbständig und schnell zu vermessen.

Dies ist bislang einmalig, denn bei bisherigen Scannern hieß es, sie entweder anzulernen, oder das CAD-Modell des Bauteils zu besitzen und dadurch die Lage des Objekts relativ zum Scanner zu erkennen. Hatte man für die Qualitätskontrolle (SOLL-IST-Vergleich) den Scanner für einen Autositz angelernt, so würde er die nächsten 200 Autositze scannen können, weil sie in der Massenproduktion weitgehend identisch sein würden. Für die Losgröße eins sind die herkömmlichen Scanner allerdings wenig geeignet. „Unser Scansystem dagegen kann jedes beliebige Bauteil vermessen, unabhängig davon, wie es ausgerichtet ist – und man muss es nicht anlernen“, erläutert Santos. Auch Informationen zu CAD-Modellen oder Templates – also die Vorgaben von Standardformen, die ein Bauteil üblicherweise aufweist – seien nicht nötig.

Fertigungsassistent für die Industrie 4.0

Durch diese Alleinstellungsmerkmale ermöglicht der autonome Scanner gänzlich neue Anwendungen. So kann er etwa als Fertigungsassistenz dienen und die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine verbessern. Diese Interaktion steht im Projekt „Autoware“ im Fokus, das von der EU gefördert wird. Die Aufgabenstellung liegt im Zusammensetzen von Zylindern samt Kolben, Gehäuse und Dichtungen. Bisher werden die Zylinder manuell zusammengesetzt, die anschließende Qualitätskontrolle erfolgt über eine ausgedruckte Liste und manuelle Messungen.

„Unser 3D-Scansystem versetzt Roboter nun in die Lage, über einen Abgleich mit der Datenbank sowohl zu erkennen, welches Bauteil er gerade vor sich hat, als auch zu ermitteln, welche sein menschlicher Mitarbeiter zum Zusammensetzen des Zylinders als nächstes braucht“, erklärt Santos. Zudem übernehme die Maschine per Scan die abschließende Qualitätskontrolle. Im Rahmen weiterer Projekte arbeiteten die Forscher des Fraunhofer IGD zudem daran, die gesamte Kette von Erfassung, Visualisierung und 3D-Reproduktion durchzuspielen. (ig)