Autoindustrie-Umsätze verdoppeln sich bis 2030

 Autoindustrie-Umsätze verdoppeln sich bis 2030

Für die Analyse wurden von McKinsey unterschiedliche Szenarien errechnet sowie Experten und Entscheider aus Industrie und Behörden befragt. Foto: Siemens

Bis 2030 werden sich die Umsätze der Automobilbranche von heute 3,4 Billionen auf 6,6 Billionen US-Dollar fast verdoppeln. Mobilitätsdienstleistungen, autonomes Fahren oder elektrische Antriebe werden rund ein Viertel des Gesamtumsatzes ausmachen – heute liegt ihr Anteil unter 1 Prozent. Traditionelle Einnahmen wie der Fahrzeugverkauf (40 Prozent der Umsätze) oder Service und Wartung (19 Prozent) bleiben wichtig. Das sind die wichtigsten Ergebnisse der aktuellen Studie „The automotive revolution is speeding up – perspectives on the emerging personal mobility landscape“ der Unternehmensberatung McKinsey.

„Die Autoindustrie kann eine goldene Zukunft vor sich haben, wenn sie die disruptiven Veränderungen annimmt“, kommentiert Andreas Tschiesner, Leiter der europäischen Automobilberatung von McKinsey. Dabei sei vor allem die Fähigkeit gefragt, mit der bestehenden Unsicherheit umzugehen. Neue Technologien wie das autonome Fahren, E-Mobilität oder datenbasierte Services öffneten die Industrie für neue Wettbewerber. „Gleichzeitig sind viele notwendige Rahmenbedingungen noch nicht geklärt, beispielsweise beim autonomen Fahren oder bei der Infrastruktur für E-Autos“ so Tschiesner weiter.

Die traditionellen Hersteller stellen sich nach Aussage der Studienverantwortlichen auf die neue Mobilitätswelt ein. 80 Prozent der großen Hersteller hätten beispielsweise angekündigt, bis 2025 hochautomatisierte Fahrzeuge zu entwickeln. „Wir werden ein Zusammenspiel von neuen Technologieanbietern mit den bestehenden Autoherstellern und Zulieferern erleben“, ist Timo Möller, Leiter des McKinsey Center for Future Mobility und Co-Autor der Studie, überzeugt. In vielen Zukunftsfeldern bringe die traditionelle Autoindustrie gute Voraussetzungen mit. So könnten Hersteller und Mietwagenunternehmen beim Carsharing ihre Kompetenzen aus Flottenmanagement und Service einbringen.

Entscheidend für den künftigen Erfolg ist die Kompetenz

Kein Autohersteller kann alle benötigten Kernkompetenzen aufbauen und die dafür notwendigen Investitionsmittel in Höhe von mehr als 70 Milliarden US-Dollar allein aufbringen, um auf allen Feldern vorne mitzuspielen, so ein weiteres Ergebnis der Studie. „Entscheidend für den künftigen Erfolg wird die Kompetenz sein, Partnerschaften zu managen“, glaubt Timo Möller. Es gelte für Autohersteller und Zulieferer, sich auf neue – auch unkonventionelle – Formen der Zusammenarbeit mit Technologieunternehmen und Wettbewerbern einzulassen, ohne das nach wie vor starke traditionelle Geschäft aus Neuwagenverkäufen und Service und Wartung zu vernachlässigen.

Die Investitionen in Start-ups und Technologieunternehmen aus der Auto- und Mobilitätsbranche erreichen derweil Rekordhöhen Nach Berechnungen von McKinsey wurden seit 2010 weltweit 111 Milliarden US-Dollar in neue Unternehmen aus den Bereichen autonomes Fahren, E-Mobilität, Connectivity und Carsharing investiert. Allein 31 Milliarden Dollar davon im vergangenen Jahr. Auch die durchschnittliche Investitionssumme steigt. Während 2010 noch 4,5 Millionen Dollar pro Start-up ausgegeben wurden, stieg der Wert auf 15,8 Millionen Dollar im laufenden Jahr.

Industrie tut sich schwer mit jungen Unternehmen zu kooperieren

Nur 6 Prozent der Gesamtsumme wurden von Autoherstellern und Zulieferern in diese Start-ups und Technologieunternehmen investiert, deutlich davor liegen Private-Equity-Gesellschaften und Risikokapitalgeber (50 Prozent) sowie Investitionen von Hardware- (25 Prozent) und Softwareherstellern (19 Prozent). So das Ergebnis einer Untersuchung, für die McKinsey & Company mehr als 1.000 Transaktionen in der Auto- und Mobilitätsindustrie seit 2010 analysiert hat.

Junge Unternehmen, die neue Carsharing-Lösungen anbieten, verbuchten mit 36,5 Milliarden Dollar fast ein Drittel der Gesamtinvestitionen, danach folgten Anbieter von Technologien für selbstfahrende Autos (24,1 Milliarden Dollar) und für das User Interface (15,4 Milliarden Dollar). Traditionelle Autohersteller und Zulieferer müssen nach Meinung von McKinsey aufpassen, dass sie ihren Technologievorsprung nicht an neue Konkurrenten verlieren, die aggressiv in junge Unternehmen investieren und so Zugriff auf innovative Technik, Ideen und Talente bekommen. Zwar seien die Investitionen in klassische Forschung und Entwicklung nach wie vor hoch – Autohersteller investierten 2016 rund 77 Milliarden Dollar, Zulieferer weitere 34 Milliarden Dollar –, doch die Industrie tue sich noch schwer damit, Kooperationsmodelle mit diesen jungen Unternehmen zu finden.

Knapp 70 Prozent würden für bessere Connectivity die Automarke wechseln

„Investitionen sind auch deshalb so wichtig, weil Autokäufer viele der neuen Technologien, die jetzt nach und nach in die Autos eingebaut werden, nicht mehr missen möchten“, sagt Matthias Kässer, Partner im Münchener Büro von McKinsey und Co-Autor der Studie. Für die Analyse hat McKinsey mehr als 3.000 Autokäufer in Deutschland, USA und China befragt. 47 Prozent der Kunden (in Deutschland: 30 Prozent) geben an, dass sie keine Angst haben, ihre Familie künftig von einem selbstfahrenden Auto chauffieren zu lassen. Knapp 70 Prozent würden für bessere Connectivity die Automarke wechseln (Deutschland: 44 Prozent) – doppelt so viele wie noch vor zwei Jahren. 23 Prozent ziehen beim nächsten Autokauf ein elektrisch angetriebenes Fahrzeug in Erwägung, und zwei Drittel aller Autofahrer wollen in den kommenden zwei Jahren neue Mobilitätsangebote wie Carsharing und Co. stärker nutzen.

Der Autostandort Deutschland hat in diesem Umfeld Nachholbedarf. Während seit 2010 mehr als 56 Milliarden Dollar in fast 500 Start-ups aus den USA flossen, verbuchten junge Unternehmen aus Deutschland nur 1,1 Milliarde Dollar für sich, verteilt auf 60 Unternehmen. China (24 Milliarden Dollar), Israel (18 Milliarden) sowie Singapur und Indien mit vier und zwei Milliarden Dollar liegen laut McKinsey noch vor Deutschland. (ig)