Forschungsprojekt rationalisiert „Roboter-Recruiting“

 Forschungsprojekt rationalisiert „Roboter-Recruiting“
Das RIF – Institut für Forschung und Transfer in Dortmund hat im Rahmen des Forschungsprojekts „Manuserv“ eine Software entwickelt, die manuelle Arbeitsabläufe erfasst, analysiert und geeignete Automatisierungslösungen in Form einer Simulation vorschlägt. Dadurch soll die Einführung von Servicerobotersystemen in Industrie und Landwirtschaft vereinfacht werden.

Im Werk des Gebäudetechnik-Herstellers Albrecht Jung in Schalksmühle hat das RIF-Team Ende März die praktische Umsetzung der Idee am Beispiel eines Montageprozesses vorgestellt: Die rund 30 Gäste aus Wissenschaft und Wirtschaft konnten live mitverfolgen, wie der Arbeitsvorgang „Fertigung eines smarten Unterputzradios“ erfasst und (nach Eingabe der Daten sowie Auswahl eines Serviceroboters) in Form einer virtuellen Inbetriebnahme überprüft wurde.

Zentrale Bestandteile der Lösung sind das von der Firma Icarus Consulting entwickelte Web-Portal sowie das Planungs- und Simulationssystem, das vom RIF stammt. Im Rahmen des nun abgeschlossenen Projekts hatte das RIF-Team auch in drei weiteren Branchen – Hausgeräte, Anlagenbau und Landwirtschaft – die Einrichtung neuer Kollaborationen von Menschen und Robotern im betrieblichen Alltag erproben können.
Der Projektverlauf
2014 hatten die RIF-Abteilungen von Prof. Dr.-Ing. Jürgen Roßmann, Prof. Dr.-Ing. Jochen Deuse und Prof. Dr.-Ing. Bernd Kuhlenkötter ihr Know-how aus den Bereichen Robotertechnik, Industrial Engineering und Produktionsautomatisierung zur Entwicklung des Planungs- und Entscheidungsunterstützungssystems zusammengeführt. Das Ziel: technologisch und ökonomisch sinnvolle (Teil-)Automatisierungen von Servicerobotern zu fördern.
Das mittelständische Familienunternehmen Albrecht Jung gehörte zu den ersten Pilotanwendern im Projekt „Manuserv“. Bereits im vorigen Jahre konnte hier ein Serviceroboter, der die Laserbeschriftung eines vormontierten Netzteils übernimmt, in den Fertigungsprozess im Werk Lünen integriert werden. Dafür hatte RIF sämtliche Bewegungen des Werkers am Arbeitsplatz mit Hilfe von Motion Capturing sowie anhand einer arbeitswissenschaftlichen Beschreibung der handhabungsrelevanten Komponenten (z. B. Bauteile, Werkzeuge) und Bewegungsfolgen analysiert, taugliche marktgängige Serviceroboter identifiziert und in einer virtuellen Inbetriebnahme mit moderner Simulationstechnik anwendungsbezogen überprüft.
„Die Akzeptanz des Roboters, den wir dann in dieser Referenzanwendung im Werksalltag einsetzen konnten, hat uns ermutigt, weitere Prozesse im Bereich der Montage, Logistik und Materialbereitstellung zu überprüfen, zumal wir im Zuge von Industrie 4.0 unsere Produkte zukünftig weiter stark individualisieren werden“, berichtet Dirk Wettlaufer, Werksleiter bei Albrecht Jung in Lünen.
Auch weitere Anwendungspartner konnten im Rahmen des Projekts den Weg in Richtung industrieller Assistenzrobotik einschlagen: So konnte bei der Firma GEA Farm Technologies GmbH ein Prototyp zum Reinigen von Melksystemen in der Landwirtschaft entwickelt und realen Eignungstests in der Praxis unterzogen werden. Im Bielefelder Werk der Firma Miele & Cie. KG arbeitet infolge des RIF-Projektes nun ein Assistenzroboter mit verschiedenen Mitarbeitern zusammen, nachdem die physische Mitarbeiterentlastung bei der Endmontage von Staubsaugern zuvor im RIF-Labor in Dortmund in einer originalgetreu nachempfundenen Fertigungssituation nachgewiesen worden war.
Die Grenzen der Service-Robotisierung
Nicht bei allen Projektpartnern wurde der Einsatz eines Serviceroboters für sinnvoll befunden; bei der Firma KHS Corpoplast GmbH etwa ergab die Analyse zunächst eine Empfehlung zur Umgestaltung der Streckblasmaschine, um Automatisierung zu ermöglichen. Eine Analyse des Umrüstvorgangs an der umgestalteten Maschine identifizierte Einsatzpotenziale für Robotersysteme, und in Vor-Ort-Tests konnte bestätigt werden, dass der Umrüstvorgang von einem Industrierobotersystem ausgeführt werden kann. Serviceroboter erwiesen sich in den Tests dagegen als nicht geeignet für diesen Einsatzzweck, da die erforderlichen Kräfte und Genauigkeiten von diesen (noch) nicht erreicht werden können.
„Insgesamt zeigt das Projekt, wie greifbar nah die Mensch-Roboter-Kollaboration in der Praxis bereits ist, wenn wir das vorhandene Know-how sinnvoll kombinieren. Unterschiedlichste Anwender können wir mit unseren Methoden nun bei der Planung servicerobotischer Systeme unterstützen – und wir können auch sagen, in welchen Fällen der Einsatz eines Serviceroboters keinen Sinn ergibt“, bilanzierte Prof. Dr.-Ing. Jürgen Roßmann, Vorstand des RIF.
Derzeit werden weitere potenzielle Prozesse bei den Projektpartnern untersucht und Gespräche mit weiteren interessierten Unternehmen zum Einsatz der Technologie geführt.
Über das RIF
Das RIF Institut für Forschung und Transfer in Dortmund wurde 1990 als Zusammenschluss von Hochschullehrern aus verschiedenen technologieorientierten Universitätsbereichen unter dem Namen „Dortmunder Initiative zur rechnerintegrierten Fertigung (RIF e. V.)“ gegründet. Als eines der Johannes-Rau-Forschungsinstitute des Landes Nordrhein-Westfalen entwickelt das RIF heute Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in Projekten interdisziplinär und anwendungsorientiert so weiter, dass sie von Unternehmen in der Praxis genutzt werden können.
Das RIF setzt im Bereich Robotertechnik neueste Forschungserkenntnisse in der Simulation und Virtual Reality-Technologie unmittelbar in Produkte um. Erkenntnisse aus der Mikrostrukturtechnik, der Werkstofftechnologie und -prüfung unterstützen die Verbesserung und nachhaltige Gestaltung von Produkten. Werkzeuge aus dem Qualitätsmanagement, der Arbeitswissenschaft und der Logistik sowie automatisierungstechnische Lösungen helfen Unternehmen in den verschiedensten Branchen, ihre Produktivität und die Qualität von Produkten zu steigern bzw. Herstellungskosten zu senken.
Der ganzheitliche Ansatz des Instituts wird durch Projekte im industriellen Marketing, durch innovative Controlling-Konzepte und moderne Methoden der Personalentwicklung sowie des Veränderungsmanagements abgerundet. Über die Konrad Zuse-Forschungsgemeinschaft ist das RIF zudem in ein bundesweites, branchenübergreifendes Netzwerk von über 60 deutschen außeruniversitären, gemeinnützigen Forschungseinrichtungen eingebunden.
Sabine von der Beck ist für VDB Public Relations in Gelsenkirchen tätig.