Quantenchemische Simulationen für Energiewende-Visionen

 Quantenchemische Simulationen für Energiewende-Visionen

Die Simulationen im Forschungsprojekt „Ab-initio-Untersuchung von Grenzflächen: Eigenschaften und Reaktionen“ benötigen enorme Computer-Rechenzeit. Bild: Fraunhofer IWM

Stellen Sie sich vor, Katalysatoren könnten mit Sonnenlichtenergie aus Wasser Wasserstoff produzieren und würden ihn mit Kohlendioxid aus Abgasen von Fabrikanlagen effizient in umweltfreundlichen Diesel-Ersatzkraftstoff Oxymethylenether (OME) umwandeln. Der Kraftfahrzeugmotor liefe zudem mit sehr geringer Reibung und würde dadurch sehr viel weniger Kraftstoff als herkömmliche Autos benötigen. Mit diesen Zukunftsvisionen als Ziel klären Forscherinnen und Forscher am Freiburger Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM mithilfe von Simulationen quantenchemische und molekulare Vorgänge an Materialgrenzflächen auf. Dafür wurden sie mit dem »John von Neumann Exzellenzprojekt« ausgezeichnet.

Die Simulationen im Forschungsprojekt „Ab-initio-Untersuchung von Grenzflächen: Eigenschaften und Reaktionen“ benötigen enorme Computer-Rechenzeit: Die virtuellen Untersuchungen molekularer Reibungs- und Verschleißprozesse an unterschiedlichen Kohlenstoffhartschichten bis hin zu sonnengetriebenen quantenchemischen Reaktionen an Oberflächen neuer Halbleitermaterialien erfolgen in Millionen von Prozessorstunden.

„Seit nunmehr 15 Jahren nutzen wir die Supercomputer am John von Neumann-Institut für Computing, NIC, für derartige Berechnungen mit und erweitern damit die Kapazitäten an unserem Institut“, erläutert Professor Michael Moseler, Leiter der Gruppe Multiskalenmodellierung und Tribosimulation des Fraunhofer IWM, MicroTribologie Centrum µTC. Das NIC, das als Einrichtung dreier Helmholtzzentren Supercomputer-Rechenzeit für Forschungsprojekte bereitstellt, zeichnete das Fraunhofer-Projekt als „John von Neumann Exzellenzprojekt“ aus und stellte den Simulationsexpertinnen und -experten großzügige zusätzliche Rechenzeit zur Verfügung.

Mit kleinsten Elementarkräften Zukunftsvisionen angehen

„Wir forschen zurzeit an Katalysatoren, die mit Sonnenenergie Wasserstoff aus Wasser produzieren“, erklärt Moseler. Damit solle dann mit dem Kohlendioxid aus Abgasen von Fabrikanlagen der synthetische Kraftstoff Oxymethylenether OME hergestellt werden. „Das wäre dann schon in der Herstellung ein großer Beitrag zur CO2-neutralen Mobilität und hätte später ebenso bei der Nutzung des Kraftstoffs im Fahrzeug Vorteile, denn OME verbrennt rußfrei«, so Moseler weiter.

Für die Wasserstoffproduktion und die Weiterverarbeitung zu flüssigen Kraftstoffen betrachtet er unterschiedliche Elektroden- und Katalysatormaterialien um Vorhersagen für besonders effiziente Lösungen treffen zu können. Hierbei stellt Moselers Gruppe das Valenzelektronensystem der betrachteten Materialien mittels quantenmechanischen Simulationen nach. Aus den Ergebnissen lassen sich die elektronischen und mechanischen Eigenschaften der betrachteten Grenzflächen vorhersagen. „Damit untersuchen wir, was an Oberflächen von Materialien passiert, wenn beispielsweise Sonnenenergie darauf einwirkt oder sich Edukte während der Kraftstoffsynthese daran anlagern oder wir untersuchen, wie eine Oberfläche bei Reibung mit einer Gegenfläche reagiert, zum Beispiel bei Lagern in Automotoren“, beschreibt der Materialforscher.

In Zukunft vermehrt wasserbasierte Schmierstoffe

Mit diesen Untersuchungsmethoden ist die Gruppe von Moseler weltweit führend. In Industrieprojekten der Automobilbranche entwickelt sie Lösungen, um neuartige Schmierstoffe an die Beschichtungen von Motorzylinder-Bauteilen anzupassen oder deren Kohlenstoff-Beschichtungen zu optimieren. Auch in diesen Themen stecken enorme Potenziale, den CO2-Ausstoß in der Mobilität zu verringern: Je weniger Reibung in den Motoren auftritt, desto weniger Treibstoff wird für die gleiche Fahrstrecke benötigt. In Zukunft werden vermehrt wasserbasierte Schmierstoffe eine Rolle spielen, weshalb großes Interesse an der Wasserschmierung und -benetzung von Kohlenstoffoberflächen besteht. Professor Moseler und sein Team untersuchen die Funktionalisierung der Oberfläche mit geeigneten Endgruppen (beispielsweise Fluor). (ig)