VDE fordert: Mit Sachverstand aus der Kohle

 VDE fordert: Mit Sachverstand aus der Kohle

Die Klimaziele können bis 2030 erreicht werden, wenn der verstärkte Ausbau der Erneuerbaren Energien im Gleichschritt mit dem Ausbau des Stromnetzes erfolgt. Bild: BMWi

Deutschland verfügt über das sicherste Stromnetz weltweit. Die Ausfallzeiten sind niedrig, obwohl sich der Mix der Energiequellen zunehmend umweltfreundlicher gestaltet. Ein früherer und überhitzter Kohleausstieg wird die Netz- und Systemsicherheit fundamental ins Wanken bringen, warnt der Technologieverband VDE (Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik) und fordert einen vom Sachverstand getriebenen Ausstieg aus der Kohleverstromung.

Der Technologieverband VDE mahnt die Parteien zur Besonnenheit. „Beim Thema Kohleausstieg muss eine neue Bundesregierung mit Sachverstand vorgehen“, fordert Ansgar Hinz, CEO des VDE alle Parteien auf. Auch wenn von der Energiebilanz her eine Abkehr von Kohlenstoffemissionen bis 2020 möglich sei, hinkten der dafür notwendige Netzausbau und die Kommunikationsinfrastruktur, vor allem im Verteilnetz, deutlich hinter dem Plan her. „Wir gehen davon aus, dass bis 2030 die Klimaziele erreicht werden können, wenn der verstärkte Ausbau der Erneuerbaren Energien im Gleichschritt mit dem Ausbau des Stromnetzes erfolgt“, so Hinz weiter. Ein früherer und überhitzter Ausstieg aus der Kohleverstromung aber würde die Netz- und Systemsicherheit fundamental ins Wanken bringen. Eine Gefährdung des Rückgrats der deutschen Volkswirtschaft, der Elektroenergieversorgung dürfe es nicht geben.

Milliardenbeträge fällig, um Blackout zu verhindern

„Jeder möge einmal fünf Minuten innehalten und überlegen, was es für ihn persönlich bedeutet, ohne Strom den Alltag bewältigen zu müssen“, gibt Ansgar Hinz zu bedenken. Was man nicht sehe und spüre, sei nicht existent – nur so könne man die eine oder andere Entscheidung in Politik und Gesellschaft verstehen. Fakt sei aber, dass die Netzbetreiber immer häufiger kostenintensive Redispatch-Maßnahmen, also die Einspeisung von Kraftwerksleistung inklusive der Erneuerbaren-Energieanlangen, anpassen, um eine stabilen Netzbetrieb sicher zu stellen, ergreifen müssten. Die betroffenen Energiemengen hätten 2015 und 2016 bei rund 3 Prozent des jährlichen Bruttoinlandstromverbrauchs gelegen. Für die Anpassung von konventionellen Kraftwerken haben die Netzbetreiber im vergangenen Jahr 219 Millionen (Mio.) Euro an Entschädigungen gezahlt (2015: 412 Mio. Euro). Die Entschädigungen für die Abregelung von Erneuerbare-Energien-Anlagen im Rahmen des sogenannten Einspeisemanagements schlugen 2016 mit 373 Mio. Euro zu Buche (2015 waren es 478 Euro).

Sicherheitsreserven notwendig, sonst kommt der Strom aus der Kernkraft

Deutschland verfügt mit nur 15,1 Minuten Stromausfall pro Kunde (2016) über das sicherste Stromnetz weltweit. Allerdings drohen nach Meinung der VDE-Experten mit dem Ausfall der Kohlekraftwerke Netzengpässe. Noch sprängen im Ruhrgebiet und im Osten die Braunkohlekraftwerke als Sicherheitsreserve für die hohen Fluktuationen aufgrund von Erneuerbaren Energien ein. Würden die Braunkohlekraftwerke zu früh stillgelegt, müssten einzelne Regionen Strom importieren.

Der Osten würde den Strom der stillgelegten Braunkohlekraftwerke in der Lausitz durch Strom aus Polen oder der Tschechischen Republik ersetzen müssen. „Und grün ist dieser Strom beim besten Willen nicht“, erläutert Hinz. Polen erzeuge fast ausschließlich Strom aus Kohlekraftwerken, Tschechien betreib zusätzlich zu Kohlekraftwerken ein großes Atomkraftwerk. Nordrhein-Westfalen müsste im Notfall Strom aus den Niederlanden importieren. Auch hier sei der Strom nicht grün, würden die Niederlande beispielsweise ihren aus Belgien bezogenen Strom an den Westen weitergeben. Belgien betreibe neben Gas- und Kohlekraftwerken zwei Kernkraftwerke. Um diese beiden Kraftwerke gibt es immer wieder Gerüchte. Sie stehen aufgrund von Sicherheitsmängeln seit langem in der öffentlichen Kritik. Für Ansgar Hinz „klingt das alles klingt nach wenig Sachverstand auf dem Weg in eine Zukunft der sauberen Energiegewinnung“, die unbestritten das Ziel sein müsse.

Klimaziele werden bis 2030 erreicht

Dennoch ist der VDE davon überzeugt, dass die vereinbarten Klimaziele eingehalten werden. Würden die Netze wie derzeit geplant ausgebaut, entspanne sich die Situation ab 2025 merklich. Denn dann griffen die HGÜ-Leitungen (HGÜ – Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung) vom windreichen Norden in den Süden Deutschlands. „Diese Leitungen hätten wir um einiges früher fertig stellen können, wenn politische Ränkespiele in einzelnen Regionen Deutschlands die Fertigstellung nicht um Jahre verzögert hätte“, beklagt der VDE-Chef. Die Einsprüche gegen Freileitungen hätten die Entwicklung merklich behindert. „Ein geordneter Kohleausstieg ist sinnvoll und das deutsche Stromsystem ist auch mit Wind und Sonne sicher“, fasst Ansgar Hinz zusammen. Aber nur, solange man den Netzausbau inklusive IKT-Aufrüstung (IKT= Informations- und Kommunikationstechnik) sowie die Sektorenkopplung vorantreibe. Dann erreiche man auch die gesteckten die Klimaziele. (ig)