Studie: Unternehmen entwickeln sich zu Serviceanbietern

 Studie: Unternehmen entwickeln sich zu Serviceanbietern
Mit Big-Data-Analysen lassen sich große Datenmengen sinnvoll verarbeiten und Mehrwerte generieren; produzierende Unternehmen setzen die Methode bislang selten ein. Das Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) hat in einer Studie untersucht, welche Vorteile „Big Data“ für KMU bringen kann – und daraus Unterstützungsangebote abgeleitet.

Big-Data-Analysen gelten als Schlüsseltechnologie von Industrie 4.0: Im Handel, der Finanzbranche oder bei großen internationalen Unternehmen wie Amazon oder Google gehören sie längst zum Alltag. Produzierende Unternehmen hingegen nutzen sie bisher kaum. „Unsere Befragung zeigt, dass nur 14 % der Firmen eine konkrete Strategie für die Einführung von Big-Data-Analytik haben. Und das, obwohl die Mehrzahl der Teilnehmer ein großes Potenzial erwartet“, konstatiert Projektleiter Dennis Bauer vom Fraunhofer IPA. Viele würden den Mehrwert nicht erkennen, sich um Datensicherheit sorgen – oder es fehle an Wissen und Personal.

Um Unternehmen den Einstieg zu erleichtern, hat das Fraunhofer IPA daher die Studie „Big-Data-Analytik: Datenbasierte Optimierung produzierender Unternehmen“ aufgesetzt, in deren Zentrum der produzierende Mittelstand steht. Für ihre Ausarbeitung haben die Wissenschaftler Thesen zu nötigen Veränderungen in den Unternehmensdimensionen Mensch, Technik, Organisation und Geschäftsmodell generiert. Diese fragten sie bei 150 Entscheidern aus der Industrie in einer Online-Befragung ab und vertieften sie in Experteninterviews. Anschließend wurden Rückschlüsse gezogen, Entwicklungsfelder generiert und Unterstützungsangebote zugeordnet. Vorgestellt wurden die Ergebnisse am 25. Juli 2017 im Rahmen des „2. Spitzentreffen Industrie 4.0 live“ in Stuttgart.

Mitarbeiter benötigen andere Qualifikationen

Die Teilnehmer sind sich einig, dass Big-Data-Analytik Veränderungen im Unternehmen mit sich bringt: „Über 93 % gehen von neuen Rahmenbedingungen, Anforderungen und Aufgaben aus“, so Bauer. Besonders betroffen seien die Mitarbeiter – knapp 99 % der Befragten gaben sich überzeugt, dass sich deren notwendige Qualifikation mit der fortschreitenden Digitalisierung ändern werde (und müsse). „Das Personal muss immer stärker mit digitalen Werkzeugen arbeiten. Kenntnisse in der Mathematik, Statistik und IT sowie die Verknüpfung mit Domänenwissen werden wichtiger“, erläutert Bauer.

Große Veränderungen bringt Big-Data-Analytik auch für die Technik mit sich: 70 % der Befragten gaben an, effizienter zu produzieren, je früher Wartungen und Instandhaltungen eingeplant werden. Anwendungsszenarien wie Predictive Maintenance spielen also eine immer größere Rolle; die Prozessplanung wird zunehmend von Unternehmensdaten getrieben.

Verstärktes Auftreten von Serviceanbietern

Veränderungen ergeben sich auch bei der Kooperation und Vernetzung mit anderen Unternehmen. Durch den Austausch und die Auswertung heterogener Daten über die Wertschöpfungskette hinweg wird es möglich, Kooperationen zu intensivieren und den Fokus auf eigene Kernkompetenzen zu legen. Des Weiteren kann die datenbasierte Optimierung abflachende Hierarchien mit sich bringen, wovon insbesondere die IT- und Kommunikationsbranche überzeugt ist.

Beim Geschäftsmodell wird deutlich, dass sich Unternehmen zunehmend zu Serviceanbietern entwickeln: „Mit den Anwendungen können sie Bedarfe und Kapazitäten besser organisieren und ihre Services gezielter ausrichten“, weiß Bauer. Unternehmen könnten sich somit beispielsweise auf ein bestimmtes Produktionsverfahren spezialisieren oder, wie am Beispiel „Air-as-a-Service“ des Kompressorherstellers Kaeser ersichtlich, den Wandel vom Produktanbieter hin zum Full-Service-Dienstleister vollziehen.

Der Mensch im Mittelpunkt

Auf Basis der Veränderungen haben die IPA-Wissenschaftler elf Entwicklungsfelder für die vier Dimensionen abgeleitet. „Fast immer steht der Mensch im Mittelpunkt. Er muss entsprechend geschult werden, die Sensibilität der Daten berücksichtigen und sich in neue Strukturen einfinden“, erläutert Bauer. Im Personalmanagement müssten Unternehmen zum Beispiel Weiterbildungskonzepte erarbeiten, um ihre Mitarbeiter auf den Umgang mit großen heterogenen Datenmengen vorzubereiten. Das lasse sich schon bei den Vorreiterunternehmen aus dem Silicon Valley erkennen, die immer mehr Data Scientists beschäftigten, so Bauer.

Auf technischer Seite gilt es, die Datenzuverlässigkeit, -verfügbarkeit und -sicherheit zu gewährleisten; weiterhin müssen Unternehmen ihre Produktion vernetzen und in eine IT-Architektur implementieren. Letzteres stellt sicher, dass die Daten langfristig gespeichert und den Anwendungen für Analysen bereitgestellt werden. Geeignet hierfür seien insbesondere cloudbasierte Lösungen, so die Studienautoren. Ein weiteres Entwicklungsfeld betrifft die Analytik – hier sollten Unternehmen geeignete Analysemethoden für identifizierte Anwendungsszenarien ausarbeiten und intuitive Analysewerkzeuge (etwa in Form von Apps) bereitstellen. Die Geschäftsmodelle müssten angepasst und optimiert werden, damit aus Daten, Informationen und aus Wissen Wertschöpfung entsteht.

Unterstützung für KMU

Die Studie zeigt Unternehmen abschließend, welche Unterstützungsangebote es für die jeweiligen Entwicklungsfelder gibt. Den Bereich Personalentwicklung decken zum Beispiel das Future Work Lab der Fraunhofer-Institute IAO und IPA in Stuttgart oder die Fraunhofer-Allianz Big Data ab. Die Geschäftsmodelle wiederum sind Schwerpunkt der Einrichtung „Industrie 4.0-Testumgebung für KMU“ (I4KMU). Das Applikationszentrum Industrie 4.0 des Fraunhofer IPA bedient die Entwicklungsfelder Anwendungsszenarien und Vernetzung; Analytik-Apps finden die Unternehmen im Smart Data Innovation Lab oder im Smart Data Solution Center BW.

Die 88 Seiten lange Studie kann unter unten stehendem Link kostenlos angefordert werden.

Ramona Hönl ist am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) für die Pressekommunikation zuständig.

https://www.ipa.fraunhofer.de/de/Publikationen/studien/BestellungderStudiebd.html