Agrartechnik auf globalen Schlüsselmärkten auf Wachstumskurs

 Agrartechnik auf globalen Schlüsselmärkten auf Wachstumskurs

Das volle Potential des Digital Farming lässt sich laut VDMA nur dann entfalten, wenn es gelingt eine verbindliche Digital-Agenda für die europäische Landwirtschaft auf den Weg zu bringen. Foto: fodjan

Gute Zeiten für die europäische Agrartechnikindustrie: einträgliche Ernten und Erzeugerpreise, besonders für Milch und Futterpflanzen, haben die Nachfrage nach innovativen Landmaschinen und Traktoren in zahlreichen Schlüsselmärkten befeuert. Sowohl Landwirte als auch Lohnunternehmen sind in Kauflaune und dürften den Herstellern von Landtechnik im kommenden Jahr ein Produktionsplus von 4 Prozent bescheren. Und das „Digital Farming“ sorgt für zusätzliche Investitionsanreize.

Bereits das Halbjahresergebnis ließ die Landmaschinen-Branche aufatmen: Nach drei lähmenden Jahren der Rezession bekam die Landtechnikproduktion am Standort Deutschland mit einem Umsatzplus von 7 Prozent einen ordentlichen Schub. Für das Gesamtjahr 2017 rechnen die VDMA-Statistiker unter Berücksichtigung der üblichen saisonalen Schwankungen mit einem Zuwachs um 6 Prozent auf 7,6 Milliarden Euro. „Dass wir kein kurzfristiges Hoch erleben, ist mittlerweile deutlich geworden“¸ ist Dr. Bernd Scherer, Geschäftsführer des Fachverbandes Landtechnik beim VDMA, überzeugt. Denn auch für 2018 zeigten sämtliche Indikatoren klar nach oben, weshalb man seitens des VDMA ein weiteres Produktionsplus um 4 Prozent erwarte. Das anhaltende Preiswachstum auf den globalen Milchmärkten, Wechselkursvorteile aufgrund des schwachen Euros und der fortwährende Professionalisierungstrend in der europäischen Landwirtschaft seien die bestimmenden Gründe der gegenwärtigen Hausse.

Produktionskapazitäten sind hervorragend ausgelastet

Die Industrie bewertet ihre aktuelle Umsatzsituation mit Bestnoten. Das geht aus dem kürzlich veröffentlichten Geschäftsklimaindex des europäischen Dachverbandes CEMA hervor. Die Produktionskapazitäten sind demnach hervorragend ausgelastet. Auftragseingänge und Auftragsbestände erreichen neue Höchststände. Im Durchschnitt entsprach der Auftragsbestand während des gesamten Jahres einer Produktionsdauer von annähernd drei Monaten – ein Spitzenwert, der zuletzt im Ausnahmejahr 2013 notiert wurde. Positiv haben sich auch die Investitionsplanungen der Landwirte entwickelt; allein in Deutschland ist der Indexwert im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent gestiegen.

Osteuropa ist Taktgeber des Aufschwungs

Besonders starke Konjunkturimpulse liefern momentan vor allem die Agrarschwergewichte Russland und Ukraine, die seit Herbst 2016 für anhaltend hohe Bestellungen sorgen. Für 2017 geht der VDMA in beiden Märkten von Wachstumsraten zwischen 10 und 25 Prozent aus. Sorge bereitet der Branche der anhaltende Protektionismus in Russland, der in der jüngst verabschiedeten Agrarstrategie des Landes deutlich zum Ausdruck komme. Darin beschränken sich Förderprogramme in äußerst restriktiver Weise auf heimische Hersteller.

„Die russische Landwirtschaft hat langfristig nur dann eine reelle Chance, auf den internationalen Agrarmärkten zu punkten, wenn die russische Führung endlich eine deutliche wirtschaftspolitische Kurskorrektur vornimmt“, ist Scherer überzeugt. Damit die Landwirte ihre größtenteils extensiv bewirtschafteten Flächen effizienter nutzen könnten, benötigten sie Technik, die von russischen Herstellern kaum angeboten werde. „Wenn Förderprogramme für die Landwirtschaft aber gerade diejenige Technik ausschließen, die mehr Effizienz bringt, beschneiden sie die Wettbewerbsfähigkeit der Bauern ganz massiv“, betont Dr. Bernd Scherer.

Ein echter Turnaround ist den europäischen Landtechnikherstellern in Zentraleuropa gelungen, wofür vor allem die Milchpreiswende den Ausschlag gegeben hat. Ihr Hauptprofiteur ist Polen, das dank zahlreicher junger Betriebsleiter bestens für die Zukunft aufgestellt ist. Mit einem ordentlichen Plus von 3 Prozent wird aber auch der deutsche Markt zum positiven Jahresergebnis beitragen. Auf Frankreich, das mit einem jährlichen Importvolumen von rund 1 Milliarde Euro das größte Abnehmerland deutscher Agrartechnik ist, richten sich dagegen positive Erwartungen für 2018, nachdem sich die Investitionssituation in den zurückliegenden Monaten zwar verbessert, aber immer noch nicht gewendet hat.

Nordamerika erholt sich allmählich

Auch in Nordamerika macht sich allmählich wieder Optimismus breit. Nach einer Durststrecke von drei Jahren prognostizieren Industrie und Handel für das kommende Jahr deutlich steigende Umsätze. Dass der Aufschwung in kurzer Zeit alle Produktgruppen erreichen wird, bezweifeln Marktkenner jedoch. „Während in Kanada auch die Geschäfte mit größeren Maschinen wieder besser laufen, gestaltet sich der Verkauf leistungsstarker Traktoren und Mähdrescher in den USA nach wie vor schwierig“, erklärt Scherer.

Eher verhalten entwickelt sich bisher der ostasiatische Raum. In China bewegen sich die Preise für die wichtigsten Ackerbaukulturen Weizen und Mais seit drei Jahren auf einem sehr niedrigen Niveau. Die Produktion von Soja ist im Vergleich mit den USA und Brasilien nicht wettbewerbsfähig. Aufgrund von Subventionen ist der aktuelle Maschinenbestand viel zu hoch. Für das kommende Jahr erwarten die meisten VDMA-Mitglieder allerdings wieder ein leichtes Wachstum.

Digital-Agenda für die europäische Landwirtschaft erforderlich

Als besonderer Investitionsanreiz für innovative landwirtschaftliche Betriebe gelten die neuen digitalen Möglichkeiten, wie eine aktuelle VDMA-Kundenbefragung zur Digitalisierung des Agribusiness zeigt. „Dass mehr als 80 Prozent der diesjährigen Produktneuheiten auf digitalen Vernetzungsideen beruhen, ist ein starkes Zeichen für die Algorithmen-basierte Landwirtschaft“, freut sich Dr. Bernd Scherer. Das volle Potential des Digital Farming lässt sich aus Sicht des VDMA-Geschäftsführers allerdings nur dann entfalten, wenn es endlich gelinge, eine verbindliche Digital-Agenda für die europäische Landwirtschaft auf den Weg zu bringen, die alle relevanten Politikfelder erfolgreich miteinander vernetze. „Dabei ist der große Bogen von der Agrar- und Ernährungspolitik über die Digital- und Industriepolitik bis hin zur Regionalpolitik zu spannen“, resümiert Scherer. Fragen des Breitbandausbaus, der Datenhoheit und der Datensicherheit seien in diesem Zusammenhang ebenso erfolgsentscheidend wie industriegemeinsame Standards und offene, herstellerübergreifende Schnittstellen. (ig)