Deutschlands Autobauer schalten in den Öko-Modus

 Deutschlands Autobauer schalten in den Öko-Modus
Die heimische Autoindustrie meint es offenbar ernst mit der grünen Wende: Wie eine Prognose der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) nahelegt, dürften Volkswagen, Daimler und BMW in diesem Jahr EU-weit erstmals mehr als 100 000 rein elektrisch betriebene Fahrzeuge herstellen – ein Plus von über 50 % gegenüber dem Vorjahr.

Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich bei Modellen mit Hybridantriebsstrang ab: Von ihnen dürften die deutschen Hersteller dieses Jahr in der EU knapp 330 000 Stück produzieren. Das entspricht einer Steigerung von rund 46 %.

Dazu Felix Kuhnert, Partner und Leiter des Bereichs Automobilindustrie bei PwC: „Die langfristigen Herausforderungen der Automobilindustrie erfordern ein grundsätzliches Umdenken. Dabei bilden alternative Antriebe neben Digitalisierung, autonomem Fahren und neuen Geschäftsmodellen einen wesentlichen Baustein.“
Alternativ betriebene Autos verlieren Exotenstatus
„Natürlich sind das Zuwächse auf einem immer noch sehr niedrigen Niveau. Trotzdem belegen die Zahlen eindrucksvoll, dass auch die deutschen Autohersteller mit aller Macht auf alternative Antriebe setzen“, ergänzt Christoph Stürmer, Global Lead Analyst von PwC Autofacts.
Er rechnet damit, dass sich dieser Trend in den kommenden Jahren noch deutlich verstärken wird. So zeigen Projektionen von PwC, dass die deutschen Hersteller bereits 2023 mehr als 500 000 Elektroautos in Europa bauen dürften; die Zahl der Hybride wird bis dahin bei schätzungsweise 1,7 Mio. jährlich liegen. Im Hinblick auf den an diesem Donnerstag beginnenden Genfer Autosalon hält Stürmer daher fest: „Vor drei Jahren galten die alternativ betriebenen Fahrzeuge auf den Automessen noch als Exoten. Diesmal werden sie in Genf das ‚New Normal‘ sein.“
Unterm Strich sinkt die Produktion leicht
Das Wachstum bei Hybriden und E-Fahrzeugen kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschlands Autobauer in diesem Jahr insgesamt in Europa voraussichtlich weniger Fahrzeuge bauen werden als noch 2016. So kalkuliert PwC Autofacts nach dem kräftigen Vorjahresplus von 4,6 % mit einem Rückgang von 1,2 % auf nur noch rund 8,46 Mio. Pkw und leichte Nutzfahrzeuge. Rechnet man die alternativ betriebenen Fahrzeuge heraus, liegt das erwartete Minus sogar bei 2,9 %.
„Das ist zwar einerseits eine ziemlich deutliche Bremsung – andererseits sollte man die Entwicklung aber auch nicht überinterpretieren“, so Stürmer. Denn: „Das Minus ist auch eine Folge der zuletzt ungewöhnlich kräftigen Zuwächse, die zum Teil mit hohen Eigenzulassungen der Hersteller erkauft wurden. Die strukturelle Nachfrage in Deutschland bleibt hingegen intakt, so dass es keinen Grund gibt, die Produktion noch deutlicher zurückzufahren.“
Was wird aus UK?
Die größten Sorgen mit Blick auf Europa insgesamt bereitet zurzeit der britische Markt. Hier mussten einige Hersteller zuletzt sogar die Preise erhöhen, weil sich der Import von Fahrzeugen aus der Eurozone aufgrund des Pfund-Verfalls deutlich verteuerte. Gleichzeitig wird es für die Autobauer wieder interessanter, Autos für den lokalen Bedarf tatsächlich auf der Insel zu bauen. Dies könnte zukünftige Währungsschwankungen zumindest teilweise ausgleichen.
Trotzdem befürchtet Christoph Stürmer gravierende Folgen, sollte die britische Automobilwirtschaft im Zuge des Brexits den ungehinderten Zugang zum EU-Binnenmarkt verlieren. Im Extremfall könnte die Produktion statt der ursprünglich prognostizierten 1,6 Mio. Fahrzeuge auf unter eine Million im Jahr fallen. „Dann droht ein Szenario wie in den 1980er und 1990er-Jahren, als die Industrie in England schon einmal durch eine tiefe Krise ging“, so Stürmer.
Wachstum kommt 2017 Jahr vornehmlich aus dem Osten der EU
Für dieses Jahr geht PwC Autofacts davon aus, dass die Zahl der Neuzulassung im Vereinigten Königreich von rund 2,7 auf nur noch gut 2,5 Mio. zurückgehen könnte. Der britische Anteil am Neugeschäft in der EU würde damit von 17,8 auf 16,4 % sinken. EU-weit rechnet PwC mit 15,5 Mio. Zulassungen, was einen Zuwachs von nur noch 2,7 % bedeutet – nach 6,5 % im Vorjahr. Während der Absatz in den EU-Kernmärkten (neben Deutschland und UK sind das Frankreich, Italien und Spanien) nur noch um 1,9 % zulegen dürfte, erwartet PwC für die sogenannten EU-13-Staaten ein Plus von 15,8 %. Das Kürzel EU-13 steht für die vor allem osteuropäischen Staaten, die der Union zwischen 2004 und 2013 beigetreten sind.
Sven Humann ist für die Presseabteilung von PricewaterhouseCoopers (PwC) tätig.