Fraunhofer IPA: Schnelle Maschinen noch schneller machen

 Fraunhofer IPA: Schnelle Maschinen noch schneller machen
Viele produzierende Unternehmen setzen auf eine Vielzahl an Maschinen desselben Typs, die unterschiedlich schnell laufen. Die „smarte Systemoptimierung“ des Fraunhofer IPA soll es erlauben, per automatisierten Maschinen-Benchmarking alle Maschinen zusammen auf das höchstmögliche Niveau zu bringen. Zu sehen ist das Tool auf der EMO Hannover vom 18. bis 23. September 2017.

Ramona Hönl ist am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) für die Pressekommunikation zuständig.

In vielen Produktionen stehen dutzende identische Maschinen in einer Reihe und führen immerzu denselben Bearbeitungszyklus aus. Üblich ist das beispielsweise bei der Herstellung von Werkstücken im Spritzguss, Tiefziehen oder der Metall- bzw. Kunststoffweiterverarbeitung.

Obwohl die Maschinen gleich aufgebaut sind, arbeiten manche langsamer als andere. Das liegt meistens am Verschleiß bestimmter Bauteile, variierendem Sensorverhalten oder unterschiedlichen Werkzeugeinstellungen. Die Schwachstelle zu beheben fällt Unternehmen oft schwer.

„Die Maschine taktet schnell und durchläuft viele Einzelprozesse. Mit bloßem Auge erkennt man die Ursache kaum beziehungsweise gar nicht, wenn der Grund in der Kommunikation der Maschinensteuerung verborgen liegt“, so Felix Müller, Fachthemenleiter Autonome Fertigungssystemoptimierung am Fraunhofer IPA. Außerdem sei es schwierig, eine Zielgröße festzulegen, weil nur die Gesamtzykluszeit, nicht aber die Dauer der technischen Einzelprozessschritte als Vergleichswert vorliegt.

Tool deckt Zeitverlust bei einzelnen Prozessschritten auf

Die „smarte Systemoptimierung“ soll es erlauben, ein automatisiertes Maschinenbenchmarking durchzuführen und alle Komponenten des Fuhrparks auf das bestmögliche Niveau zu bringen. Die Schlüsseltechnologie dabei sind adaptierte Algorithmen, die speziell zur Analyse von schnell taktenden Stückgüter-Produktionslinien entwickelt wurden.

Zunächst wird der Gesamtablauf der Maschine definiert und in Einzelprozesse, die Subschritte, zerteilt. „Die Gesamtzeit beträgt je nach Anwendungsfall zum Beispiel 50 Sekunden, ein technischer Subschritt in unserem Benchmarkwerkzeug nur wenige Millisekunden. So granular könnte mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand niemand seine Maschine händisch analysieren“, so Müller. Anschließend wird mit dem Optimierungswerkzeug eine durchgängige Datenbasis generiert und echtzeitnah an das Analysetool übermittelt.

Zur Datenerhebung „von innen“ kommt ein hochperformanter Konnektor zum Einsatz, der auf die Daten aus der Maschinensteuerung zugreift. Zusätzlich zeichnen intelligente Kameras „von außen“ die relevanten Prozessmerkmale auf. Mit dieser kontinuierlichen Datenbasis erkennt das Analysetool sofort, wenn eine Maschine langsamer als vorgesehen läuft. Auch die Ursache für die lange Prozessdauer wird mithilfe der Algorithmen automatisiert ausgegeben. Der Anwender kann nun viel schneller reagieren und die Störung schon vor dem Ausfall beheben.

Darüber hinaus kann er einen optimierten Zielwert für die absolut schnellste Maschine erfassen, indem er die besten Einzelprozesse zusammenfügt. „Anlagenhersteller und auch die Betreiber können ihre schnellsten Maschinen so noch schneller machen“, betont Müller.

Zykluszeit um bis zu 10 % reduziert

Erfolgreich eingesetzt wurde das Werkzeug schon in einem Werk der Freudenberg Sealing Technologies bei einer ganzen Reihe von komplexen Spritzgießmaschinen für Dichtungen. Hier konnten die Wissenschaftler das Verhalten der Schalter und Achsen an den einzelnen Maschinen untersuchen und dessen spezifische Auswirkungen auf die Taktzeit aufdecken. Auch Verschmutzungen und ungünstige Ventileinstellungen ließen sich als Ursachen aus dem Analysemodell ableiten. „Insgesamt konnten wir je Maschine den Bearbeitungszyklus um 6–10 % verkürzen“, so Müller. Zwei Monate nach Projektende hatte der Praxispartner die analysierten Maßnahmen umgesetzt und auf weitere identische Maschinen ausgerollt.

Auch zur Optimierung verketteter Produktionssysteme nutzbar

Neben dem Benchmarking im Maschinen- und Anlagenbau ist die „smarte Systemoptimierung“ auch zur Verbesserung von schnell taktenden, vollautomatischen Produktionssystemen nutzbar. Hier erkennt das Analysetool automatisiert Fehler und deren Fortpflanzung durch die Prozesskette. Auf diese Weise können Defekte wie zum Beispiel ein Materialstau, der zum Ausfall des Systems führt, im Vorfeld erkannt und behoben werden.

„Basis hierfür bildet unser hochperformanter Konnektor, der die Maschinensteuerungen Big-Data-fähig macht. Somit lassen sich vom IPA entwickelte, lernende Systeme auf die Datenflut anwenden, Missstände automatisiert erkennen und schwerwiegende Folgefehler oder lange Stillstände durch Fehlersuchzeit vermeiden“, erklärt Müller.

Auf der EMO 2017 wollen die IPA-Experten die Lösung an einer Mini-Fabrik demonstrieren. Dafür haben sie den Materialfluss eines verketteten Fertigungssystems nachgebildet, das von einer Mitsubishi-, einer Siemens S7– und einer Beckhoff-SPS gesteuert wird. Der Besucher sieht auf einem Dashboard, wie die Daten aus der Maschinensteuerung und den Kameras echtzeitnah abgegriffen werden, in das Analysetool einfließen und in Echtzeit Schlüsse bezüglich Fehlerentstehung und Folgefehlern beziehungsweise Folgestillständen gezogen werden. Kurze, aber häufige Leistungsverluste in großen Anlagen werden hierüber sicht- und behebbar.

https://www.ipa.fraunhofer.de/de/veranstaltungen/messen/EMO_Hannover.html