Arbeiten in der digitalisierten Industrie der Zukunft

 Arbeiten in der digitalisierten Industrie der Zukunft

„Bedienerlos heißt nicht, dass der Mensch in der Produktion der Zukunft keine Rolle mehr spielt“, betont Prof. Eberhard Abele. Bild: TU Darmstadt

Die WGP (Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik) hat auf ihrer diesjährigen Herbsttagung in Berlin erstmals den Industriearbeitsplatz 2025 aus gesamtgesellschaftlicher Sicht beschrieben. Man will sich damit von den bislang vor allem technischen Fragestellungen zur Mensch-Maschine-Schnittstelle abheben. Denn die Digitalisierung und Vernetzung des produzierenden Gewerbes berge nicht nur technische Herausforderungen, es gingen auch gesamtgesellschaftliche Veränderungen damit einher.

„Wir glauben, dass die WGP nicht nur die Expertise, sondern auch die Pflicht hat, diese gesellschaftlichen Veränderungen zu benennen“, erläutert Prof. Eberhard Abele, Präsident der WGP. „Aus diesem Grund haben wir im vergangenen Jahr begonnen, uns diesem Thema durch Befragungen und Untersuchungen anzunähern, um die Auswirkungen von Industrie 4.0 auf die Menschen und unsere Gesellschaft besser zu verstehen.“

Definition autonomer Fabriken als erste Aufgabe

Auf der Herbsttagung einigte sich der Zusammenschluss renommierter deutscher Maschinenbau-Professoren zunächst auf eine allgemeingültige Definition selbstlernender Produktionssysteme beziehungsweise autonomer Fabriken. Demnach gibt es fünf Stufen der Automatisierung, von denen die fünfte und letzte künftig nicht mehr als „vollautomatisierte Systeme“ bezeichnet werden soll, sondern – angeglichen an die Definition in der Automobilindustrie – als bedienerlose Systeme, die selbstlernend und ohne menschliche Bedienung den Produktionsprozess regeln.

„Bedienerlos heißt aber nicht, dass der Mensch in diesen Systemen keine Rolle mehr spielen wird“, betont Abele, der das Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) der TU Darmstadt leitet. Der Mensch werde immer als Supervisor beziehungsweise Gestalter gefragt sein. Zumal es auch in Zukunft darum gehen werde, unter Ausnutzung aller technischen Möglichkeiten den wirtschaftlichsten Wertschöpfungsprozess zu gestalten. Das hieße aber auch, dass nicht immer das höchste Level an Automatisierung notwendig oder sinnvoll sein werde.

Wird Deutschland den Vorsprung halten können?

Die zunehmende Automatisierung der Produktion auch in Ländern wie China oder Süd-Korea hat nach Auffassung des WGP zur Folge, dass der Vorsprung, den Hochlohnländer und insbesondere Deutschland durch ihre exzellent ausgebildeten und international gefragten Fachkräfte heute noch haben, künftig schrumpfen könnte. Auch stehe die Frage im Raum, ob durch aktuelle Entwicklungen wie der vorausschauenden Wartung (Predictive Maintenance) künftig weniger Mitarbeiter für den Betrieb und die Instandhaltung komplexer Produktionsanlagen benötigt würden.

Eine eingesetzte Arbeitsgruppe, die sich mit den Wettbewerbschancen Deutschlands in Zeiten von Industrie 4.0 befasste, kam jedoch zu dem Ergebnis, dass der Vorsprung Deutschlands auch in näherer Zukunft gehalten werden kann. „Denn Länder wie China oder auch die USA setzen auf eine Software-getriebene Produktion“, berichtet Abele. Im Gegensatz dazu betreibe Deutschland eine Prozessverständnis-getriebene Produktion. Damit seien die Mitarbeiter selbst bei zunehmender.

Automatisierung in der Lage, den Prozess nachzuvollziehen und wo nötig entsprechend einzugreifen. Außerdem würden gut ausgebildete Fachkräfte und Ingenieure auch in Zukunft für Einrichtung und Fernwartungen der Prozessketten benötigt.

WGP will neueste Ausbildungsinhalte einbringen

Angesichts der rasant fortschreitenden Automatisierung der Produktionssysteme ist allerdings für die WGP-Mitglieder die möglichst schnelle Anpassung der Ausbildung von Fach- und Führungskräften in der Industrie eine drängende Herausforderung. De facto spielt die Digitalisierung in den Lehrbüchern derzeit noch keine Rolle. Hinzu kommt, dass die Ausbilder, seien es Berufsschullehrer oder Universitätsprofessoren, zumeist keine Digital Natives sind – aber eben solche ausbilden sollen. „Dabei brauchen wir Unterstützung“, so Abele, weshalb die WGP den Schulterschluss mit anderen Akteuren auf dem Gebiet „Digitalisierung in der Ausbildung“ sucht.

Auf der Herbsttagung bestimmten die Professoren aus diesem Grund Vertreter, die mit diesen Akteuren, namentlich der Nachwuchsstiftung Maschinenbau des VDMA, den Industrie- und Handelskammern oder auch des Bundesinstituts für Berufliche Bildung (BIBB), das Gespräch suchen werden. Ziel ist es, die Expertise der WGP, die sämtliche Bereiche der Produktionstechnik und -wissenschaft abdeckt, in die Ausbildungsinhalte einfließen zu lassen. „Wir können neueste wissenschaftliche Erkenntnisse an Fach- und Führungskräfte, aber auch an Aus- und Weiterbilder weitergeben und auf diese Weise den Wissenstransfer in die Praxis enorm beschleunigen“, so Abele.

Vom lebenslangen Lernen wollen sich die Professoren und Institutsleiter der WGP dabei nicht ausnehmen. Man dürfe daher nicht nur über Aus- und Weiterbildung von Fach- und Führungskräften sowie Lehrern sprechen, sondern müsse auch in der akademischen Ausbildung über eine Art ,Professoren-TÜV‘ nachdenken. Nur so ließe sich sicherzustellen, dass angesichts der rasanten Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten auch die universitäre Ausbildung regelmäßig angepasst werde und der hervorragende Ruf deutscher Ingenieure bestehen bleibe. (ig)