Boom im Wohnungsbau stößt an Grenzen, öffentlicher Bau im Aufwind
Die Boom-Phase im Baugewerbe neigt sich dem Ende zu. Branchenvertreter rechnen 2019 mit einem Wachstum von 4,2 Prozent. Für 2021 liegen ihre Erwartungen allerdings nur noch bei 3,8 Prozent. Die erwartete Abkühlung betrifft insbesondere den Wohnungsbau, während der öffentliche Bau neuen Schwung erfährt. Zu diesen Ergebnissen kommt die Studie „Wachstum in der Bauzuliefererindustrie 2021“, für die PwC 100 Unternehmen aus der deutschen Bau- und Zulieferindustrie befragt hat.
„Der hohe Renovierungsbedarf, die Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden und die zunehmende Vernetzung der Gebäudetechnik wirken sich weiter positiv auf das Wachstum in der Bauindustrie aus. Allerdings rechnet die Branche damit, dass die Zinsen wieder anziehen und sich die Finanzierungsbedingungen dadurch verschlechtern werden“, kommentiert Ralph Niederdrenk, Leiter der Deals Strategy Group bei PwC Deutschland. Besonders im Wohnungsbau könne dies die zuletzt sehr hohe Dynamik abschwächen. Die Befragten gingen in diesem Segment von einem jährlichen Wachstum von 3,7 Prozent bis 2021 aus. Im Vorjahr hätten die Erwartungen noch einen halben Prozentpunkt höher gelegen.
Zusätzliche Wachstumsimpulse erwarten die Unternehmen hingegen aus dem öffentlichen Bau: In diesem Bereich rechnen die Befragten mit einem Plus von 2,9 Prozent pro Jahr bis 2021 (Vorjahr: 2,2 Prozent). „Viele aufgeschobene Bauvorhaben für Schulen, Ämter und die Verkehrsinfrastruktur dürften nun umgesetzt werden“, so Niederdrenk weiter. Denn durch das geringere Wachstum im Wohnungsbau und die Abschwächung im gewerblichen Bau – hier liegen die Wachstumserwartungen nur noch bei 1,7 Prozent (Vorjahr: 2,2 Prozent) – stehen die dafür benötigten Kapazitäten wieder zur Verfügung.
Personalmangel behindert Wachstum – Neue Absatzkanäle setzen Vertrieb unter Druck
Die größte Herausforderung sehen die Branchenvertreter im Personalmangel und der Qualifikation ihrer Mitarbeiter. „Der Mangel an Fachkräften behindert das Umsatzwachstum. Hersteller arbeiten vielfach an der Kapazitätsgrenze und sind gar nicht in der Lage, alle Aufträge abzuwickeln“, so Niederdrenk. Insbesondere für Hersteller der Bauzulieferindustrie seien die unbeschwerten Boom-Jahre jedoch vorbei: „Viele haben sich mit den strukturellen Veränderungen der Bauindustrie in den vergangenen Jahren kaum beschäftigt, da ihre Auftragsbücher stets voll waren.“ Gerade der steigende Preisdruck und neue Vertriebskanäle stellen die Unternehmen vor Herausforderungen: Installateure, Planer und Endkonsumenten nutzen inzwischen fast standardmäßig die vielen Preisvergleichsmöglichkeiten im Internet. In den vergangenen Jahren sind zudem neue Vertriebskanäle wie Online-Marktplätze oder Plattformen entstanden, die Hersteller direkt mit Installateuren und Endkunden verbinden. Das etablierte Margenmodell des dreistufigen Vertriebs gerät dadurch unter Druck.
Smart-Building-Trend erhöht die Anforderungen
Nicht zuletzt bekommen die Unternehmen die Folgen neuer Technologien zu spüren: Neben digitalen Geschäftsmodellen und der Digitalisierung der Prozesse müssen sie auch ihre Produkte zunehmend digitalisieren. Insbesondere der Smart-Building-Trend treibt diese Entwicklung voran. Um Gebäude intelligent zu vernetzen und Bereiche wie Heizung, Lüftung oder Belichtung automatisiert zu steuern, werden zunehmend Sensoren und Steuerungssysteme verbaut. „Die Gebäudehülle wird in Folge der Digitalisierung immer komplexer. Dadurch steigen die Produkt- und Serviceanforderungen. Für Hersteller bedeutet das: Sie müssen in Technologiekompetenzen investieren und ihre Vertriebsexpertise ausbauen“, so das Fazit von PwC-Experte Ralph Niederdrenk. (ig)